Zur Beachtung: Diese Geschichte wurde nur zu meinem eigenen und zum Spaß für andere SW-Fans geschrieben. Ich verfolge damit keine finanziellen Absichten; weder jetzt noch in Zukunft. Sie soll in keiner Weise die Rechte von Lucasfilm, LucasArts und anderen Rechteinhabern berühren!
Anmerkung für die Leser: Ich schreibe meine Storys, wie ich gerade Lust habe. Dass sie dadurch nicht immer ins offizielle SW-Universum passen und untereinander nicht unbedingt in Beziehung stehen, betrachte ich als kreative Freiheit. Man möge mir verzeihen.
Konstruktive Kritik wird gerne entgegengenommen - aber treibt es nicht zu bunt, Leute ;-)
Mailt mir!
Dairyû

„Ein perfides Spiel“ ist eine von mittlerweile drei Geschichten, die inhaltlich zusammengehören. Ursprünglich war das nicht so geplant. Es ist einfach eine Idee zur anderen gekommen, und es gibt noch einige Aspekte dazu, die ich als weitere Geschichten behandeln möchte. Diese Story ist momentan in der zeitlichen Abfolge die erste, dann folgen die Geschichten „Schein und Sein“ und „Entscheidungen“. Aber erst einmal viel Spaß mit dieser Story!


Ein perfides Spiel
Dairyû


   Der große Mann stand schweigend und reglos auf dem Balkon. Um ihn herum pulsierte das Leben, das Coruscant Tag und Nacht erfüllte. Den Mann interessierten die vielfältigen Lichter der Wolkenkratzer, Straßenzüge und Fahrzeuge und der schwach herauf dringende Lärm, den der Verkehr verursachte allerdings wenig. Er wartete und genoss den Wind, der anscheinend nie aufhörte durch die Häuserschluchten und um die Straßenzüge Coruscants herumzustreichen, wie ein Raubtier um seine Beute. Der eisige Wind zerrte an den dunklen Gewändern des Mannes und strich über sein Gesicht, da, wo die Kapuze es ungeschützt ließ.
Er lächelte, ein Lächeln, das jeden etwaigen Beobachter hätte erschauern lassen, denn es lag nichts Warmes darin, sondern abgrundtiefe Verachtung.
Alles hatte sich geändert und doch nichts!
Die Narren gingen weiter ihren Geschäften nach, ahnungslos, wie Tiere auf dem Weg zur Schlachtbank.
Der Mann lächelte abermals. Er liebte solche Gedanken; und die Vorstellung, dass ein paar ganz bestimmte Narren schon bald eine gelungene Überraschung erleben würden. Und er würde daran einen nicht unwesentlichen Anteil haben, wenn er sich nicht vollkommen irrte. Er war kein Narr, deshalb stand er jetzt hier, auf dem Balkon eines unbewohnten Apartments, hoch über Coruscant und wartete auf die Person, der es gelungen war ihn zu finden und sein Interesse zu wecken.
Der schneidend-kalte Wind vermischte sich plötzlich mit einem Schwall wärmerer Luft und der Mann vernahm eine tiefe, sanfte Stimme hinter sich.
"Kommt herein! Ich ziehe eine Unterhaltung hier drinnen der auf dem Balkon vor, denn ich teile Eure Vorliebe für den Wind nicht, der da draußen herrscht."
Der Mann zuckte die Schultern und trat in das Apartment. Eine große Glastür glitt lautlos zu und sperrte so augenblicklich die Kälte und sämtliche Geräusche aus. Eine Weile herrschte Stille, dann sagte der Ankömmling: "Setzt Euch! Und nehmt die Kapuze ab. Ich will Euch sehen!"
Der Mann zögerte kurz. Er liebte es nicht Befehle annehmen zu müssen. Aber sein Gegenüber hatte eine so zwingende Art, strahlte eine außerordentlich selbstbewusste Autorität aus, dass man ihm schwerlich widersprach. Also ließ sich der Mann auf einem unbequemen Stuhl nieder, der an einem klobigen grauen Tisch stand - das Mobiliar hatte der ehemalige Besitzer anscheinend mit Freude "vergessen" - und nahm die Kapuze ab.
"Findet Ihr nicht, dass Ihr mir gegenüber einen gewissen Vorteil habt?" fragte er leicht spöttisch.
Der andere lachte leise. "Oh, das belastet mich wenig. Ich weiß, dass Ihr mich nichtsdestotrotz sehen könnt. Ich werfe nun einmal gerne einen Blick auf außergewöhnliche Personen. Und gewissen Berichten zufolge seid Ihr eine solche Person, ... Jerec!"
Der Mann namens Jerec lächelte leicht, so dass die schwarzen Tätowierungen an seinen Mundwinkeln seinem gebräunten, asketischen Gesicht einen noch grausameren Zug verliehen, als es ohnehin hatte. Jerec war noch jung, aber außerordentlich mächtig und er war ... blind! Dort wo einst seine Augen gewesen waren, gähnten zwei dunkle lidlose Löcher. Allerdings war diese Tatsache nur ein unbedeutendes Hindernis für Jerec. Denn ein Jedi brauchte keine Augen!
Seine Machtbegabung war schon frühzeitig erkannt und gefördert worden. Er war einer der jüngsten Jedi, die jemals vom Rat für würdig und bereit erklärt worden waren. Er hatte eine glanzvolle Zukunft vor sich - darin waren sich alle einig gewesen. Der Rat hatte große Pläne mit ihm gehabt ... nur machte Jerec ihm schließlich einen endgültigen Strich durch seine ach so wunderbare Rechnung.
Er erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem er im Jedi-Tempel auf diesem Planeten vor den ehrwürdigen Ratsmitgliedern gestanden und ihnen ins Gesicht gesagt hatte, was er von seinem anstehenden Auftrag im speziellen und dem Jedi-Rittertum mit seinem Kodex und seinen Auffassungen im allgemeinen hielt. Jerec war im Laufe seiner Ausbildung immer mehr zu der Überzeugung gekommen, dass dem Jedi-Rittertum etwas Beschränkendes innewohnte, dass einige wenige die Mehrheit davon abhielten, ihr wahres Machtpotential frei zu entfalten. Für einen Jedi, der alle Aspekte der Macht ausschöpfte, gab es keine Grenzen mehr, das war Jerecs Überzeugung. Dadurch musste es den Jedi doch möglich sein, viel mehr zu helfen und für Ordnung zu sorgen! Wozu also die ewigen Ermahnungen und Warnungen?
Schließlich hatte Jerec der Ehrgeiz gepackt es anders - besser - zu machen. Dass ihm das nicht im strengen Rahmen der Jedi-Ritterschaft gelingen konnte, war ihm schnell klar geworden. Aber Jerec lernte weiter, tat, was sein Meister und die anderen von ihm erwarteten und verbarg seine wahren Absichten hinter dem Schleier der Dunkelheit, die sich langsam und unmerklich in sein Leben geschlichen hatte - bis es zu spät, und für Jerec auch nicht mehr erstrebenswert war, umzukehren - und die ihn seit noch gar nicht allzu langer Zeit auch körperlich sein weiteres Leben begleiten würde.
Der Schock und die Bestürzung im Jedi-Rat waren daher groß gewesen. Allerdings war Jerec nicht der erste der Ihren, den sie an die Dunkle Seite verloren ... und würde beileibe auch nicht der letzte sein. Also hatten sie ihn gehen lassen, zwar in Acht und Bann und somit vogelfrei, aber frei und das war die Hauptsache für Jerec. Seine Meinung über den Jedi-Rat war bis zu diesem Zeitpunkt allein von Zorn über die Bevormundung bestimmt gewesen, aber jetzt gesellte sich Verachtung hinzu: Narren waren sie allesamt. Ihn unbehelligt gehen zu lassen und alles als Bestimmung anzusehen ...!
Jerec hatte die Chance natürlich genutzt und sich verborgen, beobachtet, Pläne geschmiedet und mit wachsendem Interesse die Ereignisse verfolgt, die den Fall der Republik mit sich brachten.
Jetzt schickte sich ein Mann an, die Ordnung der Galaxis nach seinem Gutdünken zu verändern, und dieser Mann saß Jerec in diesem Moment gegenüber und nahm ihn intensiv in Augenschein.
Und in der Tat. Dieser Mann, der einst zwar recht bekannt, aber nichtsdestotrotz wenig gefürchtet war, hatte in einer Art Staatsstreich die Macht in der Galaxis an sich gerissen und hielt sie nun mit eiserner Hand fest.
Von der Energie die hinter diesem Mann steckte, bemerkten die meisten Wesen, die mit ihm zu tun hatten, nur sehr wenig und auch das Äußere des Mannes tat kaum etwas dazu, ihn außergewöhnlich erscheinen zu lassen. Andere Machthaber schwelgten in ihrem Einfluss, indem sie im wahrsten Sinne des Wortes blendend auftraten und ihre Umgebung schon allein durch ihre Pracht beeindruckten. Nicht so der ehemalige Senator und Kanzler Palpatine. Er war alles andere als prunkvoll, aber gerade sein bescheidenes Auftreten verunsicherte die, mit denen er zu tun hatte.
Die dunkle Robe aus schwerem Stoff verbarg den Mann darunter perfekt, so dass man nur vage ahnen konnte, wie der so Verborgene aussah, zumal Palpatine die Gewohnheit hatte, seine Kapuze in der Öffentlichkeit niemals abzunehmen. Es gab über diese Geheimnistuerei so manches Gerede und wilde Spekulationen, besonders von denen, die den Senator Palpatine noch gut in Erinnerung hatten. Der Imperator Palpatine hingegen war ihnen absolut fremd geworden.
Den Imperator kümmerte das Ganze nicht. Palpatine war die Meinung anderer in jeder Beziehung gleichgültig. Er lebte nach seinen eigenen Vorstellungen und handelte nach Belieben. Und das Schlimme daran war - für die meisten die von der Willkür des Imperators betroffen wurden, war diese Tatsache schlimm -, dass Palpatine es sich erlauben konnte, auf ganze Welten wie auf niederes Gewürm hinunter zu sehen und auch so zu verfahren, als hätte er Wesen vor sich, die der Achtung nicht im Mindesten wert seien.
Wo subtiles Ränkeschmieden nicht ausreichte, sich andere gefügig zu machen, halfen militärische Schlagkraft und Terror. Viele Welten hatten dem kaum etwas entgegen zu setzen, denn die Alte Republik war ein weitgehend friedliches System gewesen, zusammengehalten von den Jedi, den Garanten für den Frieden. Deshalb hatte so manche Welt ihre Waffen vernichtet, und diesen Umstand nutzte der selbsternannte Imperator weidlich aus. Dazu kam, dass Palpatine auf treue Anhänger zählen konnte, die in den letzten Jahren der Alten Republik immer zahlreicher und einflussreicher wurden. So mancher wichtige Planet hatte sich freiwillig unter die Herrschaft des Imperators begeben; aus Überzeugung oder aus purer Profitgier. Palpatines Herrschaft dürfte in wenigen Jahrzehnten absolut sein, dessen waren sich sowohl seine Anhänger, als auch seine Gegner bewusst.
Dieser Mann also hatte sich ebenfalls an dem Tisch niedergelassen und beobachtete Jerec unter dem Rand seiner schwarzen Kapuze hervor gründlich.
Der Dunkle Jedi hatte eigentlich von Anfang an keinen Zweifel daran gehabt, wer ihn auf Coruscant zu sehen wünschte, denn nur Imperator Palpatine hatte genug Mittel und Wege, die zu finden, die er finden wollte. Und Jerec war sich weiter darüber klar, dass er - für einen Meister der Dunklen Seite - in der Macht wie ein geschliffenes Juwel funkeln musste. Aber da Palpatine möglicherweise auf Diskretion bedacht war - ihr Treffpunkt sprach dafür - beschloss Jerec, den Ahnungslosen zu spielen.
Er brach das Schweigen.
"Entspreche ich ... gewissen Berichten?"
Wieder das tiefe, leise Lachen und die sanfte Stimme, die jetzt einen unverkennbar ironischen Unterton hatte.
"Eure äußere Erscheinung haben diese Berichte vortrefflich beschrieben. Und was die anderen Dinge angeht, die man so über Euch hört ... Darüber werde ich mir ein Urteil erlauben, wenn wir ins Geschäft gekommen sind."
"Wenn", antwortete Jerec. "Vielleicht hättet Ihr die Güte, mich zunächst über Eure Identität aufzuklären. Ich weiß nämlich gern, für wen ich meinen Hals riskieren soll."
"Oh, ich bitte Euch, Jerec. Treibt keine Spiegelfechterei mit mir! Wir wissen beide, was wir voneinander zu halten haben. Aber wenn Ihr auf einem Namen besteht ... warum nennt Ihr mich nicht schlicht und ergreifend ... Mein Gebieter", bemerkte Palpatine liebenswürdig, sich sehr wohl bewusst, dass diese Äußerung den blinden Jedi vor eine unwiderrufliche Wahl stellte.
Jerec schwieg.
Darauf war es also hinausgelaufen. Ehe er sich versah, stand er in den Diensten des in naher Zukunft mächtigsten Mannes der Galaxis. Nun, warum auch nicht. Er hatte dadurch mehr Vor- als Nachteile ...
"Ihr könnt natürlich ablehnen, Jerec", unterbrach Palpatine die Gedanken des Dunklen Jedi.
"Natürlich." Jerec nickte langsam und bedächtig. "Allerdings werde ich diesen Raum dann nicht lebend verlassen", stellte er humorlos fest.
"Exakt. Ich sehe, Ihr versteht mich. Ich hätte es tatsächlich ein wenig bedauert, einen so fähigen Diener der Dunklen Seite vernichten zu müssen", bemerkte Palpatine beiläufig.
Aber Du hättest es ohne mit der Wimper zu zucken getan, nur um einen potentiellen Gegner weniger zu haben, dachte Jerec grimmig und erschauerte. Sein Dienst würde nicht unbedingt einfach werden, aber er konnte ihn auch zu seinem Eigennutz versehen.
Jerec deutete eine Verbeugung an. "Ich höre ..., mein Gebieter. Was kann ich für Euch tun?"
Palpatine nickte zufrieden und sagte: "Ich möchte folgendes ..."

   Eine Stunde später stand Jerec wieder auf dem Balkon.
Der eisige Wind hatte sich mittlerweile mit gefrierendem Regen vermischt, der wie spitze Nadeln auf alles hernieder prasselte. Tiefhängende Wolken umschlossen die obersten Stockwerke der höchsten Gebäude und das langsam fahler werdende Licht ließ die herannahende Dämmerung erahnen. Jerec lauschte dem Konzert des heulenden Windes und prasselnden Regens, das sogar den Verkehrslärm übertönte. Er gönnte sich diesen Moment der Entspannung, bevor er sich daran machte, Palpatines Instruktionen in die Tat umzusetzen.


   Als WD-3 auftauchte und schnatternd Bericht erstattete, war Jerec sofort auf den Beinen, um die günstige Gelegenheit wahrzunehmen. WD-3 war ursprünglich nicht mehr als eine etwas unförmige, große schwebende Kamera mit vier "Armen", die ihr als Universalwerkzeuge dienten, gewesen. Der Droide war von Jerec allerdings so weit modifiziert worden, dass eine äußerst leistungsfähige Maschine mit beträchtlicher künstlicher Intelligenz und reichlich Feuerkraft entstanden war. Jerec betrachtete WD-3 als Partner, der Aufträge erfüllte, für ihn handelte und - vor allem - für ihn sah.
WD schloss seinen Bericht mit einem langgezogenen tiefen Ton.
Der Dunkle Jedi war sehr erfreut. "Ja, ausgezeichnet WD! Mach sofort den Gleiter klar! Wir haben lange genug auf diese Chance warten müssen."
WD surrte davon und Jerec schlüpfte in seine dunkle Robe. Die wenigen Habseligkeiten, die er bei sich führte, waren schnell gepackt und er verließ das winzige, etwas schäbige Zimmer, das ihm für gute zwei Wochen als billiger Unterschlupf gedient hatte.
Das etwas verwahrloste Hotel war ein Glücksfall gewesen, denn der Besitzer hatte sich außer für die Miete, die Jerec im Voraus bezahlen musste, für nichts interessiert. Er hatte nicht mehr als einen flüchtigen Blick für den großen Mann in Schwarz übrig gehabt, der sein Gesicht unter einer Kapuze verbarg. Er hatte schon so viele seltsame Gestalten gesehen, dass eine mehr ihn nicht interessierte. Außerdem hatte sein Haus den Ruf einer verschwiegenen Bleibe, und dem wurde er gerecht, indem er seine Gäste weitgehend ignorierte.
Jerec ging durch einen muffigen Flur in das Erdgeschoss des dreistöckigen Gebäudes und legte den Zimmerschlüssel an der verwaisten Rezeption ab. Als er auf die Straße trat, wartete WD schon mit dem startbereiten gemieteten Gleiter. Der große Mann schlängelte sich durch die Menschenmassen, die den Gehsteig bevölkerten und schwang sich in das Fahrzeug. WD fiepte fragend.
"Es kann losgehen. Du weißt den Weg, Partner."
WD-3 betätigte geschickt die Schubkontrollen und reihte das Fahrzeug in den stetig dahinfließenden Verkehr ein. Der Droide nahm den Weg, den er schon unzählige Male in der letzten Zeit genommen hatte. Er wusste: Sein Herr war sehr zufrieden mit ihm ...

   Auch Königin Amidala war zufrieden, als sie mit ihren Lieblingsdienerinnen auf der wundervollen Dachterrasse des Palastes in der Hauptstadt einen spätnachmittäglichen Tee zu sich nahm. Sie liebte diesen Ort. Die große Dachterrasse war ein gartentechnisches Meisterwerk. Rasenflächen, Bäume, kleine Teiche, atemberaubende Blumenrabatten und eine Vielzahl exotischer Vögel bildeten eine harmonische Einheit, aus der Amidala immer wieder Kraft für ihre Amtsgeschäfte schöpfen konnte.
Sie hatte erst vor einer Stunde die übliche zweiwöchentliche Audienz beendet und war sofort auf die Terrasse geeilt; sie hatte sich diesmal nicht einmal mehr die Zeit genommen, ihr zeremonielles Throngewand abzulegen und in etwas Bequemeres zu schlüpfen.
Die Königin hatte sich auf seidenen Kissen niedergelassen und betrachtete verträumt den Abendhimmel, dessen tiefes Blau in ein sanftes Rosarot überging, das von den dünnen Wolken herrührte, die von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne beleuchtet wurden.
Die junge Frau seufzte leise, und ihre Dienerinnen tauschten heimlich wissende Blicke. Ihre Herrin weilte mit ihren Gedanken schon wieder ganz woanders.
Und in der Tat, Amidala dachte an ihren Mann. Er war erst seit kurzer Zeit fort, aber sie vermisste ihn schmerzlich. Manchmal fragte sie sich, was wohl passieren würde, wenn sie unwiderruflich von Anakin getrennt wurde. Hätte sie die Kraft, das zu überleben? Wenn sie sich schon kaum daran zu gewöhnen vermochte, dass Anakin wieder einmal Hals über Kopf davon gestürmt war, um sich mit Obi-Wan Kenobi in der Galaxis herumzutreiben und für Ordnung zu sorgen ...
Ordnung!
Amidala verzog verärgert das Gesicht. Jetzt herrschte eine neue, unglückselige Ordnung, deren Verbreitung mit gnadenloser Gewalt vorangetrieben wurde und zahlreiche Welten in die Sklaverei zwang.
Und war sie nicht letztendlich daran Schuld? Sie selbst hatte damals den entscheidenden Misstrauensantrag im Senat gestellt und damit dem Verhängnis Tür und Tor geöffnet.
Nein!
Diese Selbstanschuldigungen führten zu nichts. Es wäre doch alles so gekommen, wie es jetzt war. Sie war lediglich das Werkzeug eines brillanten und gefährlichen Mannes gewesen, der sich hinter einer Maske der Freundlichkeit und Güte verborgen hatte, nur um die beste Gelegenheit zu nutzen, seine lang gehegten Pläne in die Tat umzusetzen. Hätte sie etwas dagegen tun können?
Nicht einmal der Jedi-Rat hatte die drohende Gefahr damals erkannt und war jetzt nicht in der Lage, Palpatine ernsthaft die Stirn zu bieten. Wer hätte auch ahnen können, dass der allseits geschätzte Senatsvertreter Naboos über unbeschreibliche Kräfte verfügte?
Amidala spürte eine große Traurigkeit in sich aufsteigen, die sie immer befiel, wenn sie an die ungewisse Zukunft dachte. Anakin hatte ihr zwar versichert, dass die Jedi alles in ihrer Macht Stehende tun würden, um den selbsternannten Imperator zu bekämpfen und die Republik wiederherzustellen, aber Amidala konnte den Optimismus ihres Mannes nicht teilen.
Palpatine schien sich nicht das Geringste aus den Jedi zu machen. Wie sonst war es zu erklären, dass er den Jedi-Rat auf Coruscant einfach ignorierte. Er ließ die Ratsmitglieder nicht einmal überwachen - zumindest nicht offensichtlich. Demnach war Palpatine sich seiner Sache absolut sicher.
Amidala erhob sich von ihrem Sitz. Ihre Dienerinnen unterbrachen ihre leise Unterhaltung und wollten ebenfalls aufstehen.
"Nein, bleibt sitzen!" befahl sie den Mädchen. "Ich möchte mir nur die Beine vertreten und ein wenig ungestört sein."
"Hoheit, vielleicht sollte wenigsten eine von uns mitkommen. Sie kann sich ja im Hintergrund halten", sagte Dareé, die ewig Misstrauische.
Die anderen Mädchen murmelten beifällig, aber Amidala schüttelte energisch den Kopf. "Ihr seht an jeder Ecke Gefahren für mich, aber die einzige offensichtliche Aggression, die jemals gegen Naboo und mich gerichtet worden ist, ging von der unseligen Handelsföderation aus und das ist zwölf Jahre her! Und wer sollte in der heutigen Zeit ein Interesse an einer so unbedeutenden Königin wie mir haben?"
"Aber Hoheit ..."
"Widersprich mir nicht, Dareé, auch wenn es aus reiner Höflichkeit geschieht! Es ist und bleibt eine Tatsache, und unser Glück. Wäre es anders und Naboo hätte eine ähnliche Bedeutung wie zum Beispiel Alderaan, dann würden wir hier nicht mehr so friedlich beieinander sitzen. Außerdem bleibe ich in Sichtweite."
Die Dienerinnen schwiegen betreten und fügten sich dem Befehl.
Amidala raffte ihr langes Gewand zusammen und betrat den weichen Rasen, der sich bis an die hüfthohe Marmorbrüstung der Terrasse erstreckte und schritt gedankenverloren dahin. Sie blieb vielleicht fünf Meter von der Brüstung entfernt stehen und betrachtete den stetig dunkler werdenden Himmel, an dem sich die ersten Sterne zeigten.
Als sie ein Geräusch hinter sich hörte - irgend etwas scharrte leise über den Marmor der Terrassenbrüstung -, drehte sie sich langsam und keineswegs beunruhigt um. Aber als sie die bedrohliche schwarze Silhouette sich vor ihr aufrichten sah, versuchte sie alarmiert zu fliehen, denn irgend etwas sagte ihr, dass ihre Selbstverteidigung hier nichts nützen würde.
Aber das lange Gewand behinderte Amidala. Sie hatte zwar den langen Saum gerafft, war aber nicht flink genug. Sie kam nicht einmal zwei Meter weit, als sie grob gepackt wurde und sich ein Schleier über ihr Bewusstsein zu legen begann. Sie schrie entsetzt auf und kämpfte verzweifelt gegen die Ohnmacht an, aber ihr Widerstand war schnell gebrochen. Das Letzte was sie sah, waren ihre aufgeregten Dienerinnen, die in ihre Richtung liefen und dabei versuchten, die Blaster aus den verschlungenen Falten ihrer Gewänder zu reißen.

   Jerec warf sich die bewusstlose Königin über die rechte Schulter und trat den Rückzug an. Die Herrscherin von Naboo hatte es ihm wirklich leicht gemacht; sie war sogar so freundlich gewesen eines ihrer unmöglichen Gewänder zu tragen, die WD so plastisch beschrieben hatte! Damit hat sie sich praktisch selbst zu Fall gebracht, dachte er ironisch.
Der Dunkle Jedi achtete nicht weiter auf die Dienerinnen. Sie würden nicht wagen auf ihn zu schießen; nicht bei diesen Lichtverhältnissen und schon gar nicht, weil sie viel zu leicht die Königin treffen konnten!
Er sollte allerdings sofort eines Besseren belehrt werden, denn Sekunden später zuckten Energieblitze um ihn herum. Sie waren zwar nicht gefährlich nah, aber so gezielt, dass sie ihm den Weg zur Brüstung abschnitten.
Jerec fluchte und griff nach seinem Lichtschwert.
Er lenkte die Blasterschüsse mit der Energieklinge so ab, dass sie fast genau an ihren Ausgangspunkt zurückkehrten und die Dienerinnen zwangen, sich auf den Boden zu werfen. Die wenigen Sekunden Feuerpause reichten ihm, um sich auf die Brüstung zu schwingen.
"WD ...!" rief er und als er den Droiden bestätigend pfeifen hörte, ließ er sich fallen, aber nicht schnell genug, um einem einzigen, gut gezielten Blasterschuss zu entgehen. Der brennende Schmerz in der linken Schulter ließ Jerec aufkeuchen. Er landete mit zusammengebissenen Zähnen im Gleiter, den WD in Position gehalten hatte. Jerec legte die Königin auf die hintere Ladefläche des Fahrzeugs und zog sich mühsam auf den Beifahrersitz. WD fiepte besorgt.
"Gib Gas, WD! Es sieht schlimmer aus, als es ist. Die Wunde kann warten, bis wir auf dem Schiff sind!"
WD-3 riss den Schubhebel bis an den Anschlag zurück und der Gleiter schoss in der Dämmerung davon.

   Dareé erreichte als erste die Marmorbrüstung. Atemlos beugte sie sich vor, den Blaster schussbereit und die Nerven bis zum Zerreißen angespannt. Sie sah nichts, aber sie hörte das Antriebsgeräusch eines Gleiters in der Ferne verklingen. Hastig wandte sie sich um und lief los. "Schnell. Wir müssen Captain Panaka benachrichtigen!" rief sie ihren aufgeregten Freundinnen zu.

   Als ein Gleiter mit hoher Geschwindigkeit vor das Abflugterminal II gerast kam, waren die Angestellten verständlicherweise sehr irritiert. Im Nachhinein konnte sich aber keiner genau daran erinnern, was eigentlich passiert war, denn die Ereignisse hatten sich überschlagen und die Augenzeugen waren von einer unerklärlichen Konfusion befallen worden.
Sie entsannen sich verwirrt, dass die Sicherheitskräfte wie von unsichtbarer Hand niedergestreckt zu Boden fielen und dass ein fliegender Droide gezielt das Feuer aus einem Flammenwerfer eröffnet hatte und eine Panik verursachte.
Einige vermeinten auch vage einen dunklen Schemen gesehen zu haben, der etwas zu tragen schien und auf dem Weg zu den Dockbuchten war; aber beschwören wollten diese Personen das natürlich nicht, denn es erschien ihnen bei näherer Betrachtung als Hirngespinst, ausgelöst durch den starken Rauch, die durcheinander hastenden Menschen und ihre eigene Angst und Verwirrung.
Als das Chaos sich einigermaßen gelegt hatte, konnte der herbeigeeilte Captain Panaka nur noch feststellen, dass ein ordnungsgemäß gemeldetes Raumschiff ohne Erlaubnis gestartet war. Seine verbleibende Hoffnung war, dass die Flugüberwachung mehr Glück hatte ...


   Königin Amidala erwachte aus ihrer Bewusstlosigkeit und war für einige Zeit orientierungslos. Sie lag, an Händen und Füßen gefesselt, auf einem kalten Stahlboden. Ein tiefes, leises und charakteristisches Brummen verriet ihr, dass sie sich in einem Raumschiff befand.
Sie lag in völliger Dunkelheit und bemühte sich verzweifelt, die dünnen, aber unzerreißbaren Stricke zu lösen, aber ihr aufwändiges Gewand hinderte sie daran, die Fesseln überhaupt zu erreichen. Amidala fluchte leise und gar nicht königlich.
Was geschah ihr?
Wie zur Antwort glitt eine Tür vor ihr lautlos zur Seite und gab den Blick auf einen spärlich beleuchteten Gang frei. Sie ließ von den Bemühungen sich zu befreien ab und wartete angespannt.
Eine dunkel gekleidete Gestalt trat in den Raum und ein kaltes Licht flammte auf. Die Königin vermeinte ihren Entführer erkennen zu können, obwohl sie auf der Dachterrasse nicht mehr als einen flüchtigen Blick auf ihn erhascht hatte und nahm ihn näher in Augenschein; das heißt, sie versuchte es, denn das lange, düstere Gewand und die Kapuze verbargen ihn vor ihren Blicken.
Amidala richtete sich so weit auf, wie ihre Fesseln es erlaubten und sagte eisig: "Ich hoffe, Ihnen ist bewusst, welche Strafe Sie für diese Tat erwartet!"
"Sollte es das denn?" fragte eine spöttische, sanfte Stimme und der Mann nahm die Kapuze ab.
Amidala unterdrückte einen erschrockenen Aufschrei, als sie Jerecs leere Augenhöhlen sah, fand aber schnell ihre königliche Würde wieder und legte soviel wie möglich davon in ihre Stimme. "Ich bin Königin Amidala, Herrscherin von Naboo ..."
"Ich weiß, wer Sie sind, Hoheit", unterbrach Jerec sie, "und ich bin mir durchaus der Konsequenzen meiner Handlung bewusst."
"Sie und Ihre Komplizen könnten straffrei ausgehen, wenn Sie mich umgehend zurückbringen. Ich verbürge mich dafür!"
Jerec schüttelte energisch den Kopf und ging neben Amidala in die Hocke. Er packte sie mit der rechten Hand unsanft an den bestickten Aufschlägen ihres Gewands und zog sie in eine sitzende Position hoch, so dass ihr Gesicht ganz nah an seinem war.
Amidala konnte den Blick nicht von den leeren Augenhöhlen wenden und hatte das entsetzliche Gefühl, ihr Entführer könne sie sehr wohl irgendwie sehen.
"Jetzt hören Sie mir genau zu, Hoheit! Wir haben erst vor Kurzem die Flugabwehr Naboos hinter uns gelassen, was mich einige Mühen gekostet hat. Ich habe mich in einem unkomfortablen, schäbigen Loch aufhalten müssen und mich geduldig auf die Lauer gelegt, um Sie zu erwischen, was mir bis jetzt nichts weiter als Ärger eingebracht hat. Falls Sie an meine Gewinnsucht appellieren wollen, liegen Sie falsch, denn ich habe Sie nicht entführt, um ein Lösegeld zu erpressen. Falls Sie mein Ehrgefühl ansprechen wollen ... Ich habe keins! Und falls Sie darauf hoffen, meine Komplizen wären Ihren Vorschlägen gegenüber offener, muss ich Sie ebenfalls enttäuschen. Ich bin alleine. Und ich bin momentan überhaupt nicht in der Stimmung mit Ihnen zu diskutieren. Also seien Sie ein braves Mädchen und machen mir keinen Ärger. Dann mache ich Ihnen auch keinen. Ich brauche Sie nämlich lediglich lebendig, aber nicht gänzlich unversehrt!"
Der Königin lag eine empörte Erwiderung auf der Zunge, aber sie sprach sie nicht aus. Sie befand sich unzweifelhaft in der Gewalt eines völlig skrupellosen Mannes, der darüber hinaus über äußerst bemerkenswerte Fähigkeiten verfügen musste. Wie sonst ließ sich erklären, dass ein Blinder sich derart sicher bewegte; ganz als würde ihm das Sehvermögen nicht fehlen?
Jerec ließ die Königin los und erhob sich langsam. Seine Schulter begann zu pochen, jetzt wo er zur Ruhe kam, und ein nagender Schmerz erinnerte ihn daran, dass es Zeit war, sich um die Wunde zu kümmern.
Jerecs Gewand hatte sich mit Blut vollgesogen und klebte an der Verletzung; das hatte die Blutung zwar gestillt, war jetzt aber um so lästiger. WD würde eine Weile damit beschäftigt sein. Der Dunkle Jedi hätte natürlich auch seine durch die Macht gestützten Selbstheilungskräfte aktivieren können, aber die momentane Situation erforderte dies nicht, und ein Jedi verschwendete seine Kräfte nicht unnütz.
Deshalb trat Jerec an einen in die Stahlverkleidung eingelassen Spind und nahm ein Medi-Pack heraus.
Amidala beobachtete ihn dabei genau. Daher fiel ihr auf, dass ihr Entführer seinen linken Arm sehr ruhig hielt und sie bemerkte, dass der dunkle Stoff an seiner Schulter feucht schimmerte. Sie verspürte eine gewisse Genugtuung.
"Hoffentlich tut es auch ausreichend weh", sagte sie gehässig.
Jerec schüttelte gespielt bedauernd den Kopf. "Nicht so weh, wie Sie es gerne hätten, Hoheit! Da muss ich Sie leider enttäuschen."
Leise vor sich hinlachend verließ Jerec den Raum, wartete, bis er hörte, dass das Türschott sich hinter ihm geschlossen hatte und löschte das Licht. Eins musste man der Königin lassen: Sie hatte Mut und Courage!
Amidala hingegen fühlte sich keineswegs mutig; sie war der Verzweiflung nahe, denn sie verstand die Situation nicht. Warum war sie entführt worden? Das ergab doch keinen Sinn, wenn man den Aussagen ihres unheimlichen Entführers Glauben schenken durfte!
Die Königin kauerte sich auf dem kalten Stahlboden zusammen. Sie lag mit offenen Augen in der Dunkelheit und versuchte sich den Raum, der ihr Gefängnis darstellte, in Erinnerung zu rufen, aber es gelang ihr nicht. Es gab nichts, was ihr helfen würde, die Fesseln zu lösen, aber gerade das war ihre einzige Chance sich aus dem Dilemma, in welchem sie sich befand, zu befreien. Sie musste und würde einen Ausweg finden!


   Anakin Skywalker betrachtete äußerlich ungerührt, aber innerlich fassungslos und mit jeder Minute wütender, zum wiederholten Mal die Holoaufzeichung der Entführung seiner Frau.
Der Palast war mit zahlreichen Kameras ausgestattet, deren Nutzen Anakin eigentlich immer angezweifelt hatte, denn niemand überwachte die Bilder, welche die Kameras lieferten. Schon Amidalas Vater hatte in dieser Beziehung Nachlässigkeit walten lassen, wie Anakin von Captain Panaka erfahren hatte, als er sich einmal verwundert nach der Aufgabe der Kameras erkundigte. Warum sollten Leute mit einer unsinnigen Tätigkeit beschäftigt werden? Denn dass die Überwachung der Kameras eine solche Tätigkeit war, darüber war man sich im Palast einig. So lange man sich erinnerte, war es noch zu keiner heimlichen Aggression gegen die königliche Familie gekommen; in keiner Weise, so dass man sich nicht einmal über herum schleichende Diebe Sorgen machen musste. Und falls es doch kritisch werden sollte, gab es die Palastwache. Bis jetzt war diese Rechnung auch wunderbar aufgegangen ...
Anakin seufzte resigniert. Es hätte sich vermutlich sowieso nichts an der Situation geändert, auch wenn jemand die Kameras der Dachterrasse im Auge gehabt hätte. Der Entführer war keine gewöhnliche Person, sondern eine in den Jedi-Künsten hervorragend ausgebildete. Und dass die Entführung von langer Hand geplant gewesen war, erschien Anakin nur logisch. Zwei Dinge sprachen dafür: die Ausführung des Vorhabens und besonders der Zeitpunkt. Denn wenn Anakin sich noch im Palast befunden hätte, wäre er mit Sicherheit auf eine Störung in der Macht aufmerksam geworden, wenn der Entführer sich bis auf eine gewisse Distanz genähert hatte. Aber der Fremde war so klug, zu warten, bis der Auftrag Anakin von Naboo fortgeführt hatte.
Der junge Mann warf einen Blick auf Captain Panaka, der unruhig neben ihm in dem kargen, großen Kontrollraum stand, der die Holoaufzeichnungen und Kamerakontrollen beherbergte; zumindest fand es niemand sinnlos, die Kameras überhaupt etwas aufzeichnen zu lassen.
Panaka, der sich die Holoaufzeichnung ebenfalls zum wiederholten Male ansah, bemerkte den Blick, erwiderte ihn und sagte schuldbewusst: "Ich fürchte, ich war zu nachlässig und selbstsicher. Ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass so etwas passieren würde ... Aber wenigstens ist mir das Überwachungssystem noch eingefallen. So können Sie sich immerhin ein eigenes Bild von den Geschehnissen machen, Sir." Panaka zögerte. Er wollte keine Ausflüchte vorbringen, aber er hatte das Bedürfnis, sich für das Versagen der ihm unterstellten Sicherheitskräfte im Palast und auch denen bei der Flugabwehr zu entschuldigen. Und auch für sein eigenes, gestand er sich zerknirscht ein. Aber wie würde die Entschuldigung angenommen werden? Panaka kannte Anakin Skywalker jetzt lange genug, um sich nicht von der ruhigen Oberfläche des jungen Mannes täuschen zu lassen. Zu allem Überfluss hatte der Jedi auch noch genug Zeit gehabt, die Nachricht zu verdauen und entsprechend Wut und Sorgen anzusammeln, die sich recht impulsiv entladen konnten.
Anakin hatte in der Tat einige Zeit über das Gehörte nachdenken können.
Obi-Wan und er waren schon auf Coruscant eingetroffen gewesen und hatten ihre vom Jedi-Rat auferlegte Mission antreten wollen, als Anakin so plötzlich nach Naboo zurückgeholt wurde. Panakas Holonachricht hatte nur aus einem einzigen Satz bestanden, der an Dringlichkeit allerdings nichts zu wünschen übrig ließ, was bewies, dass der Sicherheitschef der Sache äußerste Wichtigkeit beimaß. Leider ließ die Nachricht Anakin dadurch aber auch völlig über die Einzelheiten im Unklaren, was sich auf seine Verfassung nicht unbedingt positiv ausgewirkt hatte. Glücklicherweise hatte er die Erlaubnis des Rats und Obi-Wans erhalten, die Teilnahme an der Mission abzubrechen. Obi-Wan hatte aufrichtig bedauert, ihm nicht helfen zu können, aber wenigstens einer musste die Mission erfüllen. Also hatten Meister und Schüler sich getrennt und Anakin war nach Naboo zurück geeilt. Er war jetzt seit drei Standardstunden in Theed, die Entführung seiner Frau war vor gut dreißig Stunden erfolgt. Ein passabler Vorsprung für einen Kidnapper, der ein Raumschiff mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit besaß - wie Captain Panaka bei der Raumbehörde in Erfahrung gebracht hatte. Amidala konnte überall sein!
Anakin gestand sich resigniert ein, dass er hilflos war. Es blieb ihm eigentlich nur übrig, zu warten, bis der Entführer sich mit etwaigen Forderungen an die Regierung in Theed wandte, denn noch hatte sich diesbezüglich nichts getan. Eine wahrhaftig bittere Geduldsprobe für den ungestümen jungen Mann.
Captain Panaka räusperte sich. "Sir, ich möchte mich in aller Form entschuldigen ..."
Anakin winkte ab. "Das ist nicht nötig, Captain! Glauben Sie mir, auch wenn Sie genau neben Amidala gestanden hätten, wären Sie nicht in der Lage gewesen, etwas zu verhindern. Viel wahrscheinlicher hätten Sie Schaden an Leib und Leben genommen. Sie haben gesehen, dass der Mann ein Lichtschwert benutzt hat, und Sie kennen die Wirkung dieser Waffe."
Panaka nickte. "Gerade das macht mir ja auch so große Sorgen, Sir! Wer ist der Mann und - vor allem -, was ist er, dass er ein Lichtschwert zu führen versteht?"
Anakin zuckte hilflos mit den Schultern. "Eine verdammt gute Frage, Captain. Aber darüber sollten Sie sich nicht den Kopf zerbrechen."
Es reicht schon, wenn ich es tue, sagte Anakin in Gedanken zu sich. Als er das Lichtschwert das erste Mal gesehen hatte, war er - gelinde gesagt - schockiert gewesen. Ein Lichtschwert war für ihn gleichbedeutend mit dem Jedi-Rittertum und seinem ehrwürdigen Kodex, aber das Verhalten des Lichtschwertbesitzers widersprach allem, was mit den Jedi in Verbindung gebracht wurde.
Der junge Mann wünschte sich sehnlichst seinen Meister herbei. Obi-Wan würde wissen, was von der ganzen Angelegenheit zu halten und - noch viel wichtiger - was zu tun war.
Anakin warf noch einen letzten Blick auf die Holoaufzeichnung. Das Bild war eingefroren, es zeigte, durch die Dämmerung nur schemenhaft, die Szene, in welcher der Entführer sich mit Amidala über die Brüstung schwang.
Anakin fasste einen Entschluss: Er würde abwarten. Amidala war klug, sie war durchaus in der Lage mit einer so unerwarteten Situation umzugehen; wahrscheinlich viel besser als er!
"Sir", wandte sich Captain Panaka an den jungen Mann, "Sie sollten sich zur Ruhe begeben. Sie dürften schon eine ganze Weile keinen Schlaf mehr gehabt haben!"
Anakin nickte dankbar.
"Sie haben recht, Captain. Ich werde Ihren Rat befolgen. Es nützt niemandem etwas, wenn ich wie ein aufgescheuchter Bantha durch den Palast laufe und meine Umgebung verrückt mache. Informieren Sie mich einfach, wenn sich etwas tut."
Panaka salutierte bestätigend und Anakin verließ den Raum, um sich einem zweifellos unruhigen Schlaf zu widmen.


   Amidala kauerte noch immer auf dem Boden, als das Licht im Raum erneut anging. Da sich die Königin in einem Zustand zwischen Schlafen und Wachen befand, schreckte sie jetzt unvermittelt hoch.
Ihr Entführer stand wieder im Raum. Statt des schweren Umhangs hatte er sich eine leichte, dunkle Tunika übergeworfen, durch die sich ein Schulterverband abzeichnete. Amidala registrierte leicht verwundert, dass der Verband äußerst fachgerecht angelegt worden war. Wie hatte der Mann das geschafft, ohne die Wunde zu sehr zu strapazieren? Ganz abgesehen vom mangelnden Sehvermögen ... Sollte er doch einen Komplizen haben?
Jerec unterbrach Amidalas Überlegungen. "Zeit, sich ein wenig die Beine zu vertreten und etwas zu sich zu nehmen, Hoheit", sagte er.
Die junge Frau horchte auf. Das hieß, dass sie ihrer Fesseln wenigsten für eine Weile ledig wurde. Vielleicht konnte sie dann etwas zu ihrer Befreiung unternehmen!
Jerec trat zu Amidala, kniete sich nieder und löste geschickt die Stricke, die ihre Fußgelenke banden; dann wandte er sich ihren Handgelenken zu.
Amidala taxierte ihn. Möglicherweise hatte sie schon jetzt die Gelegenheit ihren Entführer auszuschalten. Sie hielt die Hände absichtlich eng am Körper, so dass Jerec sich vorbeugen musste, um die Fesseln zu erreichen. Amidala zog langsam die Beine an den Leib und spannte die Muskeln. Sie brauchte nur vor zu schnellen, sobald ihre Fesseln locker genug waren, damit sie sich ihrer selbst entledigen konnte, und ihren Kidnapper an der verletzten Schulter zu treffen ... Damit blieb ihr genug Zeit, den Raum zu verlassen und die Tür zu verriegeln, wie sie hoffte.
Als sie den Zeitpunkt für gekommen hielt, stieß die Königin sich mit aller Kraft vom Boden ab und warf sich nach vorne. Sie traf Jerec wie geplant an der verletzten Schulter, brachte ihn ins Taumeln und schoss vorwärts.
Der Dunkle Jedi stieß einen kurzen Schrei aus, gleichermaßen überrascht wie schmerzerfüllt.
Die vermaledeite Wildkatze hatte doch tatsächlich geschafft ihn zu überrumpeln! Er hatte natürlich mit irgendeiner Aktion gerechnet, aber nicht zu diesem Zeitpunkt. Leider war die Königin nicht die Frau, die sich resigniert und ergeben in eine Ecke verkroch und ihr Schicksal erwartete. Nun gut. Diese kleine Aktion war zwar ärgerlich, aber im Grunde genommen ohne Nutzen für die junge Frau.
Amidala streifte im Laufen den lockeren Strick von den Händen und stand im Begriff eilig durch den Türrahmen zu hasten, als etwas ihr abrupt den Weg versperrte. Sie prallte äußerst unsanft gegen ein schwarzes, kugelförmiges Gebilde, das zwischen den Türzargen aufgetaucht war. Die Königin wurde durch den Aufprall zurück geworfen und landete auf dem Boden vor Jerecs Füßen. Das schwarze Gebilde kam in den Raum geschwebt und gab empört schrille Töne von sich.
WD war genauso wenig über den Zusammenstoß erfreut wie Amidala, aber er hatte sich auf Geheiß seines Herrn im Gang neben der Tür postiert, um etwaige Dummheiten der Gefangenen zu verhindern. Der Droide stieß das Äquivalent eines menschlichen Seufzers aus. Manchmal waren organische Lebewesen einfach nur irritierend - sein Herr eingeschlossen! Er hatte WD aufgetragen, wachsam zu sein, was der Droide auch gewissenhaft befolgte, indem er neben der Tür Stellung bezogen hatte. Die Gefangene bedeutete Gefahr, wie die Ermahnung seines Herrn bewies, doch anstatt sich selbst an sie zu halten, war sein Herr einfach in den Raum getreten und hatte sich dieser potentiellen Gefahr ausgesetzt, die dann auch nicht lange auf sich hatte warten lassen, wie der aufgebrachte Schrei bewies, der WD zum Reagieren veranlasste.
Die Königin rappelte sich schnell wieder auf und brachte sich aus Jerecs Reichweite.
Jerec hielt sich die schmerzende Schulter und ging langsam auf Amidala zu. Sie wich zurück, bis sie mit dem Rücken an WD stieß, der die Türöffnung noch immer blockierte. Amidala sah in das Gesicht ihres Entführers. Es zeigte keine Empfindungen, aber gerade das machte ihr Angst. Sie erinnerte sich mit Unbehagen an Jerecs Drohung.
Der Dunkle Jedi blieb so nah vor der Königin stehen, dass sie sich bedrängt fühlen musste. Er packte sie grob bei den Oberarmen. "Was war denn das eben, Hoheit? Ich hoffe in Ihrem Interesse, dass es sich um einen einmaligen Ausfall gehandelt hat! Oder sollten Sie meine Drohung vergessen haben?"
Amidala schwieg trotzig, den Kopf gesenkt und den Blick fest auf den Boden gerichtet. Deshalb sah sie den Schlag nicht kommen. Jerec hatte sie unvermittelt losgelassen und versetzte ihr mit dem Handrücken einen Hieb auf die linke Wange, der sie taumeln ließ. Sie funkelte ihren Peiniger wütend an und suchte in seiner Miene nach irgendwelchen Anzeichen, dass es ihm Spaß machte, sie zu züchtigen. Aber sie hatte keinen Erfolg. Ihr Entführer hatte ihr lediglich zu verstehen gegeben, dass er seine Ankündigungen wahr machte, und wer der Herr der Lage war.
"Das hat sie wohl daran erinnert, meine Teuerste. Ich achte Mut durchaus ..., sofern er nicht mit Torheit gepaart ist", sagte Jerec liebenswürdig.
"Ja, das habe ich soeben bemerkt!" fauchte Amidala.
Jerec schien die Königin einen Augenblick zu sondieren, dann nickte er.
"Gut", stellte er befriedigt fest, "das erspart uns solche unliebsamen Szenen in Zukunft wohl."
Er wandte sich an den Droiden. "WD, sei so gut und gib der Königin den Weg frei. Sie wird sich erfrischen und etwas zu sich nehmen wollen."
WD-3 ließ ergeben einen kurzen Pfiff ertönen und surrte zur Seite.
Ohne die Maschine auch nur eines kurzen Blickes zu würdigen, schritt Amidala in den kurzen Gang hinein und auf einen kleinen, spärlich beleuchteten Aufenthaltsraum zu.
"Ach, WD", bemerkte Jerec beiläufig, aber so, dass Amidala ihn hören musste, "behalte unseren reizenden Gast in Zukunft ein wenig im Auge."

   Kurze Zeit später saß Amidala in dem kargen Aufenthaltsraum und kaute grübelnd an einer Portion Fleisch. Sie schalt sich im Stillen wegen ihrer übereilten und unglücklichen Aktion. Denn in Zukunft würde sie wohl keine Gelegenheit mehr haben, ihren Entführer außer Gefecht zu setzen und das Raumschiff in ihre Gewalt zu bringen. Ganz abgesehen von der Vorsicht, die der unheimliche Mann ihr gegenüber jetzt walten ließ, wurde sie noch zu allem Überfluss auf Schritt und Tritt von dem fliegenden Droiden begleitet. Auch in diesem Augenblick schwebte er - gerade außerhalb ihrer Reichweite - neben dem Tisch, an dem sie saß und beäugte sie aus seinem einen, gelblich glühenden Optiksensor.
Amidala warf der Maschine einen wütenden Blick zu. Wäre sie nicht plötzlich aufgetaucht, dann hätte sich die ganze Sache vorhin anders entwickeln können.
WD quittierte den Blick mit einem warnenden Pfeifen.
"Ist ja schon gut", beschied ihn die junge Frau, "ich weiß, dass du unangenehm werden kannst. Kein Wunder, bei dem Besitzer!"
WD fiepte empört und Amidala vernahm ein leises Lachen hinter sich.
"Oh, oh. Eine so sympathische Stimme ist doch viel zu schade für gehässige Bemerkungen, Hoheit. Außerdem sollten Sie mir für den Schlag vorhin nicht nachtragend sein. Sie waren gewarnt!"
Amidala wandte sich langsam um. Sie hatte nicht gehört, wie das Türschott sich hinter ihr geöffnet hatte. Es gab an Jerec vorbei den Blick auf ein kleines Cockpit frei, das bis auf das schwache Licht, welches die Instrumentenanzeigen abgaben, völlig dunkel war. Amidalas Blick wanderte zurück zu ihrem Entführer, der lässig am Türrahmen lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt und ein belustigtes Lächeln auf den schmalen Lippen.
"Augenscheinlich richten meine beleidigenden Bemerkungen bei Ihnen weit weniger aus, als meine unbedachten Aktionen", sagte sie angesichts seiner Miene.
Jerec deutete eine spöttische Verbeugung an. "Den einzigen, den sie mit Ihren Worten und Taten wirklich in die Verzweifelung treiben können, ist WD." Der Jedi machte eine kaum merkliche Handbewegung in die Richtung des Droiden. "Er hält uns organische Wesen für ausgesprochen irrational und sieht in uns dementsprechend potentielle Gefahren."
WD sah sich ertappt und warf, sich verteidigend, eine lautstarke Zurückweisung der Behauptung ein. Sein Sensorauge richtete sich besorgt auf seinen Herrn, aber Jerecs Gesicht zeigte weiterhin nichts als Belustigung, obwohl WD sich sicher war, dass er die Lüge hinter der lauten Äußerung erkannt hatte.
"Aber es sei Ihnen versichert, Hoheit", fuhr Jerec ungerührt fort, "dass ihn gerade dieser Umstand zu einem ausgesprochen aufmerksamen Wächter macht. Falls Sie die kleine Lektion vorhin wider Erwarten vergessen sollten, kümmert sich WD um Sie. Und seine ‚Hände' sind weitaus weniger angenehm als meine!"
Amidala erwiderte darauf nichts - ein Blick auf die so genannten Hände des Droiden machten jeden Kommentar überflüssig. Statt dessen beschäftigte sie sich wieder mit ihrem Essen.
Jerec schlenderte an den Tisch und setzte sich. Zielstrebig ergriff er einen der Becher, die in der Mitte des Tisches platziert waren und die Kanne, die ein exotisches Getränk enthielt. Er goss sich ebenso sicher den Becher bis an den Rand voll.
Amidala beobachtete ihn dabei. Sie hatte zwar aufgegeben, sich zu wundern, hoffte aber doch, irgendwann hinter Jerecs Geheimnis zu kommen. Diese Sicherheit in den Bewegungen war geradezu unheimlich.
So saßen beide eine Weile schweigend da; Amidala aß und Jerec nahm ab und zu einen Schluck aus seinem Becher. Dann stellte er das leere Gefäß auf den Tisch und erhob sich. "Ich werde Sie nicht weiter mit meiner Anwesenheit belästigen", sagte er zu Amidala. "Wir haben unser Ziel bald erreicht und wenn alles nach Plan verläuft, sind Sie mich in absehbarer Zeit für immer los."
Mit dieser rätselhaften Bemerkung wandte sich Jerec der Tür zum Cockpit zu.
"Wenn Sie fertig sind, wird WD Sie wieder in Ihren Raum bringen", sagte er, während er durch die Tür trat. Das Schott schloss sich lautlos hinter ihm.
Amidala blickte noch eine ganze Weile sinnend auf die Tür, dann erhob auch sie sich. WD ließ ihr den Vortritt in den kurzen Gang und schwebte hinter ihr her. Die Königin trat wieder in ihr Gefängnis. Sie hatte den Raum noch gar nicht richtig in Augenschein nehmen können, daher bat sie den Droiden, das Licht nicht zu löschen. WD überlegte kurz, kam dann aber zu dem Schluss, dass Amidala, auch wenn ihre Bitte einen Hintergedanken hatte, nichts würde ausrichten können. Sollte sie den Raum ruhig durchsuchen, sie würde nichts Nützliches finden. Im besten Fall kam sie durch die Beschäftigung nicht auf weitere dumme Gedanken. Also betätigte WD einen Schalter und das Türschott schloss sich vor ihm. Das Licht ließ er an.

   Die Königin von Naboo hatte sich in ihrem hell erleuchteten Gefängnis gründlich umgesehen. Sie hatte jeden Winkel, jeden Wandschrank und jeden Gegenstand, den sie fand sehr genau in Augenschein genommen, aber nichts gefunden, was ihr irgendwie dienlich gewesen wäre.
Also hatte sie sich wieder auf dem Boden niedergelassen und saß, die Beine angezogen und den Rücken an die Wand gelehnt, sinnend da. Es konnte doch nicht angehen, das ihr nichts Vernünftiges einfiel. Du bist doch sonst nicht auf den Kopf gefallen, Amidala, sagte sie energisch zu sich. So kann es nicht weitergehen. Also denk gefälligst nach!
Irgendwie musste es ihr gelingen, Kontakt zu jemandem aufzunehmen. Aber wie? Die junge Frau überlegte angestrengt. Jedes normale Mittel war ihr verwehrt, also musste sie ein "unnormales" finden. Plötzlich erinnerte sie sich an etwas, was Anakin ihr einmal gesagt hatte. "Die Macht ruht in allen Dingen und sie verbindet alle Dinge. Das gibt dem Jedi die Möglichkeit, die Materie zu beeinflussen." Die Macht! Anakin hatte ihr gesagt, dass sie ebenfalls über ein gewisses Machtpotential verfügte, das nur darauf wartete, gefordert und trainiert zu werden. Amidala lächelte. Einen Versuch war es wert, sie hatte so oder so nichts zu verlieren.
Die junge Frau kauerte sich noch enger zusammen und schloss die Augen. Sie konzentrierte sich auf Anakin, und als sein Bild vor ihren Augen erschien, begann sie ihn im Geiste zu rufen.


   Anakin Skywalker warf sich auf dem großen Doppelbett hin und her. Ein unruhiger Schlaf hatte sich seiner bemächtigt. Er träumte verwirrende Dinge.
Er war in einer bizarren Landschaft auf der Suche nach Amidala. Er hastete durch schweren Regen und rief immer wieder ihren Namen, bis ihn die Verzweiflung schier verrückt zu machen schien.
Er sank erschöpft auf den durchweichten Boden, als er plötzlich leise, wie aus weiter Ferne, seinen Namen rufen hörte. Er horchte auf. Das war Amidalas Stimme! Sie klang seltsam, aber unverkennbar.
Anakin sprang auf und schrie zurück. Seine Frau antwortete und plötzlich wusste der junge Jedi, wie er sie finden würde. Er rannte vorwärts und ließ sich von Amidalas Stimme leiten.
Anakin erwachte mit einem leisen Schrei. Hastig richtete er sich im Bett auf und lauschte.
Ja! Er konnte Amidala immer noch hören. Tief in seinem Inneren vernahm er ihre Stimme. Anakins Verwunderung ging in eine ungebändigte Freude über. Seiner Frau war es gelungen über die Macht mit ihm Kontakt aufzunehmen. Der junge Mann schalt sich einen Narren. Dass ihm diese Möglichkeit nicht in den Sinn gekommen war! Amidala war machtbegabt, aber sie hatte sich nie dem Training dieser Kräfte unterzogen, weil ihr dafür einfach die Zeit fehlte. Anakin hatte ihr zwar einiges über die Macht erzählt, aber insgeheim kaum zu hoffen gewagt, dass etwas davon auf fruchtbaren Boden getroffen war. Offensichtlich hatte er seine Frau unterschätzt!
Der junge Mann sprang mit neuem Elan aus dem Bett, raffte sein Jedi-Gewand auf und hastete aus dem Schlafzimmer. Er hatte dafür gesorgt, dass ein privates Raumschiff immer in Bereitschaft war, nun zahlte sich diese Voraussicht aus.
Amidala, ich komme! rief er seiner Frau in Gedanken zu.


   Wie lange die Königin mit ihren Bemühungen beschäftigt war, wusste sie nicht, aber ihrer Erschöpfung nach zu urteilen, waren mehrere Stunden vergangen. Sie wollte schon aufgeben, als ihr plötzlich eine Antwort zuteil wurde. Sie vermeinte Anakins Stimme zu vernehmen, so schwach, dass es auch Einbildung hätte sein können. Amidala, ich komme, sagte diese Stimme zu ihr.
Am liebsten wäre die junge Frau in Tränen der Erleichterung ausgebrochen. Aber sie beherrschte sich. Sie musste den Kontakt aufrecht erhalten, aber sie war überzeugt, dass es ihr jetzt weitaus leichter fallen würde, da die Hoffnung ihr Kraft verlieh.
Sie lächelte.

   Und es gab noch jemanden, der lächelte.
Jerec saß entspannt in dem dunklen Cockpit und verfolgte zufrieden Amidalas Bemühungen. Diese junge Frau war erstaunlich! Sie hatte tatsächlich geschafft in so kurzer Zeit mit ihrem Mann Kontakt aufzunehmen, obwohl sie keinerlei Schulung besaß.
Jerec hatte allerdings niemals ernsthaft daran gezweifelt, dass es ihr gelingen würde, denn genau darauf hatte ein Teil seines Plans basiert. Phase Eins war somit abgeschlossen!
Jerec wandte sich dem Navigationscomputer zu und gab einen Kurs ein. Er hatte Naboo schnell und gradlinig verlassen, sich dann aber auf einen Zick-Zack-Kurs begeben; einmal, um etwaige Verfolger abzuschütteln, aber zum anderen, um sicherzustellen, dass Anakin Skywalker auch wirklich die Gelegenheit hatte, auf die Spur seiner Frau zu kommen. Jerec würde Skywalker ein paar weitere Stunden zum Aufholen gewähren, damit der junge Jedi auch garantiert dort ankam, wo Jerec ihn haben wollte.


   Anakin befand sich auf dem Weg. Es hatte ihn einige Mühen gekostet, unbemerkt aus dem Palast zu gelangen, denn er wollte keine langen Erklärungen abgeben. Zudem war er überzeugt, alleine am besten zurecht zu kommen. Denn wenn sein Gegner eine Jedi-Ausbildung genossen hatte, waren Nicht-Jedi kaum die geeigneten Helfer.
Anakin erreichte sein Schiff also unbehelligt; der Start war dann nur noch ein Kinderspiel.
Jetzt ließ der junge Mann sich vollkommen von der Macht leiten ... und von Amidalas geistiger Stimme - beide führten ihn einem ganz bestimmten Ziel mit jeder Sekunde näher.


   Amidala wurde unsanft aus dem Schlaf geweckt, als sie jemand bei der Schulter packte und schüttelte.
Verwirrt blickte die junge Frau auf. Sie fühlte sich wie gerädert und es dauerte einige Sekunden, bis sie wieder wusste, wo und in was für einer Situation sie sich befand. Mit Schrecken dachte sie an Anakin. Ihr Schlaf hatte die Verbindung zu ihm unterbrochen und ihre Erschöpfung ließ nicht zu, dass sie ihn erneut erreichen konnte. Sie hoffte inbrünstig, dass Anakin trotzdem in der Lage war, sie zu finden.
Ihre müden Augen nahmen Jerec wahr. Er trug wieder seinen dunklen Kapuzenmantel und verbreitete ganz den Eindruck von großer Unternehmungslust.
"Nun, Hoheit? Sind Sie endlich halbwegs wach?" fragte er spöttisch. "Wir sind am Ende unserer Reise angekommen, und ich bin mir sicher, Sie werden sich schon tausendmal gefragt haben, was ich bezwecke. Allerdings habe ich nicht die Absicht, Sie gerade in diesem Moment darüber aufzuklären, meine Teuerste. Denn dann würden Sie mir garantiert wieder Schwierigkeiten machen."
Amidala erhob sich langsam. Jerec deutete auf die offene Tür und die Königin folgte seinem Wink gehorsam. Als WD sie in dem schmalen Gang in Empfang nahm, war sie nicht im Mindesten überrascht. Der Droide führte sie in den Aufenthaltsraum und dann durch ein Türschott, das dem Cockpit genau gegenüber lag.
Die Königin musste die Augen zusammen kneifen, als ihr grelles Licht entgegen schien. Es dauerte einige Sekunden, bis sie realisierte, dass es sich dabei um Tageslicht handelte, das durch eine Öffnung in der Raumschiffwand schräg vor ihr kam. Sie blinzelte ein paar Mal, während ihre Augen sich an das Licht gewöhnten. WD verharrte bewegungslos in der Ausstiegsöffnung.
Draußen war es nahezu gespenstisch still. Das einzige Geräusch, was zu vernehmen war, verursachte ein lauer Wind, der um das Raumschiff strich.
Amidala stand unschlüssig da und wartete. Es dauerte einige Minuten, dann tauchte ihr Entführer auf.
Jerec ging zielstrebig an ihr vorbei auf eine Nische in der Stahlverkleidung zu. Er griff hinein und holte verschiedene Gegenstände hervor, die er an seinem Gürtel befestigte.
Amidala achtete kaum auf ihn, aber als ein Lichtreflex ihre Augen traf, schaute sie genauer hin. Die Lichtstrahlen brachen sich an einem metallischen Gegenstand an Jerecs Gürtel. Ein sehr vertrauter Gegenstand.
Ein Lichtschwert!
Die Königin wollte für einen Moment ihren Augen nicht trauen. Eine kalte Hand schien sich um ihr Herz zu legen und sich langsam zu schließen. Jetzt wurde ihr so manches klar, und doch steigerte sich ihre Verwirrung noch mehr. Was wollte ein Jedi von ihr und was bedeutete sein völlig jedi-untypisches Verhalten? Amidala versuchte ihre steigende Verwirrung und die stärker werdende Angst zu verbergen, aber genauso gut hätte sie versuchen können, sich in Luft aufzulösen, wie sie sich selbst eingestand. Sie wusste aus eigener Erfahrung, dass sich vor einem Jedi kaum ein Gefühl verheimlichen ließ.
Aber auch wenn Jerec Amidalas Reaktion bemerkt hatte, verriet er mit keiner Regung oder Äußerung etwas davon.
Auf seine unmissverständliche Handbewegung hin, setzte die Königin sich in Bewegung und betrat die schmale Ausstiegsrampe, nachdem WD ihr den Weg freigegeben hatte. Sie blieb unwillkürlich stehen, denn der Anblick, der sich ihr bot, war atemberaubend und erschreckend zugleich.
Vor ihr breitete sich buchstäblich das große Nichts aus. Der kahle Felsboden, auf dem das Raumschiff gelandet war, endete ungefähr nach fünfzig Metern abrupt in einer senkrecht abfallenden Kante und dahinter erfüllte eine milchig-weiße Nebelbarriere den Horizont. Einzelne Schwaden dieses Nebels tasteten sich auf dem Gestein vor wie bleiche Finger, die Sekunden später durch den sanften Wind hinweg gefegt wurden. Amidala sah sich fasziniert und zugleich erschreckt und abgestoßen um, während sie die Rampe hinunterschritt. Der Landeplatz entpuppte sich bei näherer Betrachtung als gewaltige, fast kreisrunde Klippe von etwa dreihundert Metern Durchmesser. Der undurchdringliche Nebel hüllte sie vollständig mit seiner weißen, wabernden Masse ein. Als Amidala den Blick in der Runde schweifen ließ, meinte sie allerdings einen breiten, schattenhaften Streifen wahrzunehmen, bei dem es sich um Felsen oder Bäume handeln konnte.
Die junge Frau erschauerte, obwohl es keineswegs kalt, ja sogar angenehm mild war. Aber auf einer Klippe, deren Höhe sie nicht zu schätzen wagte, eingeschlossen von einer Nebelwand, fühlte sie sich mehr als unwohl. Zu allem Überfluss schien über ihr, ungetrübt - der Nebel machte auf wundersame Weise an einer unsichtbaren Grenze rund um das Felsmassiv halt - eine weißliche Sonne an einem Himmel, der kein freundliches, vertrautes Blau zeigte, sondern ein bedrohliches Orangerot.
"Ein imposanter Anblick, nicht wahr, Hoheit", bemerkte Jerec. Er war dicht hinter Amidala getreten und spürte den Widerstreit ihrer Gefühle.
Amidala ihrerseits fühlte sich in der unmittelbaren Gegenwart ihres Entführers noch unbehaglicher, als sie sich vor der Entdeckung des Lichtschwertes schon gefühlt hatte. Sie versuchte jedoch sich zumindest äußerlich nichts anmerken zu lassen und warf Jerec einen bezeichnenden Blick zu.
"Ich glaube kaum, dass Sie mich der Aussicht wegen hierher gebracht haben", erwiderte sie kalt.
"Ganz recht, meine Teuerste. Aber ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen", sagte Jerec boshaft, sich sehr wohl daran erinnernd, dass er der jungen Frau noch kurz zuvor jegliche Informationen verweigert hatte. "Vielleicht befriedigt es Ihre Neugier, wenn ich Ihnen mitteile, dass wir in kurzer Zeit einen weiteren Mitwirkenden in unserem kleinen Spiel haben werden, auf den ich ganz besonders gespannt bin."
"Was!?"
Amidalas wacher Verstand erfasste die wahren Zusammenhänge innerhalb weniger Sekunden. Die Erkenntnis ihrer Rolle traf sie so unvermittelt, dass sie für einen Moment ihre königliche Würde vergaß. "Es ging von Anfang an also nur um meinen Mann!", stieß sie hervor.
"Ja, ich bedauere, Hoheit. Aber mir liegt nicht das Geringste an Ihnen. Aber trösten Sie sich. Ich bin sehr zufrieden mit ihrer Kooperationsbereitschaft."
Die Königin erbleichte angesichts des Spottes, aber sie blieb stumm. In Gedanken jedoch versuchte sie Anakin über die Macht eine Warnung zukommen zu lassen. Aber sie war mit einem Mal nicht mehr Herrin über ihren Geist. Gedanken waberten in ihrem Kopf herum, wie der Nebel um den Landeplatz. Sie konnte sich nicht daran erinnern, was sie vor Sekunden noch gewollt hatte. Ihr einziges Streben richtete sich auf einen langen Schlaf.
Jerec fing Amidala auf, als sie langsam zu Boden sank. "Aber Hoheit", sagte er zu der bewusstlosen jungen Frau, "Sie wollen doch meinen schönen Plan nicht im letzten Augenblick zunichte machen."
Er wandte sich an WD. "Komm her, WD-3. Du hast die ehrenvolle Aufgabe eine leibhaftige Königin durch die Wildnis zu tragen!"
WD surrte heran, fuhr seine vier Greifarme aus und nahm seinem Herrn die junge Frau ab. Er überlegte kurz, ob er auf die offensichtliche Ironie und die Herablassung sich gegenüber antworten sollte, ließ es dann aber doch sein. WD kannte Jerec jetzt lange genug, um zu wissen, wann es besser war den "Mund" zu halten.
Jerec wandte sich zufrieden den schattenhaften Gebilden am Rande des Nebels zu und der Droide folgte ihm gehorsam.


   Anakin erreichte den namenlosen kleinen Planeten als die seltsam blasse Sonne sich dem Horizont zuzuneigen begann. Er hatte vor geraumer Zeit den Kontakt mit Amidala verloren, sich ihr aber glücklicherweise so weit genähert, das er sich ganz auf die Macht verlassen konnte, um mit absoluter Sicherheit sagen zu können, dass sich seine Frau an diesem Ort befand.
Jetzt hielt der junge Mann die Sensoren im Auge, die ihn zum Raumschiff des Entführers leiten würden.
Ein hektisches Blinken deutete einige Zeit später an, dass die Abtaster fündig geworden waren. Anakin fühlte ein erregendes Hochgefühl in sich aufsteigen. Bald würde er Amidala wiedersehen und das Geheimnis ihres rätselhaften Entführers lüften können. Es kam Anakin nicht einmal in den Sinn, dass nicht alles so reibungslos verlaufen könnte, wie er es sich vorstellte, denn ihn erfüllten Optimismus und Selbstvertrauen; da war für Zweifel kein Platz mehr.
Der junge Jedi steuerte die Koordinaten an, die ihm die Sensoren übermittelten. Sein Raumschiff schien auf einem weißen, weichen Teppich zu schweben, der aus einer hohen, dichten Wolkendecke bestand und keinen Blick nach unten zuließ. Der orangerote Himmel bot einen bedrückenden Kontrast.
Anakin steuerte sein Schiff in die Wolken hinein und je tiefer er kam, desto mehr wurde aus den Wolken dichter Nebel. Urplötzlich riss dieser Nebel jedoch auf und gab den Blick auf ein beeindruckendes Felsplateau frei, dessen Klippen auf drei Seiten über zwei Kilometer senkrecht in die Tiefe fielen. Der Fels war eine Art Landzunge, die in ein fast schwarz schimmerndes Meer endete. Von der völlig bewegungslosen Wasseroberfläche lösten sich kontinuierlich gespinstähnliche Nebelschwaden und suchten sich ihren Weg in die Atmosphäre.
Anakin sah das elegante, kleine Raumschiff nahe am Rand des Felsens und beschloss, ebenfalls dort zu landen. Er griff mit der Macht hinaus, um die Umgebung zu erkunden, aber nichts regte sich. Er hatte eigentlich auch nicht damit gerechnet, seine Frau schon hier anzutreffen, denn was immer ihr Entführer für Pläne haben mochte, sich schnell finden zu lassen gehörte offensichtlich nicht dazu.
Als Anakin sein Raumschiff verließ, sah er sich um. Es gab keinen erkennbaren Weg, aber es war klar, dass sich die Gesuchten nur in die Richtung des Waldstreifens begeben haben konnten, der das Felsplateau wie eine natürliche Grenze zum Festland hin abschirmte.
Bei der Landung hatte Anakin gesehen, dass dieser Streifen nur sehr schmal war. Das Land dahinter war hügelig und weit, augenscheinlich unbewohnt und mit hohem braunem Gras und vereinzelten Sträuchern bewachsen. Nichts Aufregendes also, und schon gar nichts, was einem Sorgen machen müsste, dachte Anakin. Allerdings hatte ihm der Landeanflug noch etwas offenbart, und dem würde er seine volle Aufmerksamkeit schenken: ein Steinkreis von gewaltigen und beeindruckenden Ausmaßen; scheinbar vor Urzeiten errichtet aus bizarr behauenen Steinen und großen rechteckigen Felsen. Die Stelle, an der er Amidala finden würde, wenn er ihren Entführer richtig eingeschätzt hatte.
"Also, dann mal los, Skywalker", sagte Anakin leise zu sich. "Bringen wir dieses elende Spiel endlich zu Ende."
Entschlossen setzte der junge Mann sich in Bewegung.

   Anakin Skywalker betrat langsam und vorsichtig den gewaltigen Steinkreis. Der Boden fiel sanft ab und führte in einen zweiten, engeren Kreis aus Menhiren, deren verwitterte Oberfläche an vielen Stellen Moos angesetzt hatte und so mit bizarren Mustern überzogen war. Die Erde war bedeckt mit langem, bräunlich grünem Gras und Flechten, die ineinander verschlungen waren. Zwischen den großen Steinen lagen kleinere, augenscheinlich keiner Ordnung unterworfen und doch künstlich in ihre seltsamen Formen gebracht.
Das diffuse Abendlicht tauchte alles in einen unwirklichen Schein aus gelblichem Licht, das schnell dunkler wurde. Die langen Schatten, die von den Steinen geworfen wurden, verdunkelten den Platz zusätzlich.
Anakins Augen und Sinne suchten diese Schatten angestrengt ab.
Behutsam ging der junge Jedi auf den zweiten Steinkreis zu; gewappnet für einen etwaigen Angriff, denn er bot ein hervorragendes Ziel. Als er die Steine erreichte und in ihren Schatten eintauchte, fühlte er sich noch unbehaglicher. Sein Gegner lauerte hier, dessen war er sich sicher. Aber wo? Und wieso spielte er ein solches Spiel?
Anakin drückte sich mit dem Rücken an den großen Stein neben sich, ergriff das Lichtschwert, schob sich langsam vor und spähte in das Innere des Kreises.
Dort war ein einziger schwarzer Menhir, der größte von allen. Er war umgestürzt und lag auf der flachen Seite. Seine glänzende Oberfläche wurde von vier provisorisch aus Ästen hergestellten Fackeln erhellt, die an seinen Ecken in den Boden gerammt worden waren.
Und da war noch etwas. Anakin kniff angestrengt die Augen zusammen. Das Fackellicht reichte nicht aus, um den Stein ganz zu beleuchten, aber etwas lag auf ihm, winzig im Vergleich mit seinen Ausmaßen, etwas schrecklich Vertrautes!
"Amidala!"
Anakins Schrei wurde von der Dunkelheit verschluckt, die den alten Kultplatz jetzt völlig einhüllte. Der junge Jedi vergaß jede Vorsicht und stürzte vorwärts. Der Stein reichte Anakin bis zur Brust und er konnte Amidala nicht erreichen. Also zog er sich hoch und kauerte sekundenlang atemlos neben seiner Frau.
Sie lag auf dem Rücken, die Arme über der Brust gefaltet als sei sie aufgebahrt worden und die Augen geschlossen. Ihr Atem ging sehr langsam und flach, zu Anakins Erleichterung aber regelmäßig. Er berührte sanft ihr unnatürlich blasses und kaltes Gesicht. Sein Geist suchte den ihren; aber er fand nicht die vertraute Wärme, sondern nur Schwärze ...
"Bei der Macht", flüsterte er. "Was ist dir geschehen ... warum?"
Anakin sah Amidala verzweifelt an. Endlich hatte er sie gefunden. Aber in welch einem Zustand! Sie schien körperlich unversehrt zu sein, auch wenn ihr Prunkgewand mitgenommen aussah und ihre langen Haare zerzaust waren.
Anakin nahm seine Frau vorsichtig in die Arme und kletterte von dem Stein. Wind war aufgekommen und ließ den jungen Mann frösteln. Ein unnatürlicher Wind, dessen war sich Anakin sicher. Sollte er eine Warnung sein oder eine weitere Komponente in dem perfiden Spiel, als dessen Akteur er sich unfreiwillig wiederfand?
Er musste so schnell wie möglich fort von dieser Stätte, die beherrscht wurde von dunklen Energien, Kälte und Tod! Viel wichtiger noch war, dass er Amidala von hier fort brachte. Vielleicht reichte das aus, um sie aus ihrem totenähnlichen Schlaf zu wecken? Anakin hoffte das inständig. Er legte Amidala vorsichtig auf den Boden neben den großen Stein und zog seinen Kapuzenumhang aus, um sie darin einzuwickeln, denn der Wind schien ihre Haut noch kälter werden zu lassen. Die Kälte, die sie ausstrahlte, war fast greifbar. Während er Amidala mit dem Umhang bedeckte, sprach er leise auf sie ein, hoffte auf ein Zeichen, dass sie ihn hörte und gab bedrückt auf, als das nicht der Fall war. Mit einer zärtlichen Geste strich er ihr eine zerzauste Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Wirklich zu rührend", sagte eine sanfte, spöttische Stimme hinter ihm.
Der junge Jedi fuhr erschrocken und leicht verärgert herum und ergriff sein Lichtschwert. War er schon so von seinen Gefühlen und der Angst um Amidala übermannt, dass er die Annäherung seines unbekannten Widersachers nicht bemerkt hatte? Und warum hatte die Macht ihn nicht gewarnt, so wie es bis jetzt immer der Fall gewesen war?
Anakin verscheuchte die quälenden Fragen, die ihn nur wenige Sekunden abgelenkt hatten und aktivierte die Energieklinge. Sie erwachte zischend zum Leben. Das weißblaue Licht vermischte sich mit dem gelben der Fackeln und warf bizarre Schatten auf die Steine ringsherum ... und auf eine große Gestalt, die reglos vor einem der Menhire stand; in einen so schwarzen Kapuzenumhang gehüllt, dass sie ein dunkler Schatten in den Schatten war.
Anakin wartete angespannt. Er musterte den Fremden intensiv, dessen Holobild ihm nur undeutliche Eindrücke geliefert hatte.
Aber auch hier blieb das Bild schemenhaft, denn die Lichtverhältnisse und die Kleidung des Fremden waren nicht dazu angetan, viel zu erkennen. Überhaupt: die Kleidung. Anakin erschien sie wie ein rituelles Gewand; so wie die Jedi charakteristische Gewänder trugen, die sie als das auswiesen, was sie waren und darstellten: uneigennützige Diener des Guten.
Was aber war dann sein Gegenüber? Anakin hatte gesehen, wie geschickt der Mann mit einem Lichtschwert umgehen konnte. Wies ihn diese Waffe dann nicht eindeutig als Jedi aus? Aber ein Jedi entführte nicht irgendwelche Personen ohne ersichtlichen Grund oder versetzte seine Umgebung in Angst und Schrecken und gefährdete Unschuldige, so wie es der Fremde im Abflugterminal getan hatte; alles Überlegungen, die Anakin schon unzählige Male angestellt hatte, immer ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Vielleicht half die Macht weiter!
Der junge Mann sondierte seinen Gegner, stieß aber unvermittelt auf Widerstand; seine Versuche, den anderen mit der Macht zu erkennen wurden blockiert! Jetzt dämmerte Anakin langsam und erschreckend, wen er da vor sich hatte. Einen der Abtrünnigen; einen von denen, die - aus welchen Gründen auch immer - ihren eigenen Weg gehen wollten. Jene, die die Macht missbrauchten und nur sich selbst dienten. Anakin hatte von so manchem Jedi-Meister gehört, der einen solchen Schüler betrauerte, weil er ihn an die Dunkle Seite verloren hatte. Der junge Mann spürte Furcht in sich aufsteigen. Er hatte noch nie einem Dunklen Jedi Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden, geschweige denn, gegen einen gekämpft. Er wusste nicht recht, wie er sich verhalten sollte, zumal er keine Vorstellung von den Beweggründen des anderen zu gewinnen vermochte. Also beschloss Anakin auf der Hut zu sein und tat das Naheliegende.
"Wer seid Ihr und was wollt Ihr?" fragte er energisch und hoffte, dass seine Stimme sein Unbehagen nicht verriet.
Die dunkle Gestalt trat vor, so dass das Fackellicht sie besser beleuchtete.
"Mein Name tut nichts zur Sache", sagte der Mann mit seiner irritierend sanften und leicht spöttischen Stimme, während er die Kapuze abnahm, "Du kennst mich nicht, auch wenn Du vielleicht schon von mir gehört hast."
"Dann wird es aber nichts Gutes gewesen sein", gab Anakin zurück und starrte angestrengt in das Gesicht, das sich ihm offenbarte. Als er die leeren Augenhöhlen bemerkte, lag ihm ein überraschter Ausruf auf den Lippen.
Allerdings blieb Anakin keine Zeit, sich weiter mit dem Umstand zu beschäftigen, dass sein Gegenüber blind war, obwohl irgendwo in den Tiefen seines Gedächtnisses etwas herumgeisterte, das mit einem blinden Jedi zu tun hatte, denn Jerec sprach weiter.
"Und was ich will, sollte das hier beantworten!" Der Dunkle Jedi warf den Umhang zurück und ergriff das Lichtschwert, welches an seinem Gürtel befestigt war.
Plötzlich begriff Anakin wenigstens einen Teil der Geschehnisse. Er erhob sich und entfernte sich von Amidala.
"Meine Frau war also nur ein Lockvogel", stellte er ruhig fest.
Jerec nickte beifällig. "Überaus scharf erkannt, mein Freund", meinte er.
Anakin ignorierte den Sarkasmus seines Gegners und fuhr fort: "Wir sind uns nie zuvor begegnet, ich habe wissentlich nichts getan, um mir Eure Feindschaft zuzuziehen ... Ich will nicht mit Euch kämpfen, weil ich keinen Sinn darin sehe und der Jedi-Kodex Aggressionen verbietet ..."
"Komm mir nicht damit!" unterbrach Jerec ihn so erbost, dass Anakin ein Schauer über den Rücken lief. "Wie Du schon bemerkt haben wirst, stehe ich außerhalb sämtlicher Regeln. Du solltest das Ganze allerdings nicht persönlich nehmen", fuhr er nach dem kurzen Gefühlsausbruch ruhig und spöttisch fort. "Ich habe nichts gegen Dich. Aber bedauerlicherweise bist Du der Gegenstand des Interesses eines anderen. Und um dieses Interesse zu befriedigen, werde ich Dich zu einem Kampf zwingen müssen."
Während Jerec dies sagte, hatte er sein Lichtschwert aktiviert und kam auf Anakin zu. Der Dunkle Jedi holte aus und führte einen langen, harten Schlag gegen Anakin.
Der junge Mann sprang zurück. Ihm blieb augenscheinlich nichts anderes übrig, als sich zu verteidigen. Der andere war für kein vernünftiges Argument zugänglich, und da der Jedi-Kodex die Verteidigung nicht verbot, erhob Anakin seine Waffe ebenfalls.
Zwischen den beiden Männern entspann sich ein Kampf, auf den jeder Jedi-Meister stolz gewesen wäre, denn er zeigte alle Finessen, die ein Jedi zu bieten hatte. Und doch, es gab einen sehr Unzufriedenen ...
Anakin war verblüfft. Er hatte sich immer für einen sehr talentierten Kämpfer mit dem Lichtschwert gehalten, aber sein Gegner führte ihn regelrecht vor! Der junge Mann spürte Zorn in sich aufsteigen. Seine Frau lag wenige Meter entfernt, mehr tot als lebendig, und er musste sich mit einem Gegner herum schlagen, der das Ganze für ein nettes Spiel zu halten schien.
Und in der Tat. Jerec kämpfte nicht ernsthaft - das war auch gar nicht seine Aufgabe -, denn sonst hätte er den jungen Mann, der trotz seiner Fähigkeiten noch lange kein ernstzunehmender Gegner war, buchstäblich auseinander genommen. Es war eine Prüfung für Anakin Skywalker und es sah ganz danach aus als würde sie erfolgreich verlaufen - nach Jerecs Maßstäben natürlich -, denn der junge Jedi geriet langsam aber sicher in Zorn ... und spielte Jerec damit in die Hände.
"Was ist, junger Narr?" stichelte er. "Es sollte doch möglich sein, mich zu besiegen, oder? Ich kann nicht einmal sehen ..."
Anakin knurrte verärgert.
Jerec lachte. "Vielleicht hilft es, wenn wir unter gleichen Bedingungen kämpfen?" fragte er unschuldig.
Was sollte das heißen? Anakin wich noch etwas weiter zurück. Wollte sein Gegner ihn blenden, oder ...? Er machte sich auf das Schlimmste gefasst und fand sich urplötzlich von so dichtem Nebel umgeben, dass er buchstäblich die Hand vor Augen nicht mehr sah.
Die Nebelschwaden waren seltsam dunkel, erdrückend, wirkten fast lebendig und verschluckten sogar das Licht der Energieklinge, so dass sie nur noch kläglich glimmte.
"Nun, wie gefällt Dir das?"
Anakin zuckte zusammen. Die Stimme seines Feindes klang hohl und schien von allen Seiten zu kommen. Er versuchte vergeblich das rote Licht des gegnerischen Lichtschwerts zu erkennen; der Nebel verschluckte sogar das charakteristische Summen, das die Klingen normalerweise von sich gaben.
Der einzige Ausweg war die Macht! Anakin griff nach ihr, suchte das strahlende Licht ... aber es gelang ihm nicht, seinen Geist mit der Hellen Seite zu verbinden.
Sein Gegner lachte erneut. "Oh, ich fürchte, dass Dir dieser Weg jetzt verwehrt ist, junger Jedi. Aber eine andere Tür steht Dir weit offen!"
"Niemals!" schrie Anakin. "Ihr werdet mich nicht dazu verführen, die Dunkle Seite zu benutzen!" Er erinnerte sich nur allzu gut an die warnenden Worte seines Meisters. Obi-Wan hatte ihn immer wieder auf die Gefahren der Dunklen Seite aufmerksam gemacht. Ihr Gebrauch lief allen Regeln des Jedi-Rittertums zuwider und führte in einen Abgrund ...
"Tatsächlich nicht? Nun, ich kniee hier bei Deiner wundervollen Frau. Sie ist noch viel zu jung zum Sterben, findest Du nicht? Aber auch eine hübsche Kehle lässt sich mit einem scharfen Messer durchtrennen. Es mag Dich trösten, dass sie davon nichts spüren wird ..."
Anakins Herz verkrampfte sich. "Das werdet Ihr nicht wagen!" schrie er in den Nebel.
"Willst Du es darauf ankommen lassen, junger Narr?"
Die körperlose Stimme hatte sich abrupt verändert. War sie zuvor noch sanft und leicht spöttisch gewesen, so klang sie jetzt hart und eiskalt. Da wusste Anakin, dass ihm keine Wahl blieb. Er ließ der aufgestauten Wut auf den Gegner freien Lauf, griff nach der Kälte und Dunkelheit die sich offenbarte ... Sie war so leicht zu erreichen, so leicht ... Anakin keuchte auf, als die dunklen Energien ihn erfüllten, ihn stark machten und "sehen" ließen. Er erblickte seinen Feind.
Jerec kniete bei Amidala und hielt ihr einen seltsam geformten Dolch an die Kehle. Ein wissendes Lächeln umspielte seine Lippen.
Anakin erschrak über die Aura, die seinen Gegner umgab. Sie war wie ein dunkler Panzer und strahlte dennoch in einem eisigen Licht. Anakin hatte einen Dunklen Jedi vor sich, der sehr mächtig und sehr gefährlich war! Der junge Mann verfluchte sein übereiltes Handeln. Er hätte nicht einfach davon stürzen dürfen, sondern sich Rat und Hilfe bei Obi-Wan oder einem anderen Meister holen müssen. Seine Eile und Ungeduld hatten ihn - wieder einmal - in eine brenzlige Situation gebracht. Und dieser Situation war er nicht gewachsen! Aber etwas musste er doch tun ...! Er hatte sich zu einer unüberlegten Aktion hinreißen lassen, die er nicht einfach rückgängig machen konnte. Also, warum nicht den eingeschlagenen Weg weitergehen?
Anakin raste förmlich vorwärts, die Wut gab ihm eine unglaubliche Schnelligkeit. Das Lichtschwert zu einem mächtigen Hieb erhoben, erreichte er seinen Gegner.
Jerec war auf der Hut. Alles entwickelte sich so, wie er es wollte. Drohung und Erpressung zeigten früher oder später immer ihre Wirkung.
Er sprang auf und aktivierte sein Lichtschwert.
Der seitliche Hieb wurde elegant abgewehrt; die Energieklingen knisterten bei der Berührung. Die beiden Männer rangen stumm miteinander, jeder darauf bedacht, die Klinge des anderen von sich fort zu schieben.
Anakin legte verbissen noch mehr Kraft in seine Arme, konnte aber keinen Vorteil erringen. Also ließ er von seinem Gegner ab und sprang zurück. Mit reiner Körperkraft kam er nicht weiter, er verausgabte sich höchstens und wurde eine leichte Beute für seinen Feind. Damit half er weder Amidala noch sich. Er warf einen kurzen besorgten Blick auf seine Frau. Sie lag noch immer in tiefer Bewusstlosigkeit und jetzt erkannte Anakin, dass er sie daraus nur würde wecken können, wenn er seinen dunklen Widersacher besiegte; die Dunkelheit, die zuvor durch die Präsenz seines Gegners überdeckt worden war und die wie ein kaum sichtbarer Kokon um Amidala lag, sagte alles.
Jerec unterbrach Anakins Gedanken, indem er angriff. Die Kämpfenden umkreisten sich, machten Ausfälle, fintierten ... und trennten sich jedes Mal ergebnislos.
Doch dann geschah das, worauf Jerec so lange gewartet hatte: der junge Jedi gab sich für Sekunden ganz der Dunklen Seite hin. Denn der Hieb, der Jerec taumeln und zurück weichen ließ, war nicht nur körperlich, sondern auch mental geführt worden und zwar mit brutaler, zerstörerischer Kraft.
Es war Zeit, das Spiel zu beenden!
Jerec hatte genug erfahren. Jemand würde außerordentlich zufrieden sein.
Der Dunkle Jedi ergriff nun seinerseits die zerstörerischen Energien der Macht, formte und konzentrierte sie und schleuderte sie mit einer fast anmutig wirkenden Handbewegung auf seinen erneut angreifenden Gegner.
Anakin wurde von einer unsichtbaren Faust genau auf die Brust getroffen. Der Schlag war so heftig, dass er dem jungen Mann den Atem nahm und ihn nach hinten an einen Menhir warf. Der Aufprall war nicht weniger heftig und Anakin hatte das Gefühl, seine Knochen würden wie dürre Äste zerbrechen. Er verlor abrupt die Verbindung mit der Macht. Schmerz raste durch seinen Körper und er kämpfte verzweifelt gegen die Ohnmacht, die ihn zu überwältigen drohte. Der Stein, an dem er Halt suchte, schien zu schwanken und Anakin rutschte hilflos langsam zu Boden. Er sah durch einen flirrenden Schleier vor seinen Augen den unheimlichen Widersacher erschreckend deutlich auf sich zu kommen. Der Nebel hatte sich schlagartig verzogen und das Licht der vier Fackeln war gerade genug, um ausreichend sehen zu können. Anakin rappelte sich mit zusammengebissenen Zähnen wieder auf. Sein Lichtschwert war ihm beim Aufprall entfallen; es musste nicht weit entfernt im hohen Gras liegen. Aber der junge Jedi war zu erschöpft, um mit der Macht danach zu greifen.
Jerec blieb zwei Meter vor seinem ausgelaugten Gegner stehen. Er spürte Skywalkers Schmerz und Verzweiflung, aber auch die Wut und den Hass, die nach dem kurzen und heftigen Aufflackern wieder in die Tiefe der Seele des jungen Mannes zurückgekehrt waren. Aber die negativen Gefühle schlummerten nur, warteten darauf richtig geweckt zu werden ... Jetzt waren sie noch nicht rein, entsprangen nicht aus sich selbst, waren nicht gebündelt, sondern Ursache eines anderen Gefühls: Angst. Skywalker hatte schlicht und ergreifend Angst um seine Frau.
Der junge Jedi bot wahrhaftig ein bedauernswertes Bild, wie er an dem Stein lehnte, unfähig, sich noch länger auf den Beinen zu halten ...
Jerec trat näher, hob lässig sein Lichtschwert und ... deaktivierte es.
Benommen schüttelte Anakin den Kopf. Er konnte kaum klar denken. Er hatte alles erwartet, nur nicht das. Verwirrt sah er seinen schattenhaften Gegner an.
Dieser hob die Hand, in deren Fläche sich ein grelles Licht bildete. Anakin starrte darauf und die Erkenntnis drang langsam in sein Bewusstsein. Das war also doch das Ende! Er hatte versagt, in allem. Nicht nur, dass seine Frau ebenso hilflos war wie zuvor. Nein, er hatte sich auch noch verführen lassen, etwas zu tun, was kein wahrer und würdiger Jedi jemals tun durfte! Und was hatte ihm die Dunkle Seite gebracht?
Nichts!
Anakin schrie auf, als das gleißende Licht ihn traf.
Der Körper des jungen Jedi sank langsam zur Seite und blieb bewegungslos liegen.
Jerec gönnte dem Gefallenen keine weitere Aufmerksamkeit. Statt dessen begab er sich zur Königin. Er ließ sich auf ein Knie nieder und es hatte ganz den Anschein, als würde er das blasse Gesicht irgendwie intensiv mustern.

   Eine Hand strich leicht über Amidalas Stirn und die Atmung der Königin normalisierte sich, ihre Wangen gewannen wieder an Farbe und die unnatürliche Kälte wich von ihr.
Jerec war zufrieden. Er setzte seine Kapuze auf, raffte den schwarzen Umhang zusammen und ging. Augenblicke später war er im Dunkel verschwunden, gefolgt von einer schwarzen Silhouette, die sich beeilte, ihrem Herrn nachzukommen.


   Anakin Skywalker erwachte aus einem bösen Traum. Er war in undurchdringbarer Dunkelheit gefangen gewesen. Sie war immer näher gekrochen, hatte ihn bedrängt, ihm die Luft zum Atmen genommen ... Er hatte wie ein Ertrinkender verzweifelt dagegen angekämpft und endlich - als er schon aufgeben wollte - ein Licht gesehen. Weit entfernt, schwach, aber unendlich verlockend. Er war mit allen Kräften diesem Licht entgegen geeilt und es hatte ihn schließlich aufgenommen. Das Gefühl, das er dabei empfunden hatte, war unbeschreiblich.
Anakin öffnete vorsichtig die Augen und schloss sie sogleich wieder, als ein grelles Licht sie schmerzhaft traf. Sekunden später schob sich ein Schatten gnädig vor das Licht, welches Anakin noch durch die geschlossenen Lider Pein bereitete. Er fühlte etwas Weiches über sein Gesicht streichen und öffnete die Augen abermals.
Er sah in Amidalas dunkle Augen, deren besorgter Ausdruck einem unendlich erleichterten wich. Ihr Gesicht schwebte nah vor dem seinen und als sie sich etwas aufrichtete, strichen ihre Haare über seinen Hals. Sie sagte nichts, sondern saß einfach neben ihm, eine Hand liebevoll auf seine Brust gelegt. Anakin nahm wortlos diese Hand und genoss einen kurzen Augenblick die Ströme der Macht, die Amidala und ihn jetzt aufs Innigste verbanden. Dann ließ er sie los und richtete sich auf; zumindest versuchte er es. Sein Körper protestierte mit Wellen des Schmerzes gegen die Bewegung der geschundenen Muskeln. Keuchend ließ der junge Jedi sich zurückfallen, sammelte Kraft und ignorierte die Schmerzen so gut es ging. Erst jetzt erinnerte er sich deutlich an das Vorgefallene.
"Wo ist ...?" Anakins Stimme versagte, seine Kehle schmerzte, als sei sie ausgedörrt. Er schluckte einige Male und das unangenehme Gefühl verebbte langsam. Als er erneut zum Sprechen ansetzte, kam Amidala ihm zuvor.
"Ich kann dir deine Frage nicht beantworten. Aber glaub mir, dass ich mir sie und etliche andere in den letzten Stunden wer weiß wie oft gestellt habe.
Als ich zu mir kam, dämmerte es bereits und ich fühlte mich so elend, dass ich minutenlang nicht in der Lage war aufzustehen. Ich hatte eine ungeheure Angst um dich, denn mir kam langsam wieder zu Bewusstsein, weshalb ich hier war ... Und als ich dich dann fand, kalt und scheinbar leblos, da brach für mich förmlich eine Welt zusammen. Dann bemerkte ich deinen langsamen Herzschlag ..."
Amidala verstummte. Sie konnte ihre Gefühle nicht in Worte fassen. Langsam fuhr sie fort. "Als ich meine Fassung wiedergefunden hatte, sah ich mich in der Nähe ein wenig um; teils aus Angst, teils auch aus Neugier. Denn ich machte mir Gedanken über meinen unheimlichen Entführer. Du weißt, dass er ein Jedi ist."
Anakin nickte grimmig. "Ein Dunkler Jedi, Amidala!"
Die junge Frau erwiderte darauf nichts, aber in ihrem Inneren erbebte sie.
"Nun, jedenfalls fand ich in der näheren Umgebung keine Spur mehr von ihm. Er war einfach verschwunden. Da ich den Weg zum Landeplatz nicht weiß und dich nicht allzu lange allein lassen wollte, kehrte ich zu dir zurück und wartete."
Anakin nickte langsam. Er konnte sich einfach keinen Reim auf das Vorgefallene machen. Es war zum Verrücktwerden! Der junge Mann seufzte. "Denken wir später in Ruhe darüber nach und machen wir, dass wir hier wegkommen!" schlug er seiner Frau vor.
Mit ihrer Hilfe stand er wenig später auf den Beinen, auch wenn diese noch recht wacklig waren. Amidala bot ihm ihre Schulter als Stütze dar, was er dankbar annahm. Sie lächelte ihn leicht an. "Fühlst du dich gut genug, um zu gehen?" Er nickte. "Ich würde diesen Ort auch auf Händen und Knien kriechend verlassen. Ich muss nur noch mein Lichtschwert finden ..."
"Hier ist es", unterbrach Amidala ihn. "Ich hatte ausreichend Zeit, danach zu suchen.
Anakin seufzte. "Ich war ja auch lange genug weggetreten." Er blinzelte zu dem weißglühenden Feuerball empor, der den Zenit schon überschritten hatte.
"Ich bin ein schöner Retter, was? Ich bin grün und blau geschlagen, fühle mich elend wie noch nie, habe mich zu unüberlegten Dingen hinreißen lassen ... Und schlussendlich habe ich damit gar nichts erreicht. Als ich so unrühmlich die Sinne verlor, warst du immer noch der Gewalt und, schlimmer noch, Gnade deines Entführers ausgeliefert."
Amidala schüttelte energisch den Kopf. "Mach dir keine Vorwürfe. Du hast getan, was im Rahmen deiner Möglichkeiten lag. Das Wichtigste ist doch, dass uns nichts geschehen ist."
Anakin verzog kläglich das Gesicht und Amidala lachte. "Oh, abgesehen von deinen Blessuren natürlich", neckte sie ihn liebevoll.
"Du hast eine wahrhaftig ergreifende Art einen geschlagenen Mann aufzumuntern", bemerkte Anakin selbstironisch und beide machten sich auf den Weg zu Anakins Raumschiff; froh, die etwas absonderlichen Geschehnisse augenscheinlich überstanden zu haben.


   Jerec saß wieder in dem leerstehenden Apartment auf Coruscant. Doch diesmal war er nicht alleine.
WD schwebte neben ihm, seinen Optiksensor fast völlig erloschen, was anzeigte, dass die Maschine sich in einer Ruhephase befand.
Auch Jerec war völlig entspannt, obwohl er kurz vor der Begegnung mit dem Imperator stand, und obwohl seine Besuche auf Coruscant immer ein hohes Risiko in sich bargen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass er hier von den Jedi entdeckt wurde, war bedeutend größer als anderswo; immerhin befanden sich die Ratsmitglieder fast immer vollzählig hier und bildeten so einen Pol der Macht von ungeheuren Ausmaßen. Jerec war dadurch gezwungen, seine Verbindung mit der Macht fast ganz aufzugeben und sich auf seine Erfahrung und WD zu verlassen. Das verbarg ihn vor den Sinnen anderer Machtbegabter, denn auf einem belebten und bewegten Planeten wie Coruscant war die Macht, die in allen Dingen schlummerte, in steter, leiser Bewegung.
Jerec scheute sich nicht vor einer Konfrontation mit den Hellen Jedi, aber er wollte sie auch nicht unachtsam herausfordern, denn wenn der Jedi-Rat seiner habhaft werden sollte, konnte er nicht noch einmal mit Milde und Gnade rechnen. Durch Ächtung und Verbannung hatte der Rat nämlich deutlich zu verstehen gegeben, dass Jerec als persona non grata galt. Das hieß für den Ausgestoßenen, sich möglichst von Coruscant, aber auch den Kernwelten und von den zahlreichen belebten Planetensystemen fern zu halten. Denn wo viele Völker und Rassen aufeinander trafen, gab es auch viele Missionen für die Jedi. Und die Meister waren dazu angehalten, die Augen auf ihren Reisen nach Abtrünnigen offen zu halten, da die Anhänger der Dunklen Seite immer Ärger bedeuteten. Jerec wusste, dass ein Meister ihn sofort erkennen würde, wenn er einem von ihnen auch nur nahe kam; und Jerec wusste ebenso, dass es dem Meister frei stand, wie er reagieren sollte: entweder er machte den Abtrünnigen dingfest und überstellte ihn der gemeinsamen Gewalt der Jedi in Gestalt des Rates oder er versuchte ihn an Ort und Stelle zu töten. Da er in den meisten Fällen auf die Hilfe seines Padawans rechnen konnte, standen die Chancen gut, dass wenigsten einer siegreich war.
Das Ergebnis für den Abtrünnigen war in beiden Fällen dasselbe ...

   Ein kaum hörbares Rascheln schwerer Kleidung kündigte das Eintreten des Imperators an und unterbrach Jerecs Gedanken. WD's Optiksensor erwachte zum Leben und Jerec erhob sich; das Gesicht seinem Meister zugewandt.
Palpatine sagte nichts, sondern setzte sich fast geräuschlos. Jerec blieb stehen, da der Imperator ihn nicht aufgefordert hatte Platz zu nehmen. Eine sehr dezente, aber unmissverständliche Klarstellung der Verhältnisse.
Der Dunkle Jedi schwieg ebenfalls. Er gab dem Droiden einen Wink. WD's Motoren surrten leise, als er seine Position einnahm. Eine kleine Luke unmittelbar unter dem Sensorauge öffnete sich und ließ an der gegenüber liegenden kahlen, mattweißen Wand Bilder lebendig werden. WD hatte, in der Dunkelheit verborgen, die Begegnung der beiden Jedi aufgezeichnet. Seine Kamerasensoren waren weder durch die Dunkelheit noch durch den unnatürlichen Nebel behindert worden, so dass der Imperator einen gestochen scharfen Film zu sehen bekam. Palpatine verfolgte interessiert die Geschehnisse und auf seinem Gesicht zeichnete sich allmählich eine ungeheure Zufriedenheit ab. Nicht mehr lange, so würde ihm ein weiterer mächtiger Diener zur Verfügung stehen. Und zwar einer, dessen völlige Ergebenheit außer Frage stehen würde, denn Palpatine gedachte den jungen Skywalker nach seinem Willen zu formen, bis er das perfekte Werkzeug war ..., das Werkzeug, welches das unrühmliche Ende der Jedi-Ritterschaft herbeiführen würde. Der Imperator schwelgte einige Augenblicke in großartigen Zukunftsvisionen, dann wandte er sich seinem blinden Diener zu.
"Ausgezeichnet, mein Freund", sagte er mit seidenweicher Stimme.
Das war das einzige Lob, mit dem er Jerec bedachte. Mit einem unheilvollen Unterton in der Stimme fuhr er fort: "Wir werden uns in Kürze mit einer ausgesprochen interessanten Entwicklung auseinander zu setzten haben!"
Jerec verneigte sich ehrerbietig und ein diabolisches Lächeln huschte über seine Lippen. Ja, es versprach außerordentlich interessant zu werden ...!


Dairyû 5/2000

Diese Geschichte kam mir nach der Lektüre von „Soldier for the empire“, „Rebel Agent“ und „Jedi Knight“ in den Sinn. Irgendwie entbehrt die Person Jerec nicht einer gewissen Faszination, wie ich finde. Er ist ein Dunkler Jedi, er ist blind, taucht plötzlich auf, war Thrawns Gönner und hat - wie es sich für einen richtigen SW-Schurken gehört - Charisma und einen unbändigen Hunger auf Macht. So einer Figur sollte man doch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken; zumal sie mir auch als Computer-Gegner zahlreiche zähe Kämpfe lieferte, wenn ich nicht geschummelt habe.