Disclaimer: Alle Charaktere gehören PARAMOUNT, bis auf den Meister Choi Hong Hi.
Anmerkung: In dieser Story verwende ich mehrere koreanische Begriffe, für deren Rechtschreibung ich keine Garantie geben kann. Nun erst mal zur Erklärung für alle, die kein Taekwondo (das ist übrigens ne koreanische Kampfsportart) können:
Hyong - eine Aneinanderreihung von bestimmten Bewegungsabläufen, die einen Kampf gegen einen imaginären Gegner symbolisiert.
Dojan - Wir haben unsere Turnhalle immer liebevoll Dojan genannt. Aber hier habe ich mehr an etwas Traditionelleres gedacht, ein typisch asiatisches Häuschen eben - wie bei Mister Miagi in Karate Kid.
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Chon-Ji

by Trini

Auf dem Holodeck herrschte ein heiteres Treiben. Neelix hatte wieder einmal eine seiner berühmt, berüchtigten Parties organisiert und diese schien ein voller Erfolg zu sein. Die Simulation des talaxianischen Erholungszentrums war wie umgewandelt - sonst vermittelte sie eine eher ruhige und erholsame Atmosphäre, doch an diesem Abend war die Stimmung hecktisch und ausgelassen... Zu ausgelassen für Kathryn's Begriffe.
Sie beobachtete das Geschehen von einem ruhigen Fleckchen außerhalb des Hauptgebäudes. Teilweise fand sie die ganze Szenerie belustigend: Harry und Tom - angeheitert und kaum noch in der Lage gerade zu stehen - die B'Elanna und Parsons - ebenfalls nicht ganz nüchtern - mit einem Beachvolleyballspiel zeigen wollten, dass Brückenoffiziere doch mehr darauf hatten als "Maschinenraumgroupies". Die Tanzfläche wurde nicht zum Tanzen benutzt sondern als Bühne für das Gesangsduett Seven - Doktor. Beide standen inmitten von angeheiterten Offizieren und boten ihre Version von ABBA's "The winner takes it all" dar, welche noch nicht einmal so schlecht klang.
Und wer war schuld an diesem ausgelassenen Treiben?- Mister Neelix. Dieser hatte nämlich nur wenig Ahnung von Holodecks und beging einen Fehler bei der Programmierung des holographischen Alkohols. Als dies bemerkt wurde, war es bereits zu spät gewesen - alles hatte schon seinen Lauf genommen.
Kathryn selbst war von diesem kleinen Malheur verschont geblieben, da sie wie immer am spätesten auf einer Party erschien und am frühsten wieder ging. Solch ein Spektakel wie heute hatte sie noch nie erlebt und auch nicht erwartet. Doch es war gut so. Endlich vergaß ihre Crew den Stress und die gefährliche Lage, in der sie sich befanden - ganz allein im Delta Quadranten. Sobald sie das Holodeck verlassen würden, wäre die Wirkung des holographischen Alkohols sowieso aufgehoben.
Kathryn beschloss, einen kleinen Spaziergang durch die idyllische Landschaft Talaxias zu machen. Erst war sie ziellos den Strand entlang gelaufen, hatte dem Rauschen der Wellen zugehört und sich den Wind durch die Haare wehen lassen, doch dann hatte sie die Richtung zu einem besonderen Plätzchen in dieser Simulation eingeschlagen: das Dojan von einem Großmeister des Taekwondo -  Choi Hong Hi. Dieser Ort hatte etwas besonderes, etwas mystisches an sich, sie konnte es einfach nicht beschreiben. Schon oft hatte sie diese Stelle besucht, sich Geschichten und Weisheiten von dem Meister erzählen lassen oder mit ihm gemeinsam trainiert.
Als sie das Häuschen erreichte, brannte noch Licht. Sie hätte nicht damit gerechnet, dass der Meister um diese Zeit wach sein würde. Vorsichtig lukte sie um die Ecke, doch was sie sah, war nicht der Meister - es war Chakotay.
Er hatte seinen Oberkörper frei gemacht und war nur mit lässigen schwarzen Cargo Pants bekleidet. Sein muskulöser Oberkörper glänzte vom Schweiss, als er unter Anspannung kraftvolle Fußtritte und Fauststöße in gleichmäßigen zeitlichen Abstand durchführte. Kathryn kannte diese Aneinanderreihung von Bewegungen  -  Chakotay lief den Chon-Ji Hyong - die erste von den 24 verschiedenen Formen des Taekwondo, eine für jede Stunde des Tages. Sie musste wohl eine ganze Weile einfach nur dagestanden haben - Chakotay sah umwerfend aus. Als er seine Übungen vollendet hatte, spürte er plötzlich die Präsenz eines Anderen im Raum.
"Wer ist da?"
Kathryn trat aus dem Schatten und zeigte sich erkenntlich.
"Ich bin's nur!"
"Kathryn, was machen Sie denn hier?"
"Dasselbe könnte ich Sie fragen, Chakotay." wich sie gekonnt seiner Frage aus.
Das war typisch Kathryn - nie zuviel von sich preisgeben - immer zuerst die Standpunkte der anderen hören bevor sie etwas über sich sagte. Teilweise hätte ihn diese Reaktion bei anderen Menschen verärgert, doch nicht bei Kathryn - Kathryn konnte er nie wirklich böse sein.
Er nahm ein Handtuch, wischte sich den Schweiss von der Stirn und setzte sich auf eine Bank. Als sich Kathryn zu ihn gesellt hatte, begann er ihre Frage zu beantworten.
"Als ich auf Neelix' Party erschien, waren alle bereits angetrunken. Neelix hatte, wie Sie sicherlich wissen, einen Fehler bei der Programmierung der alkoholischen Getränke begangen. Nachdem ich seinen Fehler korrigiert hatte, fühlte ich mich fehl am Platze. Überall herrschte diese übertrieben ausgelassene Stimmung, an der ich auf Grund meiner eher rationalen Gemütslage nicht teilhaben konnte. Also bin ich hierher gegangen, an mein liebstes Plätzchen in dieser Simulation."
Chakotay hielt kurz inne, bevor er weiterredete. "Was hat Sie hierher getrieben?"
"Ich bin aus dem selben Grund wie Sie hier. Ich fühlte mich nicht wohl in der Gesellschaft der anderen, ich kam mir vor wie das schwarze Schaf, welches sich den weissen Schafen nicht anpassen kann. Zugegeben, ich war schon immer das schwarze Schaf, der Spielverderber... erst als ich die Feier verließ, konnte sich die Crew wirklich amüsieren. Heute sehe ich zum ersten Mal, wie die Parties wohl immer ausgeartet sind, nachdem ich weg war..." Kathryn machte eine kurze Pause bevor sie wieder mit reden anfing. "Ich gönne ihnen den Spaß. Endlich können sie alle Sorgen vergessen: der Delta Quadrant, der lange Nachhauseweg... ich wünschte, ich könnte es auch... wir könnten es auch."
Es herrschte eine Weile beklemmende Stille. Jeder war in seinen Gedanken vom Anderen gefangen, bis Kathryn beschloss, die Spannung abzubauen und das Gespräch wieder aufzunehmen.
"Sie sind den Chon-Ji Hyong gelaufen... habe ich nicht Recht?"
"Ja, das ist richtig... Chon-Ji Hyong... Himmel und Erde, die ersten Elemente die Gott erschuf, sie stehen symbolisch für..."
"... den Anfang." beendete Kathryn seinen Satz. Sie waren nun kaum noch 5 Zentimeter voneinander entfernt und schauten sich tief in die Augen. Kathryn wagte den ersten Schritt. Langsam beugte sie sich zu ihm und berührte zärtlich seine Lippen. Als sie sich wieder zurückziehen wollte, ergriff er sanft ihren Kopf und erwiderte fordernd den Kuss. Alles um sie herum verschwamm - das Dojan, der Stand, die Lichter von der Party, als sie sich vollkommen ihren Gefühlen hingaben.
Sie wussten nicht, warum sie gerade diesen Zeitpunkt gewählt hatten. Vielleicht, weil sie sich genauso ausgelassen und sorgenfrei wie ihre Crew fühlen wollten, vielleicht, weil sie sich einfach nur nach Zärtlichkeit sehnten. Doch eines war sicher - im Gegensatz zu ihrer Crew - für die alles vorbei war sobald sie das Holodeck verliessen - würde es für Kathryn und Chakotay erst der Beginn einer gemeinsamen Zukunft sein... der Anfang, Himmel und Erde, Chon-Ji...

Ende