Titel:  Der Fall Langley
Autor:  mlanu
E-Mail: m.lanu@web.de
Disclaimer:  Alle bereits in Akte X erwähnten Personen gehören selbstverständlich nicht mir, sondern Chris Carter
Kategorie: Krimi
Spoiler: Hauptsache ungewöhnlich - X-Files meets Star Wars
Summary: Mulder ist ein siamesischer Zwilling
Dedication: Chris Carter (Die Idee mit den X-Akten war genial.)

 

 

 

DER FALL LANGLEY
 von mlanu

 

FBI-Hauptquartier, Washington D.C., Montag, 13.05.2000, gegen 7.30 Uhr

 

„Miß Scully, einen Moment bitte!“ Dana Scully wandte sich um und sah die Sekretärin des Assistent Directors Walter Skinner fragend an. „ Ja?“ „Mister Skinner möchte Sie sehen.“ „Gut, ich komme.“

 

Scully klopfte an die eichene Tür mit der Aufschrift „Assistent Director Walter Skinner“.

Auf das „Herein !“ von innen hin betrat sie das Büro ihres Vorgesetzten.

Wie immer schien das Sonnenlicht herein. Wie hell und freundlich war dieser Raum – im Gegensatz zu dem dunklen Kellerloch ohne Fenster, das Mulder sein Büro nannte.

„Guten Morgen, Sir.“

Skinner sah von seinen Unterlagen auf. Die dunklen Augen hinter den dünnen Brillengläsern waren wie immer durchdringend, fast ein wenig hart, ein Eindruck, der sich bestätigte, wenn man diesen Mann näher kennenlernte. Skinner war hart, aber gerecht und vor allem immer bereit, etwas richtiges zu tun, auch wenn das bedeutete, einen Bogen um die Regeln zu machen.

„Setzen Sie sich, Agent Scully.“ Sie nahm Platz. „Ich habe Ihren Bericht gelesen.“ „Und ?“

„Kersh war der Ansicht, Sie seien der Ihnen zugedachten Aufgabe nicht mehr gewachsen.“

Vor einer langen Zeit, es war Jahre her, hatte man Agent Dana Scully Fox Mulder zugeteilt, mit der Aufgabe, diesen zu überwachen. Scully was Mulders Partner geworden, im Laufe dieser Zeit. Die Chefetage des FBI hatte mehrfach versucht, die beiden Agenten zu trennen, ohne nennenswerten Erfolg. Sie konnten Dana Scully nicht nachweisen, dass sie ihre Arbeit schlecht tat. Bei allem Übersinnlichen hatte sie sich doch immer bemüht, in wissenschaftlichen Grenzen zu argumentieren.

Skinner sah sein Gegenüber prüfend an und strich mit der Hand über seine Halbglatze. „Ich sehe das allerdings etwas anders.“ Er dachte daran, wie lange er Agent Scully nun schon kannte – und ihre Arbeit schätzte.

„So“, sagte Scully nur und erwiderte seinen Blick. „Ich halte Sie für intelligent genug, Agent Scully. Sie kennen Ihre Grenzen und lassen sich von niemandem beeinflussen.“ Er sah sie wieder durchdringend an. „Das dachte man zumindest, als man Sie für diese Aufgabe auswählte. Es hat sich doch wohl nicht geändert, oder?“ Scully sah Skinner an, dass diese Frage rein rhetorisch gemeint war und ihm offen in die Augen. „Worauf wollen Sie hinaus, Sir?“ „Ich möchte Sie nur an Ihre Aufgabe erinnern, in Ihrem eigenen Interesse. Sie können jetzt gehen.“ Scully stand auf und ging zur Tür. „Ach, Scully...“ „Ja?“

„Passen Sie gut auf sich auf!“

 

 

Kellergeschoß des Hauptquartiers, ca. 7.50 Uhr

 

Scully öffnete die Tür zu Mulders Büro und sah ihn am Schreibtisch sitzen. Nicht lässig wie sonst, sondern seltsam angespannt. „Ist alles in Ordnung, Mulder?“ Sie kam näher.

In diesem Raum sah es noch chaotischer aus als sonst. Stapel von Zeitungen bedecken den Fußboden und Mulders Lieblingsposter mit der Aufschrift „I want to believe“ hing schief an der grauen Wand. Das einzige Licht spendeten zwei kalte Neonröhren an der Decke.

Scully sah ihm direkt ins Gesicht. „Mulder ?“

„Was?“ Es erschien ihr, als erwache er aus einem traumähnlichen Zustand. Er hat einen rastlosen verwirrten Ausdruck in den Augen.

„Ist irgendetwas passiert?“

„Sie haben ihn rausgelassen.“

„Wen rausgelassen, Mulder?“

Er schob ihr wortlos die Akte hin, sie nahm sie und blätterte.

Sie haben ihn damals verhaftet, Mulder?“ Sie sah ihn überrascht an. „Das wußte ich gar nicht. Peter Langley, der Schlitzer. Wie lange ist das jetzt her?“ „Sieben Jahre, Scully“, sagte er ruhig, „Sie sagten, er sei geistig verwirrt, nicht zurechnungsfähig.“ Er fuhr sich mit der Hand durch seine dunklen, inzwischen für einen FBI-Agenten viel zu langen Haare. „Sie sagten, er sei geheilt und könnte wieder ein vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft werden.“

 „Und Sie meinen, dass kann er nicht?“ Er lachte kurz, aber es klang alles andere als belustigt. „Sie haben Tooms gekannt und für Barnett die Zielscheibe gespielt, Scully.

Schon bei diesen beiden schien eine Integration schwierig zu sein. Langley kann kein vollwertiges Mitglied mehr werden, er nicht. Er ist durch und durch schlecht.“

 

Sie sah auf das Bild in seiner Hand. „Eigentlich sieht er gar nicht wie ein Massenmörder aus.“

Über Mulders Gesicht huschte ein Lächeln. „Scully, Sie als Wissenschaftlerin müßten wissen, dass dieses Argument nicht zählt. Kaum ein Mörder hat dessen Gesicht.

Sehen Sie zum Beispiel mich an.“

 „Sie?“

 „Denken Sie an meine Attacke gegen Skinner oder den Versuch, Kryzek zu erschießen.“

„Da waren Sie nicht Sie selbst, Mulder. Ich glaube, für einen Killer sind Sie nicht kalt genug.“

 

„Oh, Sie stehen mir Gefühle zu, Scully  Darf ich das als Kompliment verstehen ?“

„Das war kein Kompliment, nur die Wahrheit.“ Sie räumte einen Stapel Zeitschriften beiseite und setzte sich auf den Schreibtischstuhl ihm gegenüber.

„Woher wissen Sie eigentlich davon, Mulder?“

 „Mein damaliger Vorgesetzter hat angerufen. Er meinte wohl, ich sollte es wissen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jemand näherte sich dem Büro. Schritte klapperten auf dem Parkettfußboden.

Ein schlanker blonder Mann in einem gutgeschnittenen dunklen Anzug betrat den Raum.

Er verhielt sich, als wisse er genau wie er auf andere wirkte. Sein Auftritt war selbstsicher und lässig.

„Hallo, Mulder.“ Mulder hob den Kopf und sah den anderen an. Auf dem Gesicht des anderen Mannes erschien ein Lächeln, das sein ohnehin gutgeschnittenes Gesicht noch anziehender machte, als es ohnehin schon war.

„Daniel, was machst du denn hier?“ „Du weißt es, nicht wahr, Mulder?“ „O`Connor hat mich angerufen.“ Mulder bemerkte, dass der Andere fragend zu Scully hinsah.

„Daniel, das ist Dana Scully, meine Partnerin. Scully, das ist Daniel Meyers, wir haben damals im Langley-Fall zusammengearbeitet.“ Daniel deutete eine Verbeugung an und  drückte die zierliche Hand, die sich ihm entgegenstreckte.

<<Was für eine aparte Frau.>> „Freut mich sehr, Miss Scully.“

„Wie wär es mit einem Kaffee“, schlug Mulder vor, „ wir haben uns lange nicht gesehen.“ „Sicher, warum nicht.“

 

 

„Er macht einem manchmal richtig Angst“, sagte Daniel zu Scully, als Mulder sie allein ließ, um Kaffee zu holen.

„Angst?“

„Mir ist nie jemand begegnet, dessen Intuition besser war als seine. Er hat ein gutes Gespür für das Wesentliche.“

„Das ist wahr“, erwiderte sie mit einem leichten Lächeln.

„Er weiß aber genau, was er tut, Dana,“ er strahlte sie an und zeigte dabei zwei Reihen perfekter Zähne, „ auch wenn es manchmal den Anschein hat, als sei er verrückt.“

„Ich weiß, ich glaube, ich kenne ihn inzwischen ganz gut.“

„Hat er Ihnen gesagt, dass Langley ihm gedroht hat, ihn umzubringen, sollte er jemals wieder auf freien Fuß kommen?“

„Nein, das hat er mir nicht erzählt.“ So etwas erfuhr sie immer von anderen Leuten. Mulder war, was seine eigene Person betraf, verschlossen wie eine Auster. - Sie dachte an den Fall Barnett. Der Mann, der ihr damals davon berichtet hatte, war selbst ein Opfer geworden; armer Agent Perdue.

„Ich erinnere mich noch genau an die Verhandlung“, fuhr Daniel fort. „Er hat sich umgedreht und Mulder angegrinst. <<Wenn ich jemals wieder rauskomme, wird Ihr Ende lang und qualvoll sein, FBI-Fuchs.>>

Dana Scully lief ein Schauer über den Rücken. Schon wieder eine Parallele.

Daniel sah sie an. „Ich fürchte, dass er sein Versprechen halten wird.“

„Nicht, wenn ich es verhindern kann“, sagte Mulder, der unbemerkt hereingekommen war, ruhig, stellte das Tablett mit den Kaffeetassen ab und setzte sich wieder auf seinen Platz.

„Was wirst du jetzt tun, Mulder?“

„Nichts.“ Der Agent trank einen Schluck von seinem Kaffee. „Ich werde mich ganz bestimmt nicht in meiner Wohnung einschließen und darauf warten, dass er kommt und mich umbringt.“ „Vielleicht hat er das, was er gesagt hatte, ja auch längst wieder vergessen“, schlug Meyers vor. Es klang wenig überzeugend in Scullys Ohren.

„Eher fange ich auf meine alten Tage an, an den Weihnachtsmann zu glauben“, sagte Mulder trocken. „Es gibt Leute, die sind von Grund auf bösartig - und Langley ist ein ganz besonders widerliches Exemplar dieser Spezies Mensch.“

 

 

 

 

FBI-Hauptquartier, Washington DC, Mulders Kellerbüro, gegen 8 Uhr am 14.05.2000

 

Scully betrachtete die Fotos aus Langleys Akte, als Mulder hereinkam. Sie hatte sie am Abend zuvor mit nach Hause genommen und sie in Ruhe studiert.

„Morgen, Scully“, sagte Mulder kurz und Scully hörte an seinem Tonfall, dass etwas geschehen war, das ihm ganz und gar nicht gefiel.

„Was ist passiert?“ „Es fängt wieder an. Kaum ist er draußen, fängt es wieder an.“ Er hielt ihr eine Aufnahme hin. Sie warf einen Blick darauf und erwiderte in der ihr eigenen beherrschten Art, ohne mit der Wimper zu zucken: „Sie haben recht, das ist genau seine Handschrift. Es ist sein Muster, genau wie damals.“ Sie hielt die Akte hoch. „Ich habe noch andere Fotos hier drin gesehen, die dem, was Sie da haben, verdammt ähnlich sind.“

Sie sah ihn an. „Sie haben sich um den Fall bemüht, Mulder?“ Er nickte langsam und sie sah, wie es in ihm arbeitete, obwohl sich in seinem Gesicht keinerlei Regung zeigte. Diese Sache belastete ihn mehr, als er zugab.

 

 

Gerichtsmedizinisches Institut, Victoriastreet, 9.15 Uhr

 

„Ja, alle lebensnotwendigen Organe sind entfernt worden. Die Tote wurde regelrecht ausgeweidet. Anhand des Schnittverlaufes läßt sich erkennen, dass der Täter Linkshänder ist.“

Der Gerichtsmediziner wollte die Leiche vollständig abdecken, als Scully etwas sah, das sie irritierte. „Einen Moment noch bitte.“ Sie trat näher. „Darf ich?“ Der Doktor sah auf ihre behandschuhten Hände und nickte. „Bitte, Frau Kollegin.“ Dana hob eine der Hände und öffnete die verkrampften Finger der Leiche. Dann nahm sie eine Pinzette vom Seziertisch und zog etwas zwischen den Fingern hervor. Mulder hielt ihr eine kleine Tüte hin und sie ließ das Beweisstück hineinfallen.

Es war die Blüte einer weißen Orchidee.

 

 

Westfriedhof, etwa 20 Minuten später

 

„Mr. Langley hilft bei uns als Gärtner aus. Warum?“ „Ich bin ein Bekannter von ihm und würde ihn sehr gerne sprechen.“ Mulder lächelte die Frau charmant an. <<Das konnte er, charmant sein, wenn er wollte, sehr charmant sogar.>>

„Kommen Sie, ich werde Sie hinbringen.“ Mulder und Scully folgten ihr.

Sie durchquerten einen Garten, in dem alles in voller Blüte stand, und betraten ein riesiges Gewächshaus.

Scully hatte noch niemals so viele verschiedene Arten von Blumen auf einmal gesehen. „Mr. Langley ist dort hinten, bei den Rosen“, sagte die Frau. „ Sie können es gar nicht verfehlen.“

„Danke, Ma`am“, entgegnete Mulder. Die Frau ließ die beiden allein. Scully folgte Mulder nach hinten und bei der Flut der Farben und Düfte wurde ihr beinahe schwindelig.

 

Sie sah den Mann bei den Rosen stehen. Er trug gelbe Gummihandschuhe und hielt eine kleine Schere in der Hand, mit der er die Rosen stutzte. Sie registrierte, dass er Linkshänder war.

„Hallo Langley“, sagte Mulder ruhig zu dem Mann. Dieser schrak förmlich zusammen, so als habe er sie nicht kommen hören, und wandte sich dann langsam zu den Beiden um.

Scully war überrascht, als sie in Peter Langleys Gesicht sah.

Er war ein ausgesprochen attraktiver Mann in mittleren Jahren, mit dunklem Haar, das von grauen Strähnen durchzogen war und Augen, deren Intensität sie an Mulders erinnerte, nur waren seine von einem sehr hellen Blau.

Auf Langleys Gesicht breitete sich etwas aus, das einem Lächeln glich, und Scully fühlte sich unwillkürlich stark an ihren Kollegen erinnert. Verwirrt sah sie Mulder von der Seite an.

<<Du hast mir nicht gesagt, dass ihr euch ähnlich seid.>>

Mulder bemerkte ihren Blick, sah sie an und Scully blickte wie ertappt zur Seite.

 

„FBI-Fuchs Mulder, ich hätte mir denken können, dass Sie früher oder später hier auftauchen.“Sein Blick glitt zu Scully und er lächelte. „Ist sie Ihr neuer Partner? Besser als Meyers, schon rein optisch. Ja, Sie haben sich verbessert, was die Wahl der Partner betrifft, Fuchs Mulder.“ Er sah wieder Mulder an.

„Was führt Sie her? Wollen Sie mich beglückwünschen?“ Mulder gab etwas von sich, das wie das Fauchen einer Katze klang. „Schade! Ich dachte, Sie  hätten Ihren Haß am Tor abgegeben, Mulder. Eigentlich habe ich Sie damals bewundert. Kein Mensch außer Ihnen ist mir auf die Schliche gekommen, aber Sie waren mir ebenbürtig.“ Er legte die Schere zur Seite.

„Also Fuchs Mulder, warum sind Sie hier. Ich bin gesund und habe nicht vor, mich noch einmal mit dem Gesetz anzulegen.“ Scully hörte Mulder lachen.

 „Gesund? Langley, Sie sind niemals krank gewesen, wie sollen Sie dann gesund werden. Vielleicht hat man Ihnen damals Unzurechnungsfähigkeit attestiert, aber ich bin kein Psychater, mich täuschen Sie nicht. Wo sind Sie gestern gewesen, Langley?“

„Na, wo schon, bei meiner Arbeit. Was soll das, wollen Sie Zeugen dafür?“

„Ja, einen ganzen Stall voll.“ „Können Sie  haben.“ „Das hoffe ich für Sie, Langley.“ Mulder funkelte sein Gegenüber an. „Ich habe eine Tote, die genauso gestorben ist wie Ihre damaligen Opfer und werde alles daran setzen, Ihnen den Mord nachzuweisen, das können Sie mir glauben.“  Scully sah Mulders zu Fäusten geballten Hände und seine grünen blitzenden Augen.

Langley registrierte das ebenfalls und lachte. „Er hat Ihnen nicht gesagt, dass wir fast so etwas wie siamesische Zwillinge sind, die nach der Geburt getrennt wurden, oder Ma`am?“ Und an Mulder gewandt: „Dieser Fuchs war immer der Gute von uns beiden, aber langsam glaube ich, dass sich die Fronten verschieben. Mulder, Sie werden mir richtig unheimlich.“ „Ich will die Namen der Zeugen Langley, sofort!“ Mulder drückte ihm einen Notizblock und einen Stift in die Hand. Langley seufzte und begann ohne zu zögern Namen aufzuschreiben.

Dann streckte er Mulder beides entgegen. „Hier. Und jetzt gehen Sie hin und prüfen es nach.“ „Das werde ich, wir sehen uns noch.“  „Das will ich doch hoffen, ich würde mich freuen.“

Er tippte sich mit der Hand an eine imaginäre Mütze und wandte sich an Scully. „Ma`am.“

Langley grinste sie an und ohne dass sie es wollte, lief es ihr eiskalt den Rücken herunter.

Mulder und sie verließen Langley und das Gewächshaus.

„Ich freue mich schon auf unser Wiedersehen, Fox Mulder“, sagte Langley in den leeren Raum hinein, als sie gegangen waren, „ und ich schwöre Ihnen, daß Sie es niemals vergessen werden, Zwilling.“

Er lachte schallend und wandte sich wieder seinen Blumen zu.

 

Parkplatz des Westfriedhofs, 9.55 Uhr

 

„Zehn Zeugen und alle bestätigen unabhängig voneinander, dass Langley hier war, die ganze Nacht“, faßte Scully später zusammen. „Ich glaube das einfach nicht. Er wird hier nicht gefangen gehalten, kann kommen und gehen, wann er will.“

 

Mulder raufte sich die Haare. Er bemerkte, dass sie ihn prüfend ansah und wandte sich zu ihr um.

„Wissen Sie, was mich am meisten ängstigt, Mulder?“ „Was?“ „Dass das, was er über die Ähnlichkeit gesagt hat, in gewisser Weise stimmt.“ „Tut es das denn?“

„Mulder, Sie wissen genau, dass es so ist. Warum haben Sie mir das nicht gesagt?“ „Hätte es denn einen Unterschied gemacht?“ „Ich weiß nicht...“ „Was wissen Sie nicht, Scully?“

„Was ich von ihm halten soll!“ „Halten Sie ihn für das, was er ist: ein Monster.“

„Sie haben beide dieselben Augen, wissen Sie das. Das ist unheimlich.“ „Finden Sie das wirklich, Scully?“ Scully sah, dass er sie mit ehrlichem Interesse musterte.

„Es ist vielleicht nicht dieselbe Farbe, aber die Intensität ist die gleiche. Man fühlt sich seltsam dabei.“ „Das tut mir leid.“ „Das muß es nicht. Sie können ja nichts dafür.“

Er schloss die Tür des Wagens auf und ließ sie einsteigen.

 

 

 

Mulders Kellerbüro, 15.30 Uhr, 14.05.2000

 

„Oh hi, Dana. Haben Sie Mulder gesehen?“ Meyers sah sie fragend an. „Er wollte in einer Viertelstunde wieder zurück sein.“ „Gut, dann kann ich ja warten.“ Er strich sich über den Schlips, der genau zu seinem Designeranzug passte und sah sich um.

„Wie hält er es nur in diesem Chaos aus.“ „Er findet immer alles wieder.“

„Sie haben Langley gesehen, Dana?“ „Ja.“ „Hat es Sie auch so außer Fassung gebracht wie mich damals.“ „Was?“ „Dass die beiden wie die gute und die böse Hälfte einer Persönlichkeit sind.“ „Doch, schon.“

„Nur, weil sie einander so ähnlich sind, war Mulder damals in der Lage, ihn dingfest zu machen. Er hätte ihn am liebsten umgelegt, etwas, das so gar nicht zu seiner Persönlichkeit paßt. Eigentlich hasst er jede Art von Gewalt.“

 

Die Tür öffnete sich und Mulder kam herein. Er sah Meyers und sagte: „ Na, Dan, hast du Scully wieder geheime Dinge über mich verraten?“ „Nein, eigentlich nichts, das ihr nicht schon bekannt sein dürfte.“ Mulder schob einen Stapel Akten zur Seite und forderte den anderen auf, Platz zu nehmen.

Dan wartete noch einen Augenblick, dann ließ er die Bombe platzen.

„Sie haben ihn , den Killer!“ „Sie haben was?“ Scully und Mulder sahen Meyers beide verblüfft an.

„Na, den Typen, der die Frau ausgenommen hat. Er hatte ihre Organe im Regal stehen.“

„Warum hat man uns nicht benachrichtigt?“ „Ich sage es euch doch gerade.“ „Das ist nicht dasselbe, Dan.“ Mulder strich sich widerwillig eine dunkle Locke aus der Stirn. „Wie hat man ihn gefunden?“ „Er hat sich selbst gestellt.“ „Ich will diesen Mann sprechen, wo finde

ich ihn?“

 

 

Polizeiwache, 15. Straße, 16.15 Uhr

 

„Er tauchte gegen halb zwölf hier auf und stellte eine Batterie von Einweckgläsern auf den Tisch.“ Der Beamte sah Mulder an. „Mein Kollege warf einen Blick darauf und ihm fiel das Essen aus dem Gesicht.“ „Wo sind die Gläser jetzt?“, wollte Scully wissen.

„Dort hinten stehen sie.“ Sie stand auf, um sie sich anzusehen.

„Alles sorgsam in Spiritus eingelegt und etikettiert“, sagte sie.

„Ich will ihn sehen“, knurrte Mulder. „Gut, Sir“, entgegnete der Sergenant, „Er ist ganz ruhig, obwohl ich glaube, dass er vollkommen verrückt ist.“

 

 

 

 

Er war ein mittelgroßer schmächtiger Mann im mittleren Alter. Jemand, dem man eine solche Tat eigentlich nicht zutraute, da er eher aussah wie der typische kleine Buchhalter.

Einer, der in der Menge unterging und gerade deswegen besonders schwer zu fassen war, wenn er sich nicht, wie in diesem Falle, selbst stellte.

„Mr. Arnold. Mein Name ist Mulder und das ist meine Kollegin Dana Scully. Wir sind vom FBI.“ Arnold machte auf Dana den Eindruck eines verschreckten Kaninchens, das man in die Enge getrieben hatte.

„Sie haben den Mord gestanden, warum?“ „Weil ich es getan habe“, sagte der Mann mit einer dünnen Stimme, die das Gefühl, einen Buchhalter vor sich zu haben, noch verstärkte.

„Wann haben Sie es getan und wie?“ „Vorgestern abend. Wir waren bei mir und das Messer lag auf dem Küchentisch. Es war, als ob man Papier schneidet, ging ganz leicht.“ „War sie schon tot, als Sie sie aufschnitten?“ Der Mann nickte. „Ich kam aus dem Badezimmer. Sie saß da und sagte kein Wort, aber ihre Augen haben mich angesehen, sie waren ganz starr.“ „Wieso haben Sie sie aufgeschnitten, Mr. Arnold?“ „Es war wegen der Stimme in meinem Kopf.“ „Was sagte diese Stimme denn genau?“ „Schneide sie auf und tu, was getan werden muß, du kannst ihr sowieso nicht helfen. Die Stimme sagte mir auch, wo ich die Gläser finde.“

 

Mulder warf Scully einen kurzen Blick zu. Sie sah ihm an, dass er es für absurd hielt, dass sie hier einem Mörder gegenüber saßen. Die ganze Geschichte ergab überhaupt keinen Sinn. „Wie erklären Sie sich, dass es kein Blut gab in Ihrer Wohnung, Mr. Arnold?“ „Sie hat nicht geblutet, da war überhaupt kein Blut, nicht ein Tropfen.“ „Fanden Sie das nicht merkwürdig? Sie sagten doch, dass sie noch gelebt hat, als Sie ins Badezimmer gingen.“ „Ja.“ „Wie lange, glauben Sie, waren Sie denn im Bad?“ „Ich weiß nicht, ich vergaß die Zeit.“ „Dann müssen Sie aber gleich ein paar Stunden vergessen haben“, meinte Mulder zynisch.

„Ja, vielleicht.“ Arnold bemerkte den beißenden Spott entweder nicht oder überhörte ihn geflissentlich. „Ich möchte, dass Sie etwas für mich tun, Mr. Arnold.“ Mulder zog seinen Notizblock hervor. „Schreiben Sie ihr Geständnis für mich auf.“ Arnold nahm bereitwillig den Stift und begann zu schreiben.

Dana sah das Glitzern in Mulders tiefgründigen Augen. Arnold schrieb mit rechts.

 

Er ließ den Stift sinken. „Gut, danke.“ Mulder steckte den Block wieder ein. Er bedeutete Scully, ihm zu folgen, blieb an der Tür aber noch einmal stehen, weil ihm etwas eingefallen war, das er beinahe vergessen hatte. Er zog ein Foto aus seiner Jackettasche. „Ach, Mr. Arnold. Kennen Sie zufällig diesen Mann?“

Arnold warf einen Blick auf das Bild und nickte. „Natürlich, das ist Peter Langley, wir waren beide im selben Sanatorium.“

 

 

Vor der Tür des Polizeireviers

 

„Nie und nimmer ist das unser Mann. Ich weiß nicht, wie Langley es getan hat, aber irgendwann, irgendwann werde ich es wissen!“ Er startete den Wagen und fuhr los.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kellergeschoß, Mulders Büro, 18.30 Uhr

 

„Du sagst, dass sie sich kennen?“ Daniel Meyers sah Mulder überrascht an. „Ja, das sage ich. Sie kennen einander und Arnold ist Rechtshänder. Wie, frage ich dich, hätte er einen Schnitt aus diesem Winkel ausführen sollen? Das geht technisch gar nicht“ Daniel wischte das doch sehr überzeugende Argument einfach mit einer Handbewegung beiseite „Ich bin kein Mediziner, Mulder und ich kenne mich mit solchen Dingen nicht aus. Das Gesetz aber kenne ich und das sagt, dass ein Mensch so lange unschuldig ist, bis man ihm seine Schuld nachgewiesen hat. Versuche Langley nachzuweisen, dass er es war, wenn du meinst, dass du das kannst. Ich halte es für ziemlich schwierig. Er hat ein Alibi und wir einen Verdächtigen, der sich noch dazu selbst gestellt hat.“ Er sah Mulder an.

„Ich weiß, was du jetzt sagen willst, dass sie sich kennen, ist sicherlich erstaunlich, aber besagt leider überhaupt nichts.“ „Wann wirst du es glauben, Dan?“ Mulders Stimme war ruhig, aber es lag auch ein Funken Zorn darin. „Wenn wieder ein Mord geschieht?“ „Vielleicht!“

 

 

 

Arlington, in der Nähe von Daniel Meyers Wohnung

 

Daniel Meyers war auf dem Weg nach Hause. Es war gegen elf und regnete in Strömen. „Sauwetter, verdammtes“, brummte er, als auch die stärkste Stufe des Scheibenwischers nicht mehr gegen die Wassermassen auszurichten vermochte.

Gott sei Dank war er gleich zu Hause.

 

Er stieg aus dem Wagen und schloss die Tür ab. Als er hinter sich ein Geräusch vernahm, wandte er sich um, wie ein Tier, das etwas gewittert hatte. Er sah nichts.

„Irgendwann, Fox Mulder, bringe ich dich um,. Warum lasse ich mich immer von dir verrückt machen?“

Da, wieder dieses Geräusch, da war doch jemand. „Wer ist da ?“

Eine Gestalt trat aus der Dunkelheit. „Mr. Meyers?“ „Ja?“ „Ich muss dringend mit Ihnen sprechen. Es geht um Peter Langley.“ Meyers sah die Person, die ihm gegenüber stand, neugierig an. <<Das konnte noch ein interessanter Abend werden.>>

„Okay, kommen Sie mit rein“, sagte er. Die Gestalt folgte ihm, Absätze klapperten auf dem nassen Asphalt.

 

 

Mulders Wohnung, gegen 00.00 Uhr

 

Mulder schreckte aus dem Schlaf auf, als es klingelte. Sein Blick fiel auf den Fernseher, alles was er sah, war Schnee. War er etwa beim Film eingeschlafen? Jetzt fing sogar schon sein Lieblingsfilm an, ihn zu langweilen.

„Ja?“ „Mulder, ich bin es, Dan. Ich habe Neuigkeiten bezüglich Langley. Wie wär’s, wenn du vorbeikommst und es dir selbst anhörst, am besten gleich.“ „Gut, ich komme.“

Mulder hörte ein Klirren durch die Muschel. „Dan, hast du Besuch?“ „Ja, deshalb sollst du ja sofort kommen, damit... Hey!“ Meyers Tonfall veränderte sich plötzlich, Mulder konnte die Panik heraushören. „Was soll das, sind Síe verrückt geworden? Neeeeeeeeeeein!“

„Dan, hey Dan. Hörst du mich? - Scheiße!“

Mulder warf den Hörer auf die Gabel, schlüpfte in seine Jeans, stieg in den Wagen und raste zu seinem Kollegen. Gut, dass sie nicht so weit auseinander wohnten.

Ohne zu überlegen, trat er die Wohnungstür ein. Meyers lag auf dem Boden. Mulder war es, als sei überall Blut und Dan rührte sich nicht mehr. In seiner rechten Hand hielt er noch immer den Telefonhörer. „Dan, oh mein Gott!“

Plötzlich knackte etwas hinter Mulder und er wandte sich um. Er sah etwas in der Dunkelheit aufblitzen und hielt die Hände vors Gesicht. Er spürte kaum den Schmerz. Dann traf etwas hart seinen Hinterkopf und ihm wurde schwarz vor Augen.

 

 

Daniels Wohnung, 00.55 Uhr

 

„Mulder, hören Sie mich, bitte, wachen Sie auf!“

Mulder spürte eine kühle Hand auf seiner Stirn und öffnete langsam die Augen.

Er sah Scully neben sich knien, in ihrem hübschen feingeschnittenen Gesicht sah er Besorgnis und in ihren blauen Augen Angst.

„Wie kommen Sie hier her, Scully ?“ „Einer von den Nachbarn rief die Polizei, weil er laute Schreie gehört hatte. Einer der Kollegen kannte Ihre Nummer und rief mich an.“ Sie sah ihn wieder an, besorgt. Mulder wandte den Kopf und sah die Leute von der Spurensicherung arbeiten.

„Mir geht es gut“, sagte er dann  und sah auf seine Hände. Eine von ihnen spürte er kaum, sie blutete stark. „Sie hätten mich umbringen können, warum haben sie es nicht getan“, murmelte er. Scully streckte die Hand aus und strich ihm die Haare aus der Stirn. „Sie? Was ist passiert, Mulder?“ „Meyers rief mich an. Er sagte, ich solle sofort kommen, es sei wichtig. Noch als wir miteinander sprachen, brachte ihn jemand um. Ich bin sofort hierher gefahren. Dan war tot und alles voller Blut. Jemand ging mit einem Messer auf mich los und dann traf etwas hart meinen Hinterkopf. Es müssen zwei gewesen sein. Kein Mensch kann gleichzeitig an zwei Orten sein.“ Er rappelte sich auf. „Geht es?“ „Ja, alles okay.“ Er sah zum Sofa hin. „Sie haben ihn weggebracht“, sagte Scully. Mulder blieb stehen. „Das Blut, wo ist das Blut geblieben?“ „Blut?“ „Ja, alles war voller Blut, der Boden, das Telefon, alles.“

„Als ich hierher kam, sah alles aus wie jetzt.“ Sie sah ihn besorgt an. „Es war dunkel, oder?“

„Ziemlich dunkel.“ „Dann war es wahrscheinlich eine optische Täuschung. Mulder , das kommt vor. Das Licht hat Ihnen einen Streich gespielt.“ Er streckte ihr seine blutende Hand entgegen. „Aber das ist keine Täuschung, oder?“ „Das ist echt. Wir müssen es sofort verbinden.“

 

 

In Scullys Wagen, etwa 20 Minuten später

 

„Scully, ich möchte, dass Sie mir einen Gefallen tun. Machen Sie die Autopsie und prüfen Sie nach, ob das Mordwerkzeug wirklich ein Messer war.“ „Was ist denn die Alternative?“ „Ein Laser, gebündeltes Licht. Es schneidet alles wie Papier und kein Tropfen Blut bleibt zurück.“

Er sah sie an. „So ein Laser wie er in der Medizin verwendet wird.“ „Okay, Mulder, ich werde nachsehen. Es müßte sich dabei allerdings um eine Bündelung handeln, die der Haut keinerlei Versengungen zufügt und außerdem scharf ist wie ein Skalpell.“

Scully sah Mulder an. „Es tut mir leid um Daniel, er war ein netter Kerl.“ „Ja.“ Sie sah keinerlei Regung auf seinem glatten Gesicht, aber das kannte sie nicht anders. Wenn man Einblick in sein Gefühlsleben bekommen wollte, musste man ihm direkt in die ungewöhnlichen Augen sehen, denn nur die vermochte er nicht zu beherrschen.

 

 

 

 

Mulders Büro, 8 Uhr, 15.05.2000

 

„Wie geht es Ihrer Hand?“ Mulder sah auf die verbundene Hand herunter. „Gut, dass ich kein Linkshänder bin. Haben Sie etwas herausgefunden, Scully?“

„Sie könnten recht haben,. Ich habe mich noch einmal diesbezüglich schlau gemacht. Meine Informationsquelle wies mich aber darauf hin, dass eine solch starke Bündelung im medizinischen Bereich nicht üblich ist. Sie tippte eher auf ein Regierungsprojekt oder so etwas Ähnliches.“

Sie sah Mulder an. „Woran denken Sie, Mulder?“ „Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich musste gerade an Star Wars denken, an Laserschwerter.“ „Ein Laserschwert?“ Er nickte.

„Kennen Sie die Filme nicht, Scully?“ „Doch, ich kann mir das nur nicht so recht vorstellen.“

„Ist auch schwer.“ Er fuhr sich durch die Haare. „Ich bleibe bei Langley, aber er muss Helfer gehabt haben.“ „Wer sollte ihm denn helfen, Mulder?“ „Jemand wie Arnold oder...“,

in seinen Augen blitzte es auf, „ seine Frau.“ „Langley ist verheiratet.“ „Oh ja, er hat sogar zwei Kinder, Töchter glaube ich. Wir sollten mit seiner Frau reden.“

 

 

Auf dem Weg zu Langleys Haus

 

„Kennen Sie Langleys Familie, Mulder?“ „Nur seine Frau. Sie trat als Zeugin im Prozess auf.“ „Für die Verteidigung oder die Anklage?“ „Für die Verteidigung. Sie sagte aus, dass er ein liebevoller Mann und Vater war. So etwas macht Eindruck auf die Geschworenen.“ „Sie muss Sie hassen.“

 

Vor dem Haus der Langleys, Westside, gegen 9.30 Uhr

 

Er hielt an, beide stiegen aus und die Treppe zum Haus hinauf.

Mulder klingelte. Eine Weile geschah nichts, dann wurde die Tür von einer jungen Frau Anfang zwanzig geöffnet, die wie eine Krankenschwester gekleidet war.

„Ja, bitte?“ Scully lächelte. „Wir würden gerne Mrs Langley sprechen, ist sie da?“

„Ja, einen Moment, ich werde sie holen.“

Die junge Frau verschwand und kam kurz darauf mit einer Frau in mittleren Jahren zurück. Die Frau sah keinesfalls überrascht aus. „Fox Mulder, ich erinnere mich gut an Sie.“ „Mrs Langley.“ Die Frau sah Dana an. „Das ist meine Kollegin, Agent Scully.“

„Wollen Sie nicht hereinkommen?“

 

Die beiden Agenten folgten ihr ins Innere des Hauses. „Setzen Sie sich doch.“

Mrs Langley sah Mulder durchdringend an. „Sie sehen aus wie damals. Fast kommt es mir vor, als sei es gestern gewesen.“ Sie wandte sich an Scully. „ Sie denken, dass ich Ihren Kollegen hasse, aber das tue ich ganz und gar nicht.“ „Sie haben damals für Ihren Mann ausgesagt“, wandte Scully ein.

„Richtig, was sein Verhalten als Ehemann und Vater betraf, war nichts Negatives zu sagen.“ Sie setzte sich. „Aber im Prozess erfuhr ich, was er sonst so trieb, und ich kann nicht sagen, dass es mir gefallen hat, nein, weiß Gott nicht.“ Mulder fiel auf, wie sehr sich Langleys Frau in der Zeit nach dem Prozess verändert hatte. Sie war hart geworden, unbeteiligt.

Liz Langley strich sich das dunkle Haar aus der Stirn und sprach weiter:

„Gesehen habe ich ihn zuletzt vor 1½ Jahren in der Klinik. Er sprach immer von Ihnen, Mr. Mulder und davon, dass er Sie bewundert.“ Wieder sah sie Scully an. „Es klang fast wie Ehrfurcht, verrückt, nicht wahr? Vor etwa einem Jahr wurden wir geschieden und seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.“ „Was ist mit Ihren Kindern, Mrs Langley? Wissen sie, was ihr Vater getan hat?“

„Die Ältere schon, die jüngere nicht. Ich habe versucht, es vor ihr so gut wie möglich zu verbergen." „Und die Ältere?“ „Die hat Ihnen gerade die Tür geöffnet. Sie ist zwanzig. Sie weiß, dass ihr Vater krank ist, wahrscheinlich auch, was er getan hat. Ich kann Ihnen da gar nichts Näheres sagen, wissen Sie, sie wohnt schon lange nicht mehr hier. Ich sehe sie nur ab und zu. Heute ist sie zufällig einmal da. “

„Wussten Sie, dass man ihn entlassen hat?“, sagte Mulder ruhig und der Blick der Frau traf ihn. Er las Entsetzen in ihren Augen, die erste wirkliche Gefühlsregung bei dieser Frau.

„Er ist wieder frei?“ „Ja, man hat ihn als geheilt entlassen.“ Liz Langley ließ sich in den Sessel zurücksinken. „Haben Sie mit ihm gesprochen, Mr. Mulder?“ „Ja.“

„Was hat er gesagt?“ „Was hätte er denn Ihrer Meinung nach sagen sollen, Ma`am?“

„Nichts, gar nichts.“ Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Gehen Sie jetzt bitte, ich fühle mich nicht wohl.“ Mulder sah sie kurz an und nickte. „Kommen Sie, Scully.“ Sie verließen das Haus der Langleys.

Als sie in den Wagen steigen wollten, blieb Mulder stehen und sah an dem Haus hinauf. „Mulder, was ist?“ „Nichts, ich dachte nur, ich hätte jemanden am Fenster stehen sehen.“

„Kommen Sie.“

 

 

Im Haus der Langleys

 

„Sie haben ihn rausgelassen, Alex.“ „Das weiß ich, Mum.“ „Du weißt es, Kind?“

„Ich habe den Kontakt zu ihm niemals abgebrochen, Mum.“ Sie drehte sich zu ihrer Mutter um. << Nein, schließlich habe ich ihn oft genug gesehen, Mum.>>

„Dad ist kein schlechter Mensch“, sagte sie. „Ich glaube nicht, daß er diese Verbrechen begangen hat.“ „Doch, Alex.“ „Du glaubst es, weil Fox Mulder es gesagt hat.“ „Er hat es nicht nur gesagt, er hat es deinem Vater bewiesen.“ Alex starrte einen Moment lang vor sich hin, dann sah sie wieder ihre Mutter an.

„Er ist zu attraktiv für einen Polizisten“, sagte sie, „ viel zu attraktiv und er hat große Ähnlichkeit mit Dad.“ „Ich weiß.“ „Nur ist er viel jünger.“

Alex sah ihre Mutter an. „Warum hasst du ihn nicht, Mum?“ „Dein Vater hat es nicht anders verdient.“

 

 

In Scullys Wagen, auf dem Weg zurück in Mulders Büro

 

„Mulder, was ist los?“ Scully warf ihrem Kollegen einen fragenden Blick zu. Er starrte nachdenklich vor sich hin. „Woran denken Sie?“

„Haben Sie das Gesicht seiner Ex-Frau gesehen, Scully? Vor irgendetwas fürchtet sie sich.“

„Vielleicht hat sie Angst davor, daß er ihr etwas antut.“

„Nein, warum sollte er, sie hat doch für ihn ausgesagt. Ich glaube, sie hat Angst um ihre Töchter.“ „Aber warum denn das?“ Mulder sah sie kurz an. „Ich weiß nicht, aber es hat mit dieser Frau in der Schwesterntracht zu tun. Ich kann es nicht ergründen, es ist einfach ein Gefühl. Sie hat Ähnlichkeit mit ihm. Nicht, was ihr Aussehen angeht, aber die Augen. Es ist dieselbe Eiseskälte in ihnen, dieselbe Verachtung wie bei Langley. Was haben Sie empfunden, als Sie ihm begegnet sind, Scully ?“

„Im ersten Moment Verwirrung, weil er mich irgendwie an Sie erinnerte und dann fast so etwas wie Hilflosigkeit. Er hat eine beinahe unheimliche Präsenz.“

„Genau das meine ich, Scully. Er schüchtert die Menschen, die ihm begegnen ein, macht sie hilflos, vielleicht sogar willenlos. Seine Tochter hat denselben Ausdruck in den Augen“

„Sie machen keinen hilflosen Eindruck auf mich, Mulder.“ „Hilflos, ich? Nein, mich macht er einfach nur wütend. Am liebsten würde ich ihm den Hals umdrehen.“

Westfriedhof,15.05.2000, 20.30 Uhr

 

Scully sah auf ihre Uhr. Es war gegen halb neun Uhr abends. Seit nahezu drei Stunden waren sie nun schon hier und beobachteten die Anlage, in der Langley arbeitete. Mulder saß neben ihr und sprach nicht. Während der gesamten drei Stunden hatte er kein Wort von sich gegeben. Seitdem sie diesen Fall hatten, lernte sie eine andere Seite Mulders kennen. Er konnte zärtlich und besorgt sein oder wie ein kleiner Junge – ein Blick aus den Hundeaugen genügte und sie fiel um – aber nie hatte sie in ihm eine solche Verbitterung gespürt, eine solche Wut, weil er hier machtlos zu sein schien. Sie spürte seine Zähigkeit, seine Härte, die er sonst hinter Sarkasmus verbarg. Das machte sie neugierig. Sie wollte alles über ihn wissen. Wollte wissen, warum sie so viel für ihn empfand. Es tat ihr fast weh, ihn so verbittert zu sehen. Wie gerne hätte sie etwas getan, um ein Lächeln auf sein ernstes Gesicht zu zaubern.

 

„Mulder, meinen Sie wirklich, dass noch etwas passiert ?“ „Ja,“ sagte  er ruhig, „genau in diesem Moment.“ Er streckte die Hand aus. „Sehen Sie, wer da kommt.“ Sie folgte seinem Finger. „Seine Tochter. Woher wussten Sie das ?“ Dana sah seine katzenhaften Augen in der Dunkelheit aufleuchten. „Erinnern Sie sich an seine Worte, Scully. Wir sind wie siamesische Zwillinge, die man bei der Geburt getrennt hat.“ Er öffnete die Tür.

„Wo wollen Sie hin ?“ „Ich werde ihr hinterher gehen. Sie sollten hierbleiben, falls etwas passiert. Verschließen Sie die Türen gut.“ „Das werde ich.“ Er beugte sich vor und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. „Bis später.“ Scullys Herz setzte für eine Sekunde aus. Er durfte so etwas nicht leichtfertig tun. Er wußte nicht, was er damit in ihr anrichtete. Mulder verschwand lautlos in der Dunkelheit.

<<Falls mir etwas passiert>> Scully fröstelte. Sie hätte mitgehen sollen. Warum ließ sie ihn allein gehen ? Er hatte es so gewollt. Er wusste, was er tat. Wusste er das wirklich ?

Sie stieg aus dem Wagen und schloss die Tür ab.

 

Mulder drückte sich an die Wand, um nicht gesehen zu werden, aber dennoch mitzubekommen, über was die beiden sprachen.

Langley und seine Tochter. Er hatte gewusst, dass er einen Helfershelfer hatte.

Die Frage war nur, wie er Arnold dazu gebracht hatte, einen Mord zu gestehen, den er nicht begangen hatte.

<<Er hat eine beinahe unheimliche Präsenz>> hatte Scully gesagt, wie recht sie hatte und wie schlimm war es, dass auch Langley recht hatte, sie waren einander wirklich ähnlich.

 

„Du solltest doch nicht hierher kommen, Alex,“ sagte Langley und fuhr seiner Tochter liebevoll durchs Haar.

„Ich muss mit dir reden. Mulder und eine Frau waren heute bei uns.“  „ Ihr hattet also Besuch vom FBI, damit war zu rechnen.“ Langley ließ sich auf die Bank vor dem Gewächshaus  nieder und bedeutete ihr, es ihm gleichzutun. „Wie geht es deiner Mutter ?“ „Ich glaube, sie hat Angst.“ „Angst, aber wovor denn. Niemand wird ihr etwas tun , Kind.“ „Warum hasst sie ihn nicht.“ „Ihn hassen, aber wofür denn.“ „Er hat dafür gesorgt, dass du ins Gefängnis kamst.“

„Er tut nur seinen Job und das gewissenhaft. Unterschätze Fox Mulder niemals, Alex.“ „Das hört sich beinahe wie Bewunderung an.“ „Ich respektiere ihn, weil er seinen Weg geht.“

Mulder holte tief Luft. Langley respektierte ihn also, aber das änderte nichts daran, dass er ein Mörder war. Nur, was für eine Rolle spielte seine Tochter in dem Spiel, das Langley mit ihm spielte ? Ein Spiel, das war es, zwischen Langley und ihm. Wenn es nach Langley ging, würde er, Mulder, am Ende der Verlierer sein, der Besiegte in einem Schachspiel, in Scherben zu seinen Füßen liegend.

 

„Was weißt du von ihm, Dad ?“ „Warum fragst du, Alex, interessiert er dich ?“

„Es erleichtert mir den Umgang mit ihm, falls ich ihm noch einmal begegne.“

 

Mulder hatte das Gefühl, dass jemand hinter ihm war. Obwohl dieser Jemand keinen Laut von sich gegeben hatte, spürte er seine Präsenz.

Langsam wandte er sich um. Scully sah ihm ins Gesicht und sein Missfallen an. Sie wollte etwas sagen, aber er legte ihr warnend die Hand auf den Mund. Dana blickte um die Ecke und sah Langley und seine Tochter miteinander reden.

 

Mulder zog seinen Block hervor, schrieb etwas auf und hielt es ihr hin.

<<Sie sollten doch im Wagen bleiben, gehen Sie zurück>>

Sie schüttelte energisch den Kopf. Wieder sah sie zu den beiden hin, die, seitdem sie hier war, kein Wort miteinander gewechselt hatten. Sie sah die junge Frau aufstehen und gehen.

Langley hingegen blieb auf der Bank sitzen und blickte zu den Sternen hinauf. Scully sah Mulder nachdenklich von der Seite an. Langley hatte fast denselben Ausdruck im Gesicht wie Mulder machmal, wenn sein Körper zwar da, aber sein Geist ganz woanders war. Fast, ja, fast ein wenig entrückt.

Worüber mochten Langley und seine Tochter gesprochen haben ?

 

Eine Weile rührte sich keiner von ihnen, auch Langley verharrte regungslos. Dann, als er sich erhob, schien der Bann gebrochen. Er verschwand in der Laube, die er bewohnte. Dana sah, wie im Inneren das Licht anging und spürte plötzlich Mulders Hand, die nach ihrer griff.

„Kommen Sie, Scully, es ist Zeit zu gehen.“ Sie folgte ihm. Sein Händedruck war fest und warm.

 

 

 

Wieder in ihrem Wagen

 

„Worüber haben die beiden gesprochen, Mulder,“ wolllte sie später von ihm wissen. „Sie haben über mich gesprochen,“ gab er ruhig Auskunft. „Über Sie ?“

Scully war überrascht. „Ja,“ sagte er und startete den Wagen.

„Und was haben sie gesagt ?“ „Langley hat seiner Tochter erzählt, wie gewissenhaft ich sei.“ „Gewissenhaft ?“ „Sicher, ich orientiere mich immer an den Regeln.“ Scully musste sich ein Lachen verkneifen. An den Regeln orientieren, ausgerechnet. Er orientierte sich im Höchstfall an Regeln, die er selbst gemacht hatte. Er war gut, wahrscheinlich das Beste, was das FBI hatte.

<<Nicht nur das FBI, Dana. Er ist mehr als das >>

Sie verscheuchte ihre Gedanken. Sie führten immer in dieselbe Richtung. Sie mußte aufpassen, dass sie sich nicht verrannte.

„Wo wollen Sie jetzt hin, Mulder ?“ „Ich werde Sie nach Hause bringen, es ist spät.“

„Und Sie, was machen Sie, Mulder ?“ „Ich werde es mir mit meinen Goldfischen gemütlich machen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

Scullys Apartment, gegen 22 Uhr

 

Scully schloss die Tür zu ihrem Apartment auf und machte das Licht an.

Sie schleuderte die Pumps von den Füßen und hängte ihren Blazer über die Stuhllehne. Ein Blick in den Spiegel genügte, um ihr zu zeigen, dass sie müde und erschöpft aussah. Dabei hatte sie an diesem Tag doch gar nicht so viel getan.

Das Telefon klingelte. Nach dem zweiten Läuten schaltete sich der Anrufbeantworter ein. „Hi, Dana, ich bin es, Judy. Schade, dass du nicht da bist...“ hörte sie ihre beste Freundin sagen und griff nach dem Hörer. „Ich bin doch da, gerade reingekommen. Was gibt es ?“ Sie lauschte. „Ja, natürlich, ich komme sofort. Deck ihn gut zu, hörst du ?“

 

 

 

Vor dem Haus der Langleys, etwa 1 Stunde später

 

Mulder blieb vor dem Haus der Langleys stehen und schaltete das Abblendlicht aus. In ihm war eine seltsame Unruhe, ein eigenartiges Gefühl, dass er nicht greifen konnte.

Das Haus lag in völliger Dunkelheit, eine alte Straßenlaterne spendete nur spärliches Licht.

Plötzlich glaubte er in der Dunkelheit etwas zu sehen, einen Lichtschein, der aussah wie gebündeltes Licht. Er stieg aus dem Wagen und griff nach seiner Waffe. Langsam bewegte er sich nahezu lautlos auf das Licht zu. Als er es beinahe erreicht hatte, erlosch es plötzlich und Mulder befand sich wieder in völliger Dunkelheit.

 

Er spürte etwas wie einen Windhauch und seine Hand schoß vor.

Jemand gab etwas von sich, das wie ein Fluch klang. „Verdammt !“

Mulder griff fester zu und zog die andere Person hinter sich her bis in den Schein der Straßenlaterne. Als er sein Gegenüber bei Licht sah, erkannte er die Tochter Langleys.

„Lassen Sie mich los, Sie tun mir weh.“ „Ist es nicht schon zu spät, um jetzt noch allein in der Dunkelheit herumzulaufen,“ sagte er sanft. Mulder wunderte sich selbst über den Klang seiner Stimme, aber nicht nur er. Auf Alex Langleys Gesicht erschien ein Ausdruck der Verwirrung.

Seine Stimme hatte geklungen wie purer Samt. Langsam wanderte ihr Blick über sein Gesicht, so als wolle sie sich jede Linie einprägen. Sie hatte ihn nur flüchtig gesehen und für attraktiv gehalten. Aber jetzt, als sie direkt vor ihm stand und in sein Gesicht sah, stellte sie fest, dass es mehr war als bloße Attraktivität. „Stimmt irgendetwas nicht ?“

Beim Klang seiner Stimme zuckte sie zusammen.

Mulder war verwirrt. Was war mit ihr los ? Etwas war außer Kontrolle.

„Mein Auto steht da hinten. Ich würde gerne ein paar Worte mit Ihnen wechseln, Miss Langley, falls es Ihnen nichts ausmacht.“ „Ausmachen ? Warum sollte es.“

Er ging neben ihr über die Straße. Sie registrierte, wie groß er war und wie stark.

Er bewegte sich wie jemand, der Kontrolle über seinen Körper hatte.

Bestimmt trieb er viel Sport.

Mulder schloss die Tür auf und stieg selbst ein.

„Worüber wollten Sie mit mir sprechen, Agent Mulder ?“

„Können Sie sich das nicht denken ?“

„Mein Name ist Alex.“ Mulder verschluckte das „ich weiß“ gerade noch, das ihm auf der Zunge lag.

„Sie wissen doch schon alles über meinen Vater, mehr als jeder andere.“ „Ich will

nichts über Ihren  Vater wissen, Alex.“ „Nein ?“ „Ich will etwas über Sie wissen.“ Sie sah ihn erstaunt an. „Von mir gibt es nichts zu erzählen.“ „Vielleicht doch.“ Sie sah ihn forschend an. Dieses Mal zuckte kein Muskel in seinem Gesicht. „Sie sehen ihn wirklich ähnlich, wissen Sie das.“

Er nickte. „Nur sind Sie jünger und Ihre Augen haben eine andere Farbe. Wie alt sind sie, Agent Mulder ?“

Jetzt musste Mulder lächeln. „Ist es wichtig zu wissen, wie alt ich bin..“ „Vielleicht.“ „Es tut nichts zur Sache. Ich zähle nicht. Wir wollten über Sie sprechen. Sie sind Krankenschwester.“

Mulder fühlte sich seltsam bei diesem Gespräch.

„Ich bin dabei, es zu werden,“ entgegnete sie. „Ist doch okay, wenn  es Spaß macht.“

Sie sah ihn an. „Das tut es.“

Einen Moment lang schwiegen beide, dann sprach sie weiter.

„Mein Vater bewundert Sie und ich wüßte zu gerne, warum er das tut.“ „Keine Ahnung.“

Um Mulders Lippen herum zuckte es kurz., er musste sich ein Lächeln verkneifen.

„Sie sehen nicht so aus, wie ich mir einen FBI-Agenten vorstelle.“ „Vielleicht bin ich nicht gerade der Prototyp, mag sein.“

 

„Sind Sie verheiratet ?“ Alex Langley sah ihrem Gegenüber direkt in die Augen.

Gutes Aussehen war die eine Sache – aber diese Augen eine andere.

Kein Mensch hatte das Recht, Augen zu haben, in denen alles lag, in denen man sich verlieren konnte. Er hatte sie und das verwirrte sie. „Sie haben die Direktheit von Ihrem Vater, was ?

Fragen Sie ihn, Alex. Er weiß alles über mich.“ Sie sah ihn direkt an.

<<Niemand weiß alles über dich. Du bist gefährlich, Fox Mulder >>

„Vielleicht möchte ich es aber von Ihnen hören,“ sagte sie. Ehe er wusste, was er tat, hatte Mulder seine Hand auf ihren Mund gelegt. „Es ist manchmal gefährlich, zu neugierig zu sein, Alex.“ Sie nickte und er ließ sie los.

„Sie sollten ins Haus gehen, es ist schon verdammt spät.“

Sie stieg aus dem Wagen und tat es, ohne noch ein Wort zu sagen.

 

Er wartete, bis sie die Haustür von innen geschlossen und das Licht im Inneren angemacht hatte, dann stieg er aus dem Wagen und ging zu der Stelle, an der er sie getroffen hatte. Dort angekommen, schaltete er seine Taschenlampe ein und suchte den Boden ab.

Erst sah er nichts, dann aber kam ihm eine Idee. Er schob einen der Findlinge beiseite und in seinen Augen blitzte es auf.

Mulder hat gefunden, was er gesucht hatte.

 

 

Scullys Apartment, 23.21  Uhr

 

Scully öffnete gerade die Tür, als das Telefon läutete, aber das Klingeln verstummte, noch bevor sie abheben konnte. Einer inneren Eingebung folgend, setzte sie sich an ihr Laptop und rief ihre E-Mail-Adresse auf. „Dachte ich es mir doch.“ Sie klickte die eingegangene Nachricht an und las:

 

<< Hi Scully,

 

ich weiß, dasss schon verdammt spät ist, aber ich dachte, es interessiert Sie vielleicht zu erfahren, dassas Ei des Kolumbus vor mir auf dem Tisch liegt. Wir sehen uns morgen in alter Frische . Süße Träume,

 

Fox >>

 

Scully runzelte die Stirn. Er unterschrieb mit Fox, das hatte er ja noch nie getan.

 

<< Das Ei des Kolumbus ! >> Was zum Teufel meinte er damit ? Sie würde es morgen erfahren- aber morgen war nicht heute  und heute war sie müde, sehr müde sogar.

Erst der Arbeitstag, dann der Keuchhusten ihres Patenkindes und zu guter Letzt Fox Mulders Märchenstunde.

 

 

 

Mulders Kellerbüro, 16.05.2000, 8 Uhr

 

„Morgen, Scully.“ Sie sah in sein Gesicht. Er wirkte ausgeruht, sah verdammt jung aus und so...

Was war nur in letzter Zeit mit ihr los ? Gut, sie fand Fox Mulder anziehend. Jede Frau fand Fox Mulder anziehend. Aber ihr zog es den Boden unter den Füßen weg, wenn er sie aus diesen verflixt grünen Augen ansah und wenn er sie, wenn auch nur flüchtig berührte, blieb ihr beinahe das Herz stehen. << Vergiss es Dana, du bist Scully, sein Partner, seine Kollegin –

Die Betonung liegt auf Kollegin, du bist sein Freund, mehr nicht !>>

 

Mulder sah sie unverwandt an. Ob sie wusste, wie anziehend sie war ?

Gerade jetzt, wenn sie nachdachte, über was auch immer. Aber noch lieber hatte er es, wenn sie lachte, denn dann bekam sie diese niedlichen Grübchen. Manchmal wollte er sie einfach in den Arm nehmen, sie an sich drücken und streicheln. Scully würde Zeter und Mord schreien, wenn er das tat.

Vielleicht spürte Sie sie nicht, diese knisternde Spannung, die zwischen ihnen herrschte.

Aber er tat es und das Gefühl tat beinahe weh. Wieso tat es so weh ?

 

Scully hatte zu ihrer alten Stärke zurückgefunden. „Erzählen Sie mir etwas über das Ei des Kolumbus,“ sagte sie. Er griff in die Schublade und schob etwas zu ihr herüber.

„Woran erinnert Sie das ?“ „Um zu Ihrer Vorliebe für Science-Fiction-Filme zurückzukommen – es sieht aus wie Skywalkers Laserschwert aus Starwars. Funktioniert es auch so ?“ „Probieren Sie es aus.“ Sie nahm es in die Hand und legte den Hebel um.

<<Gleißendes gebündeltes Licht.>> „Himmel, Mulder. Wo habe Sie das her ?“

„Ich war archäologisch tätig, d.h. ich grub es aus. Nicht weit von Langleys Haus entfernt. Ich glaube, seine Tochter Alex hat es dort versteckt.“ „Wie sind Sie auf dieses Versteck gestoßen, Mulder ?“ „Das war nicht weiter schwer. Ich sah, wie sie es versteckte.“

„Und sie hat Sie nicht bemerkt ?“ „Erst sehr spät. Wir haben uns noch ein bißchen unterhalten.“ „Gestern abend ? Sagten Sie nicht, Sie wollten es sich mit Ihren Goldfischen gemütlich machen ?“ „Das habe ich dann ja auch. Aber ein Dialog ist bei weitem spannender als ein Monolog. Die Fische antworten mir ja doch nicht.“

„Worüber haben sie gesprochen ?“ „Sie lernt Krankenschwester. Mehr habe ich nicht erfahren.“

Er strich sich widerwillig die Haare aus der Stirn, wie immer, wenn ihn etwas nervös machte.

„Etwas stimmt mit ihr nicht, Scully. Sie hat eine seltsame Art. Fast kam es mir vor, als wolle sie mich verhören.“ „Was wollte sie denn wissen,“ fragte Scully amüsiert nach. Interessant zu wissen, dass es Menschen gab, die jemanden wie Fox Mulder verwirren konnten.

Ihn, der auf alles immer eine Antwort wußte. „Wie alt ich bin, ob ich verheiratet bin und warum ihr Vater mich bewundert.“ „Haben Sie es ihr gesagt ?“ „Nein, ich verwies sie an ihren Vater.“

 

Etwas an ihm irritierte Scully plötzlich. Sie griff nach seiner Hand und spürte, dass er zitterte. „Was ist los, Mulder ?“ „Sie ist es, Scully. Ich spüre es genau. Sie ist das Böse und es sucht nach mir.“ Scullys Händedruck verstärkte sich.

„Was hat Alex Langley getan, Mulder ?“ „Ich spürte sie bei ihr, diese Präsenz, es war stärker als bei ihrem Vater und schaffte es gerade so, mich dem zu entziehen. Sie hat einen starken Willen.“ „Was will sie denn ?“ Sie sah in seine Augen. Es war dieser hilflose Ausdruck darin, der sie so sehr beunruhigte.

 

„Langley wird mich nicht einfach nur umbringen, seine Methoden sind viel subtiler.“

„Subtiler ? Sie meinen, er benutzt seine Tochter.“ Er nickte langsam.

„Was soll sie tun, Mulder ? Sie verhexen oder Sie verführen ,“ versuchte sie zu scherzen, aber als sie sein Blick traf, blieb ihr jedes weitere Wort im Halse stecken.

„Das ist kein Witz, Scully.“ „Sie sind ein Mann, ich glaube kaum, dass sie stärker ist als sie.

„Sie sind doch auch stärker als ich, Scully.“ „Ich ?“ Sie riss die Augen auf.

„O nein, bestimmt nicht. Ich wünschte, ich hätte nur einen Teil Ihres Willens, Ihres Verstandes.“

Mulder streckte die Hand aus und fuhr mit dem Finger sanft an ihrer Wange entlang.

„Sie sind viel klüger als ich.“ Scully spürte seine Hand in ihrem Gesicht und schloss für Sekunden die Augen. Die sanfte Berührung ging ihr durch und durch.

Sie öffnete die Augen wieder. „Nein, das ist nicht wahr. Ich weiß vielleicht Dinge, die Sie nicht wissen- medizinischer Art, aber sonst sind Sie mir weit voraus.“

„Ich habe Angst, Scully,“ sagte er leise. Sie war überrascht. Mulder und Angst.

„Wovor ? Sie kriegen ihn, ich weiß es.“ „Ich bin so müde.“

Sie stand auf, blieb neben ihm stehen und sah auf ihn herunter. Sie spürte seine Erschöpfung und wieder diese Verbitterung und ohne darüber nachzudenken, zog sie ihn an sich.

Mulder barg seinen Kopf an ihrem Bauch und schloss die Augen. Es tat so gut, ihr so nah zu sein. Sie war so warm, so vertraut, so stark. Scully fuhr ihm mit der Hand durchs Haar.

Sie wollte so stehen bleiben. So lange er bei ihr war, konnte ihm nichts geschehen.

Alex Langley war eine junge attraktive Frau und Mulder das beste, was einer Frau passieren konnte. Sie wußte, was Langleys Tochter von ihm wollte. Bis zu einem bestimmten Grad konnte sie sie sogar verstehen, schlimm daran war nur, dass es ihr nicht um Mulder ging – es war reine Berechnung – Vergeltung für ihren Vater.

Sie würde es nicht zulassen. Was Mulder in den letzten Jahren durchgemacht hatte, hätte für ein Dutzend Leben gereicht. Irgendwann musste damit Schluss sein. Er musste endlich zur Ruhe kommen.

Sie beugte sich herunter und hauchte ihm einen Kuss aufs Haar, dann schob sie ihn langsam von sich.

<<Geh nicht weg, Scully, ich brauche dich>>

Sie sah die unausgesprochene Frage in seinen Augen. „Wir müssen weitermachen,“ sagte sie ruhiger als sie war. Der Ausdruck in seinen Augen machte sie noch verrückt. Sie wich ihm aus.

<< Paß auf, sonst bemerkt er es>>

„Sie haben recht.“ Er stand auf und ging zu seinem Aktenschrank herüber.

 

Mulders Büro, gegen Mittag

 

„Wie alt ist Alex Langley,“ meinte er einige Stunden später. „Ihre Mutter hat etwas von zwanzig gesagt, wieso ?“

Er blickte auf die Fotos der alten Fälle herab.

„Was ist, Mulder ?“ „Vielleicht war er es gar nicht.“ „Was ? Aber Sie haben es ihm doch nachgewiesen. Er war dafür im Gefängnis.“ „Im Irrenhaus wegen angeblicher Unzurechnungsfähigkeit.“ „Mulder. Als Langley dorthin kam, war Alex 13.“

 

„Liz Langley hat wirklich Angst, aber nicht vor ihrem Mann. Sie hat nur Angst, dass er sie wieder dazu bringt, es zu tun.“ „Mulder, was reden Sie da.“ „Sie waren schon immer zu zweit,“ fuhr er fort, „nur einmal tat sie es allein.“ „Arnold ! Aber wie...?“ „Raten Sie mal, in welchem Krankenhaus Alex Langley arbeitet, Scully.“ „Woher haben Sie diese Information.“ „Ich habe in den letzten Stunden ein bisschen gegraben und bin fündig geworden.“ „So wie das letzte Mal auch.“ „Genau.“ „Und was sollen wir jetzt tun ?“ „Wie werden abwarten, was beide tun, wir sollten Langley beobachten. Vielleicht erfahren wir dann etwas.“

„Vielleicht haben Sie recht.“ „Ganz bestimmt sogar,“ sagte er schwungvoll, aber sie spürte, dass er nicht halb so zuversichtlich war , wie er tat.

 

 

 

Zunächst beschatteten sie Langley gemeinsam, dann überwachten sie ihn schichtweise. Ohne Erfolg.

Er verbrachte seine Tage im Gewächshaus und seine Nächte in der Laube.

Er ging nicht aus und erhielt auch keinerlei Besuch.

 

 

Westfriedhof, 19.05.2000, gegen 21 Uhr

 

Dann eines Nachts hatte Scully Wache. Mulder wollte duschen, sich umziehen und schnellstmöglich zurückkommen.

„Legen Sie sich zwei, drei Stunden hin, Mulder, ich schaffe das schon.“

„Sicher ?“ „Sicher.“ „Okay, bis dann.“

Er stieg in seinen Wagen und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Sie musste lächeln. Er fuhr wie ein Berserker. Ein Wunder, dass er noch nie einen Unfall gehabt hatte. Es passte zu ihm, sein Fahrstil war genauso ungestüm wie sein Wesen.

 

 

Scully sah auf die Straße hinaus. Es war keine Menschenseele unterwegs. Der Himmel sah aus, als würde es schon sehr bald wieder regnen – das hatte es ja auch schon lange nicht.

Plötzlich hielt ein Taxi nur 100 Meter entfernt. Scully blickte sich um, sah Langley herankommen und einsteigen. Sie machte den Motor an, ließ das Licht aber vorerst aus. So knapp hinter dem Taxi wäre sie Langley sonst sofort aufgefallen.

<< Wahrscheinlich weiß er längst, dass wir ihn beschatten>> Sie musste daran denken, dass er wie Mulder war – und der hätte es gewußt.

Mulder wusste immer alles, nur nicht, dass sie in ihn verliebt war und das seit Jahren. Sie seufzte und fuhr dem Taxi nach.

 

Die Fahrt ging durch die ganze Stadt, bis Scully vollends die Orientierung verlor – ebenso wie schließlich das Taxi mit Langley.

 

Sie sah ihn erst wieder, als sie etwas später Blaulicht in einiger Entfernung sah und näher kam.

Sie hatten die Straße abgesperrt; sie musste sich durch einen Pulk von Menschen drängen, bis sie endlich sah, was geschehen war.

„Er konnte nicht bremsen. Der Kerl ist ihm direkt vors Auto gerannt.“

Langley lag in einer großen Blutlache mitten auf der Straße in einer Gegend, in der sie noch nie gewesen war. Zu wem hatte Langley gewollt ? Scully sah auf ihn herunter. Sie konnte ihn nicht mehr fragen, er war tot.

Und zu allem Überfluss fing es plötzlich wieder an aus Kübeln zu schütten.

 

 

Mulders Wohnung, 22 Uhr

 

Mulder war gerade dabei, sich die Haare zu frottieren, als es klopfte. Das Handtuch in der Hand ging er zur Tür und öffnete sie. Seine Augen weiteten sich, als er sah, wer vor ihm stand.

„Alex ?“ „Kann ich reinkommen ?“ „Sicher.“ Er ließ sie eintreten und sah sie an.

Draußen mußte es in Strömen regnen, denn sie war klatschnaß.

Ihm fiel ein, dass eines der Fenster offen stand.

„Ziehen Sie die Jacke aus. Sie holen sich sonst noch den Tod.“ Er warf ihr das Handtuch zu.

„Danke.“ Sie schlüpfte aus ihrer nassen Jacke und frottierte ihre Haare, so gut es ging.

Mulder stand in der Tür und sah ihr dabei zu.

So als bemerke sie, dass er sie beobachtete, hob sie den Kopf und sah ihn an.

„Warum sind Sie hier, Alex ?“ Ihr Blick glitt über sein Gesicht und dann über seinen nackten Oberkörper. Er war gerade unter der Dusche hervorgekommen und trug nur Jeans, nicht einmal Socken.

Auf Alex Langleys schmalem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus.

O ja, er war perfekt. Zu einem hübschen Gesicht gehörte ein hübscher Körper und den hatte er, zweifelsohne.

„Wissen Sie das nicht, Fox ?“ Sie kam auf ihn zu und blieb direkt vor ihm stehen.-

 

„Nein.“ Die Augen, in die er sah, waren von einem kühlen Blau. Blau, aber kein warmes Blau wie das in Scullys Augen, sondern kalt. Er erwiderte den Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Alex stockte für eine Sekunde der Atem und sie war versucht, alle Pläne über Bord zu schmeißen. Dieser Fox Mulder war ein toller Mann, aber seine Partnerin, die ihn wohl ebenso heiß fand wie sie – es konnte gar nicht anders sein- würde nicht mehr viel von ihm haben, wenn sie mit ihm fertig war. Sie sah ihm in die Augen.

<< Er weiß es, Alex und er tut nichts dagegen>>

Alex streckte die Hand aus und berührte ihn. Sie spürte kühle glatte Haut und harte austrainierte Muskeln und erschauderte.

Es war nicht gut, dass er ihr gefiel, das machte es höchstens noch schwerer für sie.

Sie sah auf und direkt in die grüne Iris hinein. Da war noch mehr, ein braun, ein grau.

„Nein,“ flüsterte sie. „Warum sind Sie hier,“ fragte er genauso leise. Sie starrte auf sein Lippen, die ihren ganz nah waren und sie plötzlich berührten.

Alex zuckte zusammen. Sie spürte seine Lippen und begann den Kuss zu erwidern.

<< Das darfst du nicht tun, Alex. Du hast einen Auftrag>> Später !

 

Mulder spürte ihre Hände auf seiner Haut, ihre Lippen und wie sie weich wurde in seinen Armen. Er musste sich  einreden, sie sei Scully.

Was würde er tun, wenn sie Scully wäre ?

<< Scully, ich kann nicht anders. Ich muss es tun, es ist meine einzige Chance>>

Und Mulder stellte sich vor, er halte Scully in den Armen, jemanden, den er liebte – nicht jemanden, der gekommen war, um ihn zu töten.

Alex bebte. Sie wollte mehr von diesem Mann. Er war unglaublich. Eigentlich hatte er es nicht verdient, dass...

Sie begegnete seinem Blick und stutzte plötzlich. Für Sekunden war da etwas in seinen Augen gewesen, das da nicht hingehörte. Es war auch gleich wieder verschwunden, aber Alex war auf der Hut. Plötzlich war nichts mehr da von den Empfindungen, sie stieß ihn von sich.

„Alex, was ist ?“

„Du verdammter Dreckskerl,“ zischte sie, „ hast du geglaubt, wenn du mit mir ins Bett gehst, vergesse ich, weshalb ich eigentlich gekommen bin. Du überschätzt dich, Fox Mulder !“

 

Auch Mulders Haltung veränderte sich schlagartig. In seine Augen trat ein gefährliches Glitzern. „Vielleicht dachte ich, ich könnte eine Stunde länger leben,“ sagte er kalt. „Ich hasse dich, ich habe dich schon immer gehaßt. Du hast ihn an einen Ort gebracht, wo er nicht hingehört.“ „Weil du es warst ?“ Sie lächelte kalt. „Es war ein Spiel und ist es immer noch. Er bewundert dich, für was ? Du siehst ein bißchen aus wie er, aber seine Macht hast du nicht.“ „Warum, Alex ?“ „Es ist Kunst,“ sagte sie, „ eine besondere Form davon.“ Sie griff in ihre Tasche und zog etwas hervor, das dem Laserschwert, das er gefunden hatte, aufs Haar glich. „Es geht ganz schnell. Und tut nicht lange weh.“ „Wo hast du es her,“ wollte Mulder fast beiläufig wissen. Er versuchte, Zeit zu gewinnen.

„Ein Freund von mir ist Erfinder. Du kennst ihn, Jason Arnold. Ich hatte eine Vorliebe für Starwars, als ich klein war.“ Sie legte den Hebel um und fuchtelte mit dem Strahl gebündelten Lichts vor Mulders Gesicht herum. „Ich glaube, ich werde dir dein Gesicht lassen, es wäre schade darum, auch wenn du davon nichts mehr hast, denn du wirst tot sein, Fox.“

Mulder spürte wie ihre Hand mit dem Laser näher kam. Sie fuhr an seinem Hosenbein entlang und er musste sich zwingen, nicht aufzuschreien, als er durch den Jeansstoff drang.

Er roch den verbrannten Stoff und konnte nichts tun, war wie erstarrt.

 

„Warum tust du das , Alex. Was bringt es dir, wenn du mich tötest ?“

Ihr Arm glitt nach oben und versengte ihm einen Teil seiner Haare.

Fox merkte es nicht einmal. Er sah sie unverwandt an. Und trat dann näher an sie heran.

„Bleib stehen,“ zischte sie, „ du verkürzt nur dein Leben.“ „O nein, das glaube ich nicht,“ sagte er und kam auf sie zu.

Sie bewegte  sich in Richtung des offenen Fensters, ohne es zu merken.

<<Genau da will ich dich hinhaben, Alex Langley>>

Er musste ihr diese Waffe abnehmen, ohne sie hatte sie nur halb so viel Macht.

 

 

„Fox, ich warne dich.“ Der Laser traf seine Schulter und er verzog das Gesicht vor Schmerz. In der Luft lag der Geruch verbrannten Fleisches.

<<Nur noch ein paar Zentimeter>>

 

Alex stieß gegen die Wand und jetzt bemerkte sie das offene Fenster. Ihre kurzzeitige Verwirrung nutzte Mulder, um ihr den Laser aus der Hand zu schlagen.

Sie stürzte sich auf ihn und ihre Hände gruben sich in sein Fleisch.

Mulder verspürte keinen Schmerz, nur Wut

<< Dieses kleine Miststück !>>

Er versuchte sie von sich zu schieben, aber sie hatte sich förmlich in ihn verkrallt.

 

Und dann hörte er sie wieder, diese Stimme, die er immer öfter hörte, diese Stimme, die klang, als käme sie direkt aus der Hölle.

„Du gehörst mir, hast mir schon immer gehört !“

Und Mulder schrie: „Neeeeeeeeeeein !“ und stieß die junge Frau von sich.

Alex taumelte und stieß wieder gegen das Fenster.

Mulder bereitete sich auf einen weiteren Angriff vor, aber da geschah etwas merkwürdiges, das ihn noch in späteren Alpträumen verfolgen sollte.

 

 

 

Auf Alex Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Er starrte sie an.

„Danke,“ sagte sie, drehte sich um und stürzte sich schließlich aus seinem Wohnzimmerfenster.

 

Mulder war wie erstarrt, sekundenlang. Dann trat er zwei Schritte vor und blickte hinunter.

Er sah Alex Langleys zerschmetterten Körper auf dem Bürgersteig liegen. Um sie herum bildete sich ein Kreis von Menschen. Er trat einen Schritt zurück und fiel schließlich einfach um.

 

 

 

Scullys Wohnung, etwa eine Stunde später

 

„Mulder, Mulder, bitte.“ „Scully ?“ Er öffnete langsam die Augen. „Was ist ?“

„Wie geht es Ihnen ?“ „Als wäre ein Bulldozer über mich hinweggerollt.“ Sie streckte die Hand aus und berührte die verbrannte Stelle an seiner Schulter. Mulder zuckte zusammen.

„Alex Langley ist..“ „Sie ist tot, ich weiß.“ Er sah sich um.

„Wie bin ich in Ihre Wohnung gekommen ?“ „Ich habe Sie mitgenommen. Zuhause konnten Sie nicht bleiben.“

Ihr Blick glitt besorgt über sein Gesicht. „Sie sehen blass aus.“ „Es geht mir gut.“ Er versuchte ein Lächeln.

Wieder sah Scully auf seine Schulter. „Das sieht nicht gut aus, gar nicht gut:“ Sie stand auf

und kam kurz darauf mit Brandsalbe zurück.

„Wenn Sie schon mal dabei sind, ich habe noch so eine Stelle,“ sagte er ruhig und wies auf seinen Oberschenkel.

Scully nickte. „Ziehen Sie die Hose aus.“ Er tat es sofort. Die Wunde am Oberschenkel sah noch um einiges schlimmer aus. Sie rieb auch diese mit Brandsalbe ein.

 

 

Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie mit Mulder allein in ihrer Wohnung war und er nur in Boxershorts vor ihr saß. Sie riskierte einen Blick.

Er gefiel ihr, alles an ihm gefiel ihr. Er hätte ihr auch gefallen, wäre er nicht so perfekt gewesen, aber er war perfekt. Sie musste sich zwingen, ihn nicht zu berühren.

 

„Was ist passiert, Mulder ?“ „Sie wollte mich umbringen, Scully, deswegen kam sie zu mir. Ihr Vater hat sie geschickt.“ „Langley hat sich vor ein Auto geworfen,“ sagte Scully nur.

In Mulders Gesicht zuckte es. „Ich habe versucht, sie abzulenken.“ Er sah ihr in die Augen. „Ablenken ?“ Er nickte. Scully wusste sofort, was er mit ablenken meinte.

„Und ?“ „Sie hat mich durchschaut, aber erst nach einer Weile.“ Seine Augen tasteten ihr Gesicht ab, so als wolle er ihre Gedanken lesen.

„Ich habe mir vorgestellt, sie wäre Sie,“ fuhr er fort. „Ich ?“ „Ja, Sie Scully. Ich musste einfach. Ich stellte mir vor, Sie wären da, nicht Alex Langley und so konnte ich es ertragen.“

Scully blickte zum Fenster hin.

 

„Scully,“ sagte er leise. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu und er sah, dass sie weinte.

Sein Gesicht wurde weich. „Nicht weinen. Es gibt keinen Grund dafür.“

Scully spürte, dass ihr die Tränen über das Gewicht liefen, und es war ihr egal, dass er es sah.

Er beugte sich vor und küßte sie auf die Stirn. Sacht wischte er ihr die Tränen aus dem Gesicht. Er küßte ihre Wangen und dann legten sich seine Lippen kühl und weich auf ihren Mund. Durch Scully Körper lief ein Zittern

<< Ja. Endlich >>

 

Sie zögerte kurz, dann begann sie den Kuß zu erwidern, zunächst vorsichtig, dann mit immer mehr Gefühl. In ihrem Kopf schienen Feuerwerkskörper zu explodieren, ihr wurde schwindelig, aber er hielt sie fest in den Armen.

 

Scully schloss die Augen. Sie spürte seine Wärme, hörte seinen gleichmäßigen Herzschlag. Seine Hand fuhr sacht über ihren schmalen Rücken.

 

<< Angekommen >> ging es Mulder durch den Kopf. Er war angekommen – sie war es auch.

 

Was morgen sein würde, wusste er jetzt noch nicht, aber ab jetzt würde es zwischen ihnen anders sein.

 

 

 

 

                                                                        -END-