Stephanie Tallen

Der Schamane

Hi Leute, hier bin ich, Stephanie Tallen (19); vielleicht kennt ihr mich ja schon als Co-Autorin eines gewissen, nicht ganz ernstzunehmenden, Drehbuches zu unserer Lieblingsserie..., oder als Mitautorin der Kurzgeschichte "Abrahams Tor". Hier ist auf jeden Fall nun eine Geschichte, die ich alleine verfaßt habe, ich hoffe, sie gefällt euch. Die Idee zu der Story kam mir Anfang 1997 und in Worte gefaßt wurde sie dann im Sommer `97. Jetzt aber viel Spaß beim Lesen!

Disclaimer:

Alle Charaktere, auf die sich diese Story stützt, gehören zu Chris Carter, Fox Broadcasting, 1013 Production, G. Anderson, D. Duchovny etc. und werden hier ohne Erlaubnis verwendet.

Rating : PG (FSK 12)

Kommentare an Stephanie Tallen LacroixI@aol.com


DER SCHAMANE

(Eine Akte X-Kurzgeschichte von Stephanie Tallen)

KAPITEL 1


 

"Ich warne euch", beteuerte der alte Schamane mit eindringlicher Stimme, "es wird großes Unheil über euch hereinbrechen, wenn ihr hier bleibt. Der Zorn der Urahnen wird euch ereilen, früher ... oder später."

"Alter Mann," unterbrach ihn Ben Henley, der Anführer des weit gereisten Treks, "wir geben nichts auf Ihre alten Geistergeschichten. Ich versichere Ihnen, uns wird schon nichts geschehen." Diese Worte zogen ein zustimmendes Gemurmel seiner Leute nach sich. Ben wandte sich um und grinste ihnen voller Zuversicht zu. Alle waren entschlossen hier zu bleiben. Er wandte sich wieder dem Alten zu. "Seien Sie unbesorgt und kehren Sie zu Ihrem Stamm zurück."

Als das Stadtschild schließlich in den Boden gerammt wurde, wußte der alte Schamane, daß er hier nichts mehr tun konnte. Er hatte verloren. Traurig beobachtete er die nun beginnende Feier, wandte sich dann um und ging in Richtung Wüste. Als sich Ben kurz darauf nach ihm umblickte, war der alte Indianer verschwunden.

***

200 Jahre später, Washington, D. C., 1:12 Uhr.

"Wir werden die Erde besetzen und eurer jämmerlichen Existenz in diesem Universum ein Ende setzen...", rief der Alien-Kommandant mit bedrohlich echoverzerrter Stimme aus und lachte dann blechern. Der kleine Trupp bewaffneter Militärs wich erschrocken zurück, ehe sie dann schnell ihre Waffen in Anschlag nahmen.

"Wir werden nicht zulassen, daß ihr euer Vorhaben durchsetzen könnt! Ihr seid des Todes, hahaha!!!", rief der Kommandant des Trupps den gräßlichen Invasoren entgegen und eröffnete sodann das Feuer.

"Fahrt zur Hölle!", schrie nun auch Mulder und feuerte seine Dienstwaffe ab. Es ertönte nur ein metallisches Klicken, als der Bolzen vorschnellte. Das Magazin war leer. Mulder feuerte wie in Trance weiter. Plötzlich klingelte das Telefon. Entnervt griff Mulder zum Hörer. "Mulder", murmelte er kurz.

"Guten Abend, Mulder", flötete Scully in heiterem Ton. Ehe sie jedoch fortfahren konnte, fuhr Mulder dazwischen. "Scully, wissen Sie eigentlich, was Sie getan haben?! Sie haben die beste Szene des Films unterbrochen, die ganze Atmosphäre ist dahin!" Er seufzte. Am anderen Ende der Leitung konnte Scully sich das Lachen kaum noch verkneifen. Sie wußte, daß Mulder sich heute seiner beliebten Science-Fiction-Night verschrieben hatte.

"Mulder, ich wollte nur sichergehen, daß Sie sich nicht wieder so sehr in die Sache hineinsteigern... Sie wissen doch noch, was letztes Mal passiert ist...?"

"Keine Angst, Scully, ich weiß schon, was ich tue." Mulders Stimmung hatte sich wieder gehoben. "War das der einzige Grund, weshalb Sie angerufen haben?"

"Nein, ich wollte Ihnen zudem noch eine gute Nacht wünschen."

"Gute Nacht, Scully", und mit einem Lächeln fügte er hinzu: "Sie können froh sein, daß ich diesen Film schon seit Jahren auf Video habe!" Mit diesen Worten legte er grinsend auf.

***

Dichte Nebelschwaden verschleierten den Blick auf die breite Hauptstraße, die sich schnurgerade durch die nunmehr nicht mehr ganz so kleine Gründungsstadt zog. Seitdem die ersten Siedler das Stadtschild an diesem Ort einst in den unberührten Boden rammten, hatte sich die Stadt prächtig entfaltet. Die Einwohner bildeten auch heute noch eine große Familie und die Geschäfts- und Handelsbeziehungen nach außerhalb blühten. Doch heute lag ein Schatten über der kleinen Stadt. Ein Schatten, der die Stadt und ihre Einwohner zu verschlingen drohte. Besorgt blickte Denzel Houston nun an diesem Morgen die Hauptstraße entlang; der Nebel behinderte seine Sicht, doch er wußte, daß weit und breit niemand auf der Straße zugegen war. Nicht, seitdem diese furchtbaren Ereignisse dieses verschlafene Nest heimsuchten. "Mit dem Nebel kommt der Tod", sagte man sich hier, doch Sheriff Houston wollte diesem Humbug keinen Glauben schenken. Es mußte eine rationale Erklärung dieser Vorfälle geben, jemand war verantwortlich und Denzel wollte diesen jemand fassen, egal, ob es sich um einen Auswärtigen handelte oder um einen Ortsansässigen. Die unerklärlichen Todesfälle mußten aufgeklärt und gestoppt werden. Sheriff Houston seufzte und ging zurück in sein Amtszimmer. Schwer ließ er sich in seinen Stuhl fallen. Es vergingen einige Minuten ehe sich sein Blick klärte und er zum Telefonhörer griff. Entschlossen wählte er die Nummer, die ihm ein Bekannter eines Freundes gegeben hatte...

***

Als Scully am Morgen Mulders kleines Büro im Keller des FBI-Hauptquartiers betrat, fühlte sie die Präsenz des leibhaftigen Bösen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken und sie verharrte kurz in der Bewegung noch einen weiteren Schritt zu gehen und damit die Schwelle zu Mulders Büro endgültig zu übertreten. Doch dann bemerkte sie Mulders bösen Blick, der starr auf ihr haftete. Sofort überspielte sie ihr Zögern mit gekonnter Lässigkeit und begrüßte ihren Partner fröhlich: "Guten Morgen, Mulder. Haben Sie auch gut geschlafen?"

"Sehr witzig.", entgegnete er und die gewohnte Sanftheit kehrte in seine Augen zurück. "Sie können wirklich von Glück sagen, daß ich den Film bereits auf Video habe, ansonsten würden ich jetzt nicht so milde gestimmt sein..."

"Mulder, soll das etwa eine Drohung sein?", fragte Scully forsch und sah ihrem Partner erwartungsvoll ins Gesicht.

"Es ist lediglich eine kleine Warnung meinerseits", entgegnete ihr Mulder, "für das nächste Mal..."

"Na, wenn das so ist..." Scully sah sich im Raum um. "Also, wie lautet unser nächster Fall?"

"Was wissen Sie über Schamanen, Scully?", fragte Mulder.

Scully blickte sichtlich verwirrt. "Schamanen? Was bitte haben Schamanen mit unserem Fall zu tun?!"

"Warten Sie ab, Scully. Was wissen Sie über sie?", beharrte Mulder.

"Nun,", Scully ahnte bereits Schreckliches. Was war das nun wieder für ein abstruser Fall, den Mulder wieder ausgegraben hatte... "als Schamanen werden die Medizinmänner der Indianer bezeichnet. Sie sind zumeist sehr alt und haben einen reichen Erfahrungsschatz, was die Krankenheilung betrifft. Unter anderem werden ihnen übernatürliche Kräfte und Eigenschaften nachgesagt."

"Bravo, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht! Dann steht uns nun nichts mehr im Wege um unseren Fall in Angriff zu nehmen." Mit diesen Worten war er auch schon aufgesprungen und durch die Tür verschwunden.

"Warten Sie, Mulder!", rief ihm Scully hinterher, "Was für ein Fall?" Kopfschüttelnd folgte sie ihm hinaus auf den Flur zu den Fahrstuehlen.

"Kommen Sie, Scully.", rief ihr Mulder zu, während er die Fahrstuhltueren aufhielt. "Unser Flug geht in einer Stunde."

"Flug?", Scully war es nun endgültig genug. "Mulder, was für ein Flug? Wohin? Und woran arbeiten wir ueberhaupt gerade? Woran arbeiten Sie?" Scully schnaubte.

***

In der Ferne vernahm sie leises Trommeln. Sie hatte Angst. Dieser Nebel, er schien immer dichter zu werden, sie wußte nicht mehr, in welcher Richtung ihr Haus lag. Sie war wie von einem undurchdringlichen weißen Schleier umhüllt, der ihr keinen Ausweg gewährte. Langsam tastete sich Sally Edwards vorwärts. Schritt für Schritt. Sie spürte die sandige Straße unter ihren Sohlen, doch sehen konnte sie sie nicht. Ihre Haare, ihre Haut und ihre Kleidung, alles war von einem glänzenden Nässefilm umgeben; sie fror.

"Hallo?", fragte sie vorsichtig in den Nebel hinein. "Ist da jemand?"

Keine Antwort. Nur das leise Trommeln in der Ferne. Plötzlich huschte ein Flüstern wie ein Windzug an ihr vorüber. Sally stockte der Atem.

"H-hallo?", fragte sie erneut, doch wieder bekam sie keine Antwort. Da, wieder das Flüstern und Wispern. Es kam näher, wurde lauter und huschte an ihr vorüber, zurück in das weiße Nichts aus dem es gekommen war. "Wer ist da?", rief Sally nun etwas lauter und eine Spur Panik lag in ihrer Stimme. Plötzlich verstummten die Trommeln. Es war totenstill. Kein Wind regte sich, der Gesang der Grillen und Vögel war verstummt, kein Laut war zu hören. Reglos verharrte Sally auf der Stelle und sah angestrengt in den Nebel hinein. Mit einem Mal kehrte das Flüstern zurück und Sally sah in die Richtung aus der es kam. Etwas hatte sich verändert, ein dunkler Unterton lag in dem Flüstern und Sally bekam es nun endgültig mit der Angst zu tun. Sie wollte weglaufen, doch sie konnte nicht. Bewegungslos starrte sie weiter in den Nebel hinein und das Flüstern kam näher, wurde lauter, schwoll an zu einem einzigen schrillen Schrei, in welchem Sallys Schreie ungehört untergingen. Sally sah es auf sich zukommen, wollte fliehen, doch es war bereits zu spät. Das einzige, was ihr noch blieb, waren ihre Schreie. Sie schloss die Augen. Das Flüstern war überall...

ENDE KAPITEL 1


KAPITEL 2


 

"Ein Indianerfluch?" Scully war fassungslos. Das konnte doch nicht wirklich der Fall sein, an dem sie nun die nächste Zeit würde arbeiten müssen.

"Nun, das ist meine Theorie, Scully", meinte Mulder, "Die Fakten lassen in meinen Augen keinen anderen Schluß zu und die Vorgeschichte war auch mehr als hilfreich um mir zu dieser Theorie die nötigen Beweise zu liefern..."

"Vorgeschichte?", fragte Scully dazwischen.

"Ja, in meinen alten Unterlagen habe ich Material gefunden, daß fast 200 Jahre zurück reicht. Darin ist unter anderem festgehalten, daß schon zu Gründungszeiten der Stadt ein alter Indianer die ersten Siedler davor gewarnt haben soll an diesem Ort die Stadt zu errichten. Seitdem kursiert die Legende von den Geistern der Urahnen, welche sich irgendwann aus Zorn erheben und Rache üben werden an denen, die es wagten ihr geheiligtes Land zu entweihen."

"Das hört sich in meinen Ohren ziemlich theatralisch an, Mulder", konterte Scully, "Es wird sich schon noch eine angemessene Erklärung für die Vorfälle finden und ich werde dazu beitragen, alles logisch aufzudecken."

Mulder zuckte nur kurz mit den Schultern. Für ihn war die Sache bereits geklärt und er brannte darauf die Auslebung eines Jahrhunderte alten Fluches mit eigenen Augen zu sehen. Während Mulder sich seinen Phantasien ergab, schlug Scully erneut die Unterlagen auf, um sich schnell einen groben Überblick zu verschaffen. In den letzten Wochen hatte es in "New Home" mehrere Todesfälle gegeben. Alle waren bisher ungeklärt geblieben. Weder war die genaue Todesursache, noch der Tathergang bekannt. Es gab nicht einmal Verdächtige. Die Vorfälle schienen ein einziges Rätsel zu sein, doch Scully nahm sich vor, Licht in die Angelegenheit zu bringen. Es konnte nicht schwer sein, zumindest die Todesursachen festzustellen. Alles Weitere würde sich schon im Laufe der Ermittlungen ergeben...hoffte sie. Sie lehnte sich zurück und genoß den Rest des Fluges.

***

Die Stadt war in heller Aufruhr und Sheriff Houston hatte alle Hände damit zu tun, die Leute vor einer beginnenden Massenhysterie zu bewahren. "Leute, beruhigt euch!", rief er und hob beschwichtigend die Hände. Er stand vor seinem Sheriffdepartment und versuchte vergeblich, den Menschenauflauf zu zerstreuen, der sich vor seiner Amtsstube angesammelt hatte. Die Leute wollten Erklärungen, sie hatten Angst und waren gereizt.

"Wann unternehmen Sie endlich etwas gegen diese Morde?", kam es aus der Maße heraus.

"Ich arbeite bereits rund um die Uhr, Leute..."

"Das reicht aber nicht!", warf jemand dazwischen und sogleich stimmten die anderen in ein zustimmendes Geheul ein.

"Leute, Ruhe!", rief Houston nun und erhob seine Stimme, um die Leute zu übertönen, "Ich habe bereits Hilfe von außerhalb angefordert..."

"Und die ist soeben angekommen", warf ein Mann dazwischen.

Die Leute verstummten und blickten sich neugierig um. Auch Sheriff Houston blickte suchend über die Menge, da entdeckte er sie. Etwas abseits standen ein dunkelhaariger Mann und eine rothaarige Frau. Weder den einen noch die andere hatte Sheriff Houston je zuvor gesehen. Das mußten sie sein. Er winkte ihnen zu; sie sollten nähertreten.

"Leute, macht mal Platz!", rief er der Menge zu, die sich daraufhin gehorsam teilte und Scully und Mulder einen Weg zum Sheriff gewährte. Auf halbem Weg zückten sie ihre Ausweise.

"FBI-Agent Mulder und Scully", stellte Scully sich und ihren Partner routiniert vor.

"Was ist denn hier los?", fragte Mulder hingegen und ließ seinen Blick über den Menschenauflauf schweifen.

"Es hat einen weiteren Todesfall gegeben", erklärte Sheriff Houston, "Aber, kommen Sie doch bitter herein. Ich erkläre ihnen dann alles Weitere."

Im Inneren des Departments war die Luft klimatisiert und bot einen spürbaren Kontrast zu der staubig trockenen Luft draußen. Scully und Mulder setzten sich auf die Stühle, die Sheriff Houston ihnen anbot, nachdem sie sich begrüßt hatten.

"Also", begann Scully, "was haben Sie für uns?"

"Nun", begann Houston und räusperte sich. Es fiel ihm sichtlich schwer mit Außenstehenden über das Anliegen zu sprechen, für dessen Klärung er zuständig war. Doch es war sein Entschluß gewesen und er fuhr fort: "Seit einigen Wochen - um genau zu sein, seit dem 200-jährigen Jubiläum unserer Stadt - häufen sich hier merkwürdige Todesfälle und Ereignisse, die sich bisher nicht hinreichend aufklären ließen. Wir haben hier niemals Schwierigkeiten mit ähnlichen Vorfällen gehabt, selbst unsere Verbrechensrate ist verschwindend gering und eine Mordrate existierte bis vor wenigen Wochen so gut wie nicht. Ich kann mir das Ganze einfach nicht erklären..."

"Und da haben sie mich angerufen", folgerte Mulder.

Der Sheriff nickte stumm. "Der Freund eines Bekannten ist Sheriff in Cawker City und er gab mir Ihre Nummer. Er erzählte mir von dem Fall, den Sie vor knapp einem Jahr in seiner Stadt gelöst haben und da dachte ich mir, daß Sie mir nun vielleicht ebenfalls helfen könnten."

"Wir werden unser Bestes tun", versicherte Mulder, "Sie erwähnten neben den Todesfällen noch andere unerklärliche Ereignisse...?"

"Nun, ich weiß nicht, ob sie so unerklärlich sind, jedenfalls sind sie sehr ungewöhnlich. Zum einen gibt es hier von Zeit zu Zeit dichte Nebelbänke, in denen man die Hand vor Augen nicht sehen kann. Niemand wagt es dann, einen Schritt aus dem Haus zu tun...", Sheriff Houston zögerte kurz, ehe er fortfuhr, "Nun, man sagt sich hier mit dem Nebel käme der Tod." Scully wollte gerade Einspruch erheben, doch Houston ließ sich nicht unterbrechen. "Ich weiß, daß ist nur dummer Aberglaube, aber...vergleicht man die Todesfälle mit dem Auftreten einer solchen Nebelbank, dann haben die Leute recht; jedesmal, nachdem sich der Nebel wieder verzogen hatte, wurde eine weitere Leiche gefunden." Er zuckte ratlos die Achseln. "Aber, um noch auf weitere Ereignisse zu kommen, mir liegen mehrere Aussagen vor, in denen die Leute leise Trommelgeräusche gehört haben wollen, sowie unmenschliche Schreie und leises Flüstern und Wispern. Mir ist klar, daß sich dies alles für sie nach einer Massenhysterie anhören muß, aber ich bürge für meine Leute und vertraue ihnen."

"Das ist uns klar, Sheriff Houston", warf Scully ein, "Doch meinen Sie nicht, daß die Leute aufgrund der ungeklärten Todesfälle leicht zu Übertreibungen - ob nun bewußt oder unbewußt - neigen?"

Sheriff Houston seufze nur. "Ich weiß es wirklich nicht, Agent Scully."

"Könnten wir uns die Leichen ansehen?", fragte Mulder schnell, um auf ein anderes Thema zu kommen.

"Natürlich, kommen Sie mit.", meinte Houston und führte die beiden Agenten aus seinem Amtszimmer durch ein kleines Hinterzimmer hinein in eine relativ große Halle. Neun der in die Wände eingelassenen Kühlboxen waren geschlossen und Houston öffnete nun jede einzelne von ihnen.

"Für Ihre geringe Verbrechensrate sind Sie wirklich gut ausgestattet", bemerkte Mulder und sah sich um.

"Wir teilen uns diese Halle mit drei weiteren Städten in der Umgebung. Aber sie ist dennoch selten in Gebrauch. Doch nun..." Houston wies auf die Leichen. "Das sind die bisherigen Opfer, drei Frauen, sechs Männer. Das letzte Opfer war Sally Edwards", sagte Houston und zog die auf Rollen gelegene Bahre hervor. "Sie wurde auf offener Straße in diesem Zustand gefunden." Scully schlug das Leichentuch beiseite und blickte in das schreckensverzerrte Gesicht einer jungen Frau. Mund und Augen waren weit aufgerissen, es schien fast so, als steckte in der Kehle noch immer ein lautloser Schrei.

Scully schauderte. "Wurden die anderen Opfer obduziert?", fragte sie.

"Ja, aber es wurde nichts gefunden, was auf eine mögliche Todesursache hätte schließen können", antwortete Houston.

"Ich möchte an dieser Leiche selbst eine Autopsie vornehmen." Scully deutete auf das jüngste Opfer. "Ich brauche zudem die Berichte der anderen Autopsien und die Erlaubnis, selbst noch Untersuchungen an den anderen Opfern durchzuführen."

"Die Erlaubnis haben Sie", meinte Houston, "und die Berichte erhalten Sie so schnell wie möglich."

"Danke."

"Wollen sie gleich anfangen, Scully?", fragte Mulder. Scully nickte und tauschte bereits ihren Mantel gegen einen weißen Arztkittel. "Gut, ich sehe dann später wieder bei Ihnen vorbei und befrage währenddessen die Leute hier", meinte Mulder und wandte sich zum Gehen. Sheriff Houston folgte ihm.

***

"Was halten sie von der Theorie, daß es sich bei all diesen Vorfällen um die Erfüllung eine alten Indianerfluches handelt?", fragte Mulder, als er Scully außer Hörweite wußte.

Verdutzt blickte Houston Mulder an. "Wie kommen Sie auf so etwas?"

"Nun", entgegnete Mulder, "ich kenne die Vorgeschichte ihrer kleinen Stadt. Ich habe Dokumente, die bis zu 200 Jahre weit zurück reichen."

"Sie kennen also die Legende um die Gründung dieser Stadt., stellt Houston fest, "Nun, ich weiß nicht, wie hoch der Wahrheitsgehalt dieser Erzählung ist, Agent Mulder, aber meinen Sie nicht, daß es sich nicht doch um etwas anderes handelt?"

"Das versuchen wir herauszufinden, aber die Indizien würden meine Theorie bisher bekräftigen... aber nun zurück zur Beweissuche. Haben die Opfer irgendwelche Gemeinsamkeiten?"

Houston schüttelte den Kopf. "Keine Offensichtlichen zumindest", fügte er dann hinzu.

"Gab es denn irgendwelche Zeugen oder Anhaltspunkte von Seiten der Angehörigen? Ich brauche etwas um die Spur aufzunehmen."

"Zeugen sind mir bis jetzt noch immer keine bekannt und ich glaube, es gibt wirklich keine. Von den Angehörigen und Bekannten konnte ich auch nichts in Erfahrung bringen, daß uns in diesem Fall weiterhelfen könnte."

"Nun, vielleicht haben Sie nicht die richtigen Fragen gestellt, Sheriff", gab Mulder zu bedenken und grinste.

"Sie können es gerne noch einmal versuchen, Agent Mulder", gab Houston zurück. "Hierin finden Sie unter anderem auch die Adressen der Opfer", fügte er hinzu und übergab Mulder ein dünnes Aktenbündel, welches bei diesem Fall bisher zusammengekommen war. Mulder machte sich sodann auf den Weg.

ENDE KAPITEL 2


KAPITEL 3

Mit dem Ärmel ihres Kittels wischte sich Scully die Haare aus der Stirn. Die Autopsie war wirklich umfangreicher, als sie angenommen hatte. So sehr sie auch suchte, sie hatte beim besten Willen nichts finden können, was plausibel genug war, um eine Todesursache hätte sein zu können. Woran nur war diese Frau gestorben? Scully wußte es nicht. Den noch immer stark verkrampften Gliedmaßen und dem verzerrten Gesichtsausdruck zu urteilen, hätte sie auf Herzversagen getippt, doch selbst das war ausgeschlossen. Das Herz dieser Frau war gesünder als manch anderes und hatte keinesfalls versagt. Fieberhaft arbeitete Scully weiter. Sie suchte den Körper nach Nadeleinstichen ab, nahm verschiedene Blut- und Gewebsproben für spätere toxikologische Tests und unterzog sämtliche Organe nochmals einer eingehenden Untersuchung.

***

"Ja?", fragte der Mann, der nun in der geöffneten Tür stand und Mulder fragend anblickte. Er sah niedergeschlagen und erschöpft aus, als habe er die letzte Nacht kaum geschlafen. Mulder wußte, daß er sehr behutsam vorgehen mußte.

"Mr. Edwards?", fragte er sanft.

"Ja", gab dieser kurz zurück.

"Ich bin Special Agent Fox Mulder vom FBI", begann er und zeigte Mr. Edwards seinen Ausweis, "ich würde mich gerne mit ihnen über ihre Frau unterhalten..."

"Meine Frau ist tot", unterbrach ihn Edwards und Tränen standen in seinen Augen, "Ich habe Sheriff Houston bereits alles gesagt, was ich weiß."

"Mr. Edwards, ich brauche jeden Anhaltspunkt, den ich bekommen kann um diese Sache aufzuklären. Ich will ihnen helfen." Mulders Stimme war ruhig, doch sie war nicht ohne Eindringlichkeit. Traurig blickte Mr. Edwards Mulder an. Schließlich trat er einen Schritt beiseite und bedeutete Mulder einzutreten. Mr. Edward geleitete Mulder ins kleine Wohnzimmer und sie setzten sich. Erst jetzt bemerkte Mulder, daß sie nicht alleine waren. In einer Ecke des Zimmers vor dem Fenster saß noch eine alte Frau in einem Schaukelstuhl. Geistesabwesend blickte sie hinaus auf die Straße. Edwards hatte Mulders Blick bemerkt.

"Das ist Sallys Mutter", erklärte er. "Sie lebt seit drei Jahren bei uns im Haus. Ich glaube aber nicht, daß sie Ihnen mehr helfen kann als ich."

Mulder nickte kurz und richtete seine Aufmerksamkeit wieder dem Fall zu. "Mr. Edwards", begann er, "ich vermute, ihre Frau hatte keine Feinde und es gab auch sonst niemanden, der ihr Schaden hätte zufügen wollen?"

"Nein, aber das habe ich Sheriff Houston bereits alles gesagt."

"Ich weiß", bestätigte Mulder, "deshalb werde ich ihnen nun einige etwas andere Fragen stellen und ich möchte Sie bitten, sie so gut es geht zu beantworten."

Edwards blickte leicht verwirrt, doch nach kurzer Überlegung nickte er. "Also gut, stellen Sie Ihre Fragen, Agent Mulder."

"Nun", Mulder räusperte sich, "hat Ihre Frau in letzter Zeit von merkwürdigen Vorfällen berichtet? Hörte sie vielleicht Stimmen, Geflüster oder dergleichen?"

"Was ist denn das für eine Frage?", wollte Mr. Edwards wissen und in seiner Stimme lag Entrüstung. "Wollen Sie andeuten, meine Frau sei geistesgestört gewesen und starb an einer Wahnvorstellung?"

"Nein, nein", Mulder hob beschwichtigend die Hände. "Mr. Edwards, bitte beruhigen Sie sich doch. Ich verfolge lediglich meine Theorie, die ich zu diesem Fall habe und brauche nun entsprechende Anhaltspunkte. Bitte, würden Sie die Frage beantworten?"

"Ich weiß nichts von solchen Vorfällen.", meinte Edwards schließlich nach kurzem mißtrauischen Zögern.

"Ist Ihnen vielleicht etwas Ungewöhnliches aufgefallen?", hakte Mulder nach, "Vielleicht im Haus oder außerhalb? Irgendetwas?"

"Nein, nicht, daß ich wüßte."

"Nun, wenn das so ist, dann vielen Dank für ihre Hilfe, Mr. Edwards", Mulder stand auf. "Ich gebe Ihnen meine Karte für den Fall, daß Ihnen doch noch etwas einfällt..."

"Die Trommeln machten ihr Angst." Mulder wandte sich um. Die alte Frau hatte sich aus ihrem Schaukelstuhl erhoben und kam nun langsam auf die beiden Männer zu. Sie ergriff Mulders Arm. "Sie hörte sie."

Mulders Interesse war geweckt und er geleitete die Frau zum Sofa. "Bitte, Mrs. ..."

"Pearson.."

"Mrs. Pearson, bitte, was wissen Sie?", fragte Mulder und in seiner Stimme lag Aufregung. Der Jagdinstinkt hatte ihn gepackt.

***

"Scully, Scully!" Mulder stürmte in die Halle und stockte. Er zog eine Grimasse aufgrund des Geruchs und näherte sich dann langsam seiner noch immer emsig arbeitenden Partnerin.

Scully schaute kurz auf. "Haben Sie wenigstens etwas gefunden?", fragte sie resigniert.

"Sie offenbar nicht.", gab Mulder zurück.

Scully legte nur den Kopf schief und zuckte mit den Achseln. "Ich konnte nichts finden. Allerdings sind die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung noch nicht da, aber ich bezweifle, daß diese sehr viel aufschlußreicher sein werden als das hier." Sie deutete dabei auf die Leiche vor sich und den Stapel Untersuchungsberichte der anderen Opfer. "Ich habe mir selber noch einige der anderen Leichen angesehen, doch die Autopsien waren alle mehr als gründlich. Nichts."

"Nun, dann wird es Sie sicherlich freuen zu hören, daß ich derweilen auf etwas gestoßen bin." Mulder wedelte mit einigen Ausdrucken, die er gemacht hatte. "Wissen Sie, wo der Sheriff ist?"

"Vor knapp einer halben Stunde kam er hier herein und sagte, er müsse in einer anderen Angelegenheit noch etwas erledigen", antwortete Scully.

"Nun, dann erfährt er es später," Mulder begann, auf einem sauberen Sektionstisch seine Ausdrucke auszubreiten.

"Wo sind Sie denn gewesen, Mulder?" Scully beobachtete ihren Partner neugierig.

"Ich habe die Angehörigen der Opfer befragt und habe schließlich von Sally Edwards Mutter einige entscheidende Hinweise bekommen. Daraufhin habe ich im hiesigen Einwohnermeldeamt die Daten der Opfer durchforstet und siehe da..." er machte eine ausschweifende Handbewegung in Richtung der ausgebreiteten Papiere, "alle Opfer sind in direkter Linie Nachfahren der Ursiedler."

"Und?", fragte Scully, als Mulder dem nichts mehr hinzufügte.

Er schaute sie daraufhin erstaunt an. "Begreifen Sie denn nicht?", fragte er. "Der Fluch begrenzt sich scheinbar auf direkte Nachfahren der Ursiedler..."

"Mulder, nun fangen Sie nicht wieder mit ihrer Theorie über den Indianerfluch an.", stöhnte Scully. "Was genau haben Sie denn von Sally Edwards Mutter erfahren?", fragte sie dann skeptisch.

"Nun, ich fragte Mr. Edwards nach ungewöhnlichen Vorkommnissen und, als er sich an nichts erinnern konnte, erzählte sie mir von merkwürdigen Dingen."

"Und die wären?", fragte Scully dazwischen.

"Sie berichtete von Trommelgeräuschen, die Sally hörte, von Flüstergeräuschen und ähnlichen Dingen. Sie fürchtet, das der Fluch sich erfüllen würde und auch sie in Gefahr sei."

"Scheinbar wissen ziemlich viele Leute hier von diesem Fluch und nun versucht jemand ihn auf eigene Faust in Erfüllung zu setzen.", spekulierte Scully. "Ich werde selbst noch einmal mit den Angehörigen sprechen. Vielleicht werden dann weitere Gemeinsamkeiten sichtbar."

"Scully, Sheriff Houston hat von diesen Leuten nichts in Erfahrung bringen können und auch ich habe es heute zunächst auf die althergebrachte Ermittlungsmethode versucht, doch es hat sich wieder nichts ergeben. Es gibt keine weiteren Gemeinsamkeiten", dann fügte er hinzu, "Aber Sie können es gerne versuchen, Scully."

"Das werde ich!", sagte sie bestimmt.

"Sie glauben also nicht, daß an der Aussage von Mrs. Pearson etwas dran ist?"

Scully schüttelte den Kopf. "Mulder, diese Frau hat gerade ihre Tochter verloren, sie ist verwirrt und verzweifelt. Sie sucht nach einer Erklärung. Durch ihre suggestiven Fragen an Mr. Edwards bot sich ihr eine ideale Möglichkeit."

"Sie glauben also, die alte Frau hat das alles nur erfunden?"

"Ja, genau das denke ich, Mulder."

"Aber diese detaillierten Angaben?", gab Mulder zu bedenken, "Was ist mit der Spur, auf die sie mich brachte? Wieso hatte sie dann recht mit dem, was sie mir sagte?"

"Mulder..."

Doch er ließ sich nicht unterbrechen. "Das können doch keine Zufälle gewesen sein, Scully. Solche Zufälle gibt es nicht."

Scully seufzte, sie wußte, daß sie Mulder nicht würde überzeugen können. Mulder warf einen Blick auf seine Armbanduhr. "Es ist schon spät. Ich schlage vor, daß wir ins Hotel gehen und morgen früh gleich anfangen."

Scully nickte, dann zog sie die Stirn in Falten. "Hotel?"

"Ja, hier direkt in der Stadt.", gab Mulder zurück. "Ich habe mich vorhin darum gekümmert und zwei Zimmer reserviert." Gemeinsam verließen sie die Halle und das Sheriffdepartment, hinterließen Sheriff Houston eine Nachricht und machten sich auf den Weg zum Hotel.

ENDE KAPITEL 3


KAPITEL 4

Tiefe Dunkelheit lag über der kleinen Stadt. Der Himmel war sternklar und eine kühle Brise vertrieb die angestaute Hitze des Tages. Sie stand am Fenster und sah hinaus auf die menschenleere Straße, alles lag friedlich in den Armen der Nacht. Ein Lufthauch wehte durch das geöffnete Fenster und bauschte leicht die Gardinen auf. Gerade wandte sie sich ab und wollte zu Bett gehen, da hörte sie es. Sie drehte sich um und blickte zurück auf die Straße. Das Geräusch war noch da, doch die Ursache war nicht auszumachen. Es klang wie ein leises Flüstern, nahe und dann wieder weiter entfernt; es schien fast so, als würde es auf dem Wind reiten. Eine erneute Brise wehte ins kleine Zimmer und plötzlich war das Flüstern bei ihr. Hastig wandte sie sich um und blickte in die Dunkelheit des Zimmers hinein, doch außer den Konturen der Möbel war nichts zu erkennen. Vorsichtig tat sie zwei Schritte in die Mitte des Raumes. Das Flüstern umgab sie nun, drehte seine Bahnen mit dem Wind um sie und verschwand so plötzlich wie es gekommen war durch das offene Fenster. Verwirrt stand sie im Raum und versuchte das eben Erlebte zu verarbeiten, doch es fiel ihr schwer es einzuordnen. Langsam näherte sie sich wieder dem Fenster und schaute hinaus. Alles war wieder still und unberührt, so als wäre nichts gewesen. Hatte sie sich alles nur eingebildet? Sie schloß das Fenster und zog die Gardinen vor. Ihr Blick fiel auf die Digitalanzeige des Radioweckers und sie konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. Es war schon spät geworden und Scully ging nun endlich zu Bett.

Nebenan schlief Mulder und hatte einen seltsamen Traum. Er stand alleine in einer scheinbar endlosen Wüste, die Sonne brannte und weit und breit war nichts zu sehen außer Sand. Plötzlich stand ein alter Indianer vor ihm, er war wie aus dem Nichts aufgetaucht.

"Hüte dich vor den Urahnen. Ihre Geister sind bösartig", flüsterte er wie aus weiter Ferne.

"Können wir sie aufhalten?", fragte Mulder.

"Findet ihren Verbündeten und..." Ein lautes Krachen ließ Mulder aus dem Schlaf aufschrecken. Verwirrt sah er sich im Zimmer um, doch alles war ruhig nur das Rascheln der Gardinen war zu hören, die sich im Wind bewegten. Langsam, keinen Laut erzeugend erhob sich Mulder aus dem Bett und schlich zum Fenster. Durch einen Spalt der Gardinen spähte er hinunter auf die Straße. Nichts. Verwirrt sah er hinter sich in den Raum und wieder zurück auf die Straße, doch nirgends sah er etwas Ungewöhnliches. Mit Zeigefinger und Daumen rieb er sich die Augen, dann legte er sich zurück ins Bett. Sofort fiel er wieder in tiefen Schlaf.

***

Der nächste Morgen war klar und sonnig. Um acht Uhr früh trafen sich Scully und Mulder zum gemeinsamen Frühstück in einem kleinen Café gegenüber des Hotels. Gerade war Scully dabei eine Vorgehensweise in diesem Fall aufzustellen, als sie plötzlich abbrach.

"Mulder, hören Sie mir überhaupt zu?", fragte sie und sah ihren Partner erwartungsvoll an. Doch Mulder reagierte nicht auf ihre Frage und blickte weiterhin verträumt ins Nichts. "Mulder!" Scully wedelte mit einer Hand vor seinem Gesicht auf und ab. Mulder zuckte zusammen und sein Blick klärte sich.

"Hmm?... Entschuldigen Sie, was haben Sie gesagt?", fragte er dann leicht irritiert.

Scully legte ihren Kopf schief und zog eine Grimasse. "Mulder, was ist los? Was beschäftigt Sie?"

"Ach, es ist nichts... Nur..."

"Was "nur"?", hakte sie nach.

"Letzte Nacht im Hotel", fuhr Mulder fort. "Ich hatte da so einen merkwürdigen Traum, der mir gerade wieder eingefallen ist."

Scullys Stirn zog sich in Falten. "Ich hatte auch eine seltsame Begegnung", murmelte sie dann nach kurzem Zögern.

Mulder setzte sich auf und blickte seiner Partnerin interessiert ins Gesicht. "Erzählen Sie schon, Scully."

"Nun, es war eigentlich nichts Besonderes und vermutlich war es nur der Wind..."

"Was?", stocherte Mulder.

"Nun, es hörte sich an, als wäre da etwas Lebendiges in dem Wind, es flüsterte und war plötzlich in meinem Hotelzimmer."

"Ja, und weiter?"

"Nichts weiter. Dann verschwand es wieder durchs Fenster. Aber ich sage Ihnen Mulder, es war sicher nur der Wind oder Geräusche von der Straße."

Mulder nickte. "Vielleicht aber", begann er "war es genau das, was die Leute hier gehört haben wollen."

Scully nickte zustimmend. "Sie hörten alle nur ein Schauspiel des Windes. Nichts Ungewöhnliches also." Schließlich fuhr sie fort: "Worum ging es denn in Ihrem Traum, Mulder?"

"Genau weiß ich das selbst nicht. Ich weiß nur noch, daß ich mitten in der Wüste stand und ein alter Indianer plötzlich vor mir auftauchte. Er sagte, die Geister der Ahnen seien bösartig und man müsse sie aufhalten."

Scully hatte so etwas schon geahnt und seufzte. "Sagte er zufällig auch, wie wir sie aufhalten sollen?"

"Er sagte, wir müssen ihren Verbündeten finden. Dann bin ich aufgewacht von einem lauten Krachen", endete Mulder.

"Ich habe nichts gehört", meinte Scully.

"Ich konnte auch keine Ursache des Geräusches feststellen. Vermutlich gehörte es zu dem Traum, obwohl ich das eher für zweifelhaft halte."

"Und was meinen Sie, sollen wir jetzt unternehmen?", fragte Scully.

"Nun, finden wir den Verbündeten der alten Geister", schlug Mulder vor.

"Sie glauben doch nicht im Ernst, daß Ihr Traum mehr war als nur ein Spiel Ihrer Phantasie, Mulder?"

"Warum denn nicht? Ich kenne sehr viele Fälle, in denen Träume die Lösung zu Problemen beisteuerten. Vielleicht hat tatsächlich der alte Schamane von damals mit mir Kontakt aufgenommen um uns zu helfen", spekulierte Mulder.

Scully schüttelte entrüstet den Kopf. "Wir halten uns an konventionelle Ermittlungsmethoden, Mulder. Glauben Sie mir, dadurch kommen wir leichter zu einer plausiblen Erklärung dieser Vorfälle."

"Plausibel vielleicht", konterte Mulder, "Die Frage bleibt aber, ob diese Erklärungen dann auch wirklich den Tatsachen entsprechen."

Nachdem sie ihr Frühstück beendet hatten, machten sich Scully und Mulder auf den Weg zum Sheriffdepartment.

***

"Und Sie glauben wirklich, daß an der Sache mit dem Fluch etwas dran ist?", fragte Sheriff Houston ungläubig, nachdem er Mulders Bericht gehört und seine Ausdrucke eingehend begutachtet hatte.

"Nein", gab Scully mit bestimmtem Tonfall zurück.

"Ja", sagte Mulder im selben Moment. Leicht verwirrt blickte Houston zwischen den beiden Agenten hin und her.

"Nun, wie dem auch sei", sagte er dann, "wir werden jeder Spur nachgehen. Und so wie es aussieht, scheint das hier bisher die einzige zu sein."

Er wies auf die Ausdrucke der Abstammungsurkunden. Scully stöhnte innerlich, das konnte doch wohl nicht wahr sein! Mulder bemerkte ihren fassungslosen Blick.

"Scully, ich behaupte ja nicht, daß dies die einzige Lösung zu diesem Fall ist, aber sollte diese Theorie zutreffen, wären alle direkten Nachfahren in Gefahr. Nun haben wir endlich die Möglichkeit, überhaupt etwas zu tun, um diese Menschen zu retten."

"Vielleicht haben wir das, Mulder. Vielleicht." Und mit diesen Worten rauschte sie auch schon zur Tür heraus.

Die folgenden Stunden waren die drei nun damit beschäftigt sämtliche Daten der Bürger durchzugehen auf der Suche nach direkten Nachfahren der Ursiedler. Da die Daten nur auf Mikrofilm und nicht im Computer gespeichert waren, gab es eine Menge zu tun. Nach knapp drei Stunden hatten sie sämtliche Akten durchforstet und waren auf 64 Leute gestoßen, die direkte Nachfahren der ersten Siedler waren und auch heute noch in der Stadt wohnten.

"Nun, vierundsechzig Leute zu bewachen dürfte zu einem Problem werden", meinte Sheriff Houston auf dem Weg zu seinem Department.

"Es sei denn, sie wären alle an einem Ort versammelt", schlug Mulder vor, "Das dürfte die Angelegenheit ein wenig übersichtlicher gestalten."

"Die Stadthalle wäre groß genug", meinte Houston.

"Führen wir also ein paar Telefonate", meinte Scully.

"In Ordnung. Sie beide gehen in die Stadthalle, ich werde von meinem Büro aus telefonieren."

"Hier, die ersten zwanzig Namen", Mulder überreichte ihm den ersten Teil einer ausgedruckten Liste auf der Namen, Adressen als auch Telefonnummern angegeben waren.

"Ich komme zu ihnen, sobald ich fertig bin", und mit diesen Worten verabschiedete sich Houston von Scully und Mulder und lief in Richtung Sheriffdepartment.

Die Zeit drängte und niemand von ihnen konnte sagen, wie viel ihnen noch blieb, bis der nächste Mord sich ereignen würde. Scully und Mulder machten sich auf den Weg zur Stadthalle und arbeiteten ihre Listen durch.

ENDE KAPITEL 4


KAPITEL 5

Ein Rauschen erfüllte den Raum; ein Wispern und Flüstern. Es hüllte ihn ein, umnebelte seine Gedanken und seinen Verstand. Dann sah er sie vor sich: die Gesichter uralter Indianer. Eine gewaltige Flut von Emotionen ging von ihnen aus und sie fühlten alle dasselbe: Haß. Der Haß nahm ihn ein, verschlang ihn und machte ihn zu einem Teil seines Selbst. Langsam schritt er in die Mitte des Raumes und kniete nieder. Dann zog er den Teppich beiseite und nahm drei lose Bodendielen auf. Aus dem geheimen Versteck nahm er ein kleines Säckchen, das mit einem grünen Pulver gefüllt war. Er richtete die Dielen und den Teppich wieder her, erhob sich und verließ wie in Trance das Haus. Auf der Straße erschienen dichte Nebelschwaden wie aus dem Nichts um ihn herum. Zielstrebig setzte er seinen Weg fort. Er war zu einem Werkzeug uralten Hasses geworden und es gab nichts, daß ihn nun hätte aufhalten können.

***

Scully vertrat sich ein wenig die Beine und ging in der Halle auf und ab. Ein Großteil der Leute hatte sich schon eingefunden und stand und saß nun in kleinen Gruppen beisammen. Alle waren beunruhigt über die Ereignisse und über die Tatsache, daß sie als potentiell Gefährdete galten. Scully hatte ihren Teil der Liste nun fast geschafft. Mulder war schon vor einer Viertelstunde fertig gewesen. Sie ließ ihre Blicke durch den Raum gleiten. Schließlich entdeckte sie ihren Partner. Mulder saß in einer Ecke der großen Halle und hatte es sich bequem gemacht. Den Stuhl leicht zurückgelehnt, die Füße auf dem kleinen Tisch und das Kinn auf die Brust gelegt. Er schlief. Scully schüttelte den Kopf und grinste, bevor sie sich ihrem nächsten Anruf widmete.

***

Das Telefon klingelte. Richard Venton eilte zum Hörer.

"Ja?"

"Mr. Venton?", fragte eine Frauenstimme.

"Ja, der bin ich", bestätigte er.

"Richard Venton?", fragte die Frau weiter.

"Ja. Ich bin Richard Venton. Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?" Er war leicht verwirrt.

"Ich bin Agent Scully vom FBI", stellte sich Scully vor.

"Ach, Sie sind eine von den beiden Agenten, die Sheriff Houston angefordert hat?", fragte Mr. Venton dazwischen.

"Ja", bestätigte Scully und wollte fortfahren, doch Mr. Venton kam ihr zuvor. "Nun, das ist aufregend. Ich habe noch nie einen Anruf vom FBI bekommen. Was kann ich denn für Sie tun, Agent Scully? Ich werde doch hoffentlich nicht verdächtigt, oder?" Er lachte.

"Nein, nein, Mr. Venton, Sie werden nicht verdächtigt. Ganz im Gegenteil. Ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber möglicherweise befinden Sie sich in Lebensgefahr..."

"In Lebensgefahr? Ich? Das kann doch gar nicht sein. Ich glaube, Sie irren sich, Agent Scully."

"Mr. Venton, bitte kommen Sie umgehend in die Stadthalle, dort erfahren Sie und die anderen weitere Informationen." Mr. Venton schwieg. "Mr. Venton, sind Sie noch dran?"

"Ja, ich bin noch da. Und Sie meinen es wirklich ernst?" Besorgnis lag in seiner Stimme.

"Ich fürchte ja", entgegnete Scully. "Bitte kommen Sie sofort in die Stadthalle. Haben Sie das verstanden?"

***

"Finde den Verbündeten, mein Sohn. Finde ihn und beschütze ihn. Er..."

Mulder schreckte hoch. Wieder hatte ein lautes Krachen es verhindert, daß er diesen eigenartigen Traum zu Ende träumte. Und auch dieses Mal war keine Ursache für dieses Geräusch ausfindig zu machen. Irgendjemand oder irgendetwas wollte verhindern, daß er die Botschaft dieses Traumes in voller Gänze erfuhr. Aber wer oder was? Was war es, daß der alte Schamane ihm versuchte mitzuteilen? Mulder hatte auf keine dieser Fragen eine Antwort. Verwirrt blickte er sich um. Dann realisierte er, wo er war und konnte es nicht glauben, daß er tatsächlich eingeschlafen war. Schnell stand er auf und streckte sich und machte sich auf den Weg um Scully von dem Traum zu erzählen. Er entdeckte Sie am anderen Ende der Halle, sie war noch immer am Telefonieren. Langsam schlenderte er zu ihr herüber und kam an mehreren Fenstern vorbei. Wie gelähmt blieb er plötzlich stehen und wandte sich dann einem der Fenster zu. Draußen hatte bereits die Dämmerung eingesetzt, doch das war nicht alles, was er sah.

"Scully!"

Nun rannte er auf seine Partnerin zu. Scully blickte verwirrt auf.

"Einen Augenblick bitte, Mr. Venton", dann hielt sie eine Hand über die Sprechmuschel. "Was ist denn los, Mulder?"

"Sehen Sie, Scully. Sehen Sie aus dem Fenster!"

"Was denn?"

"Der Nebel. Es zieht eine Nebelwand auf."

"Mulder, Sie wollen sich doch nun nicht auch noch auf diesen alten Aberglauben stützen, oder?"

"Scully, jedesmal nachdem die Nebelbank sich wieder verzog, wurde eine weitere Leiche gefunden, vergessen Sie daß nicht", drängte Mulder.

Scully blickte ihrem Partner in die Augen, dann seufzte sie. "Schon gut, in Ordnung." Dann nahm sie die Hand wieder von der Muschel. "Mr. Venton, sind Sie noch dran? Bitte verlassen Sie nicht das Haus... Mr. Venton? Mr. Venton, was ist da los?" Mulder blickte auf. Scully überreichte ihm den Hörer. Mulder hörte die Schreie eines Mannes.

"Kommen Sie, Scully! Vielleicht ist es noch nicht zu spät!"

***

Er hatte seinen Auftrag für heute erfüllt. Das Haus war markiert und bot dem Unheil nun Einlaß. Die Geister begannen ihr grausiges Werk. Langsam wandte er sich um, der Nebel verschlang ihn und nahm ihn in sich auf.

***

"Der Nebel wird immer dichter", bemerkte Mulder, als die beiden durch die Straßen rannten, auf dem Weg zu Mr. Ventons Haus.

"Wie kann sich denn so schnell eine solche Nebelbank aufbauen, Mulder?"

"Ich habe keine Erklärung, Scully", keuchte Mulder und hastete weiter. Es fiel den beiden immer schwerer die Orientierung zu behalten.

"Hey, wer...?" Scully blickte in das Gesicht eines fremden Mannes, der plötzlich wie aus dem Nichts aus dem Nebel vor ihr aufgetaucht war.

"Scully, was ist los?", wollte Mulder wissen, nachdem er Scullys kurzen Ausruf gehört hatte.

"Warten Sie!", forderte sie den Mann auf, der sich von ihr abgewandt und langsam weitergegangen war.

"Was?", Mulder verstand kein Wort.

"Nicht Sie, Mulder! Der Mann."

"Welcher Mann?"

"Er... er stand plötzlich vor mir, aber jetzt ist er weg." Scully blickte sich suchend um, doch außer Nebel war nichts und niemand zu sehen. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. "Wir müssen weiter", sagte sie dann.

"Ich glaube, hier vorne ist es", meinte Mulder und lief auf ein Haus zu. Er drückte mehrmals auf die Klingel, doch niemand machte auf.

Plötzlich hörten sie einen weiteren Schrei, der definitiv aus diesem Haus kam. Mulder nahm Anlauf und trat mit einem kräftigen Tritt die Tür ein. Sofort stürmten die beiden durch die Wohnung.

"Mr. Venton? Wo sind Sie?"

"Hier ist das FBI!", rief Mulder.

"Mulder!", rief Scully plötzlich als Mulder gerade durch das Wohnzimmer in die Küche gehen wollte. Noch hatte er nichts gefunden, weder eine Spur eines Verbrechens, noch Mr. Venton selbst. Schnell lief er zu seiner Partnerin, die sich auf der hinteren Veranda befand. Ein Mann lag vor ihr am Boden, ähnlich zugerichtet wie all die Opfer zuvor.

"Mr. Venton?", fragte Mulder und blickte auf den Leichnam.

Scully nickte. "Vermutlich. Der Tod ist erst vor wenigen Minuten eingetreten. Wenn wir ein wenig früher gekommen wären..."

"Vielleicht, Scully, vielleicht. Aber das wissen wir nicht."

"Scheinbar hat er versucht zu fliehen und hätte es auch fast geschafft", vermutete Scully in Anbetracht der offenen Verandatür und der Lage der Leiche.

"Ich benachrichtige den Sheriff", meinte Mulder.

Eine halbe Stunde später war der Tatort abgeriegelt und die Spurensuche konnte beginnen.

"Da Mr. Venton mit Ihnen telefoniert hatte, als er angegriffen wurde, muß der Täter entweder schon im Haus gewesen sein, oder sich gewaltsam Zugang verschafft haben", schloß Sheriff Houston, nachdem er Scullys und Mulders Bericht gehört hatte.

"Vermutlich", stimmte Mulder zu, "andererseits..."

"Mulder", warf Scully warnend ein, "bitte keiner Geistergeschichten."

Mulder zuckte mit den Schultern und wandte sich um. Schweigend betrachtete er die Haustür. Einbruchspuren waren nicht zu entdecken, jedoch könnte er sie durch sein gewaltsames Eindringen unkenntlich gemacht haben. Gerade wollte er sich einem anderen Teil des Hauses zuwenden, als etwas seine Aufmerksamkeit erregte. Er kniete nieder und betrachtete eingehend die Türschwelle. Vorsichtig strich er mit dem Finger über das Holz. Feinste Stäubchen eines grünen Pulvers hafteten an seiner Fingerkuppe. Schnell zog er ein kleines Plastiktütchen aus seinem Jackett hervor und gab so viel wie möglich seines Fundes hinein. Vielleicht hatten sie jetzt DEN Hinweis gefunden, der ihnen zu ihren laufenden Ermittlungen noch gefehlt hatte.

"Was haben Sie gefunden, Mulder?", fragte Scully, die sich zu ihm gesellt hatte.

"Vielleicht nichts, vielleicht alles", antwortete Mulder geheimnisvoll und übergab ihr das kleine Tütchen mit dem grünen Pulver.

"Was ist das für ein Zeug?", fragte Scully, nachdem sie sich den Inhalt des Tütchens betrachtet hatte.

"Genau das möchte ich von Ihnen wissen, Scully", gab Mulder zurück. "Ich möchte, daß Sie das Zeug für mich analysieren."

ENDE KAPITEL 5


KAPITEL 6

Am nächsten Morgen machte sich Scully sofort daran, das Pulver zu analysieren, das Mulder am Tatort gefunden hatte. Während sie die mikroskopische Analyse vorbereitete, schilderte er ihr seinem Traum. Durch die gestrige Aufregung hatte er völlig vergessen ihr davon zu erzählen.

"Wir sollen ihn also beschützen?", Scully blickte ihren Partner ungläubig an, während sie eine kleine Probe des grünen Pulvers entnahm und auf einen Objektträger auftrug.

"Das war es, was der alte Indianer sagte", bestätigte Mulder.

"Mulder, falls es wirklich diesen Verbündeten geben sollte, dann müssen wir ihn verhaften und nicht beschützen. Diese Person ist Mittäter an diesen Morden und gehört hinter Gitter."

"Das ist mir klar", gab Mulder zu, "aber da war noch etwas , was der alte Indianer mir über ihn sagen wollte. Doch ich bin wieder aufgewacht."

Scully seufzte. "Mulder, Sie können nicht darauf warten, daß ein Traum diesen Fall aufklärt. Und überhaupt, wer sagt, daß an diesen Phantasien überhaupt etwas dran ist?" Sie gab einen Tropfen Wasser hinzu und fixierte alles durch ein Deckgläschen.

"Ich kann nicht beweisen, daß der Traum mehr ist als nur ein Traum", meinte Mulder, "doch sollten wir nicht vorsichtshalber jedem Hinweis nachgehen, Scully? Die Hinweise Mrs. Pearsons haben sich doch auch bewahrheitet; der Fluch - oder was auch immer - beschränkte sich auch diesmal auf einen Nachfahren der Ursiedler."

Scully sah durch ein Mikroskop und studierte eingehend die Probe des grünen Pulvers. Dann sah sie auf. "In Ordnung, Mulder. Da es auch hier keine Zeugen oder andere Hinweise als dieses Zeug hier gibt, versuchen wir diesen Verbündeten zu finden. Aber sollten wir...", sie stockte. Dann sah sie Mulder in die Augen. "Mulder, vielleicht gibt es diesmal doch einen Zeugen."

Mulders Miene hellte sich auf. Auch er wußte, wen Scully meinte. Scully beendete ihre Analyse des Pulvers, die nichts weiter ergab, als daß es sich dabei um eine Mischung aus verschiedenen Kräutern handelte, und machte sich dann mit ihrem Partner auf die Suche. Vielleicht konnte Sheriff Houston ihnen helfen.

***

"Nein, das ist er auch nicht", murmelte Scully und betrachtete beiläufig ein Bild eines Mannes, das gerade über den Computerbildschirm flackerte. Dank Sheriff Houston hatten die beiden Ermittler nun Zugang zu den Personaldateien der Einwohner. Glücklicherweise waren diese bereits digitalisiert und per Computer abrufbar.

"Sind Sie sicher, Scully? Es war schließlich dunkel und dank des Nebels war kaum die Hand vor Augen zu erkennen."

"Natürlich bin ich mir sicher, Mulder", gab sie zurück, "Er lief doch nahezu in mich hinein. Glauben Sie mir, ich weiß noch genau, wie das Gesicht des Mannes ausgesehen hat."

Mulder seufzte, dies war bereits die x-te Datei, die sie sich ansahen und noch immer hatten sie keine Spur gefunden, die sie zu diesem mysteriösen Mann führen konnte. Er drückte die Enter-Taste und das nächste Bild baute sich auf. Wieder nichts. Nach weiteren sechs Dateien setzte sich Scully plötzlich auf. Gerade vervollständigte sich ein Bild eines weiteren Mannes.

"Das ist er, Mulder! Das ist der Mann aus dem Nebel."

Schnell druckte Mulder die Daten des Mannes aus und sie machten sich auf den Weg. Hoffentlich gelang es ihnen diesmal, etwas Brauchbares herauszufinden.

***

"Hört mal her, Leute!", Sheriff Houston hatte sich in die Mitte der Stadthalle gestellt und war nun von dreiundsechzig Menschen umgeben, die nur vage Vorstellungen von dem hatten, was eigentlich vorging und warum ausgerechnet sie hier waren. Er mußte und wollte sie nun aufklären.

"Warum sind wir hier, Sheriff?"

"Wie lange soll das noch so weitergehen?"

"Was wissen Sie über den Tod von Bill Venton?" All diese Fragen und noch mehr kamen aus der Menge und Houston hatte Schwierigkeiten, die Leute zur Ruhe zu bewegen.

"Leute, ich werde auf all eure Fragen antworten, aber bitte alles der Reihe nach. Ich werde euch alles erklären. Zunächst einmal seid ihr hier, weil ihr offensichtlich in Lebensgefahr schwebt. Nach der Theorie des FBIs handelt es sich bei diesen Mordfällen um die Erfüllung des alten Indianerfluches."

"Sie meinen die Legende von damals?", kam es aus der Menge.

"Genau diese Legende meine ich", bestätigte Houston, "Es scheint tatsächlich so auszusehen, als würde sich diese Theorie bestätigen. Zwar wissen wir nicht, ob es nun tatsächlich der Fluch ist, der sich erfüllt, oder ob jemand ganz gewaltig nachhilft, aber das werden wir auch noch herausbekommen. Ihr werdet bis dahin hier bleiben, denn alle auf einem Haufen seid ihr sicherer als jeder alleine in seinem Haus. Ich werde den Großteil meiner Jungs hier abstellen und sollte einem von euch etwas Ungewöhnliches auffallen, meldet es bitte sofort." Sheriff Houston sah in die Runde. "Das wär's fürs erste, Leute. Wenn es keine Fragen gibt, gehe ich wieder an die Arbeit. Und ich sage euch, wenn uns unsere derzeitige Spur nicht in eine Sackgasse führt, sind wir sehr nah an der Lösung dran."

"Gehen Sie, Houston! Stoppen Sie die Morde!" Die Leute feuerten ihn an als er ging und das gab ihm die Hoffnung und das feste Vorhaben, diesen Fall nun endlich zu Ende zu führen.

***

"Kyle Simmons?", fragte Mulder den jungen Mann Mitte zwanzig, der ihnen die Tür öffnete.

"Ja. Was kann ich für Sie tun?"

"Wir sind vom FBI. Special Agent Fox Mulder und Dana Scully", stellte Mulder sie beide kurz vor.

"Dürfen wir kurz hereinkommen, Mr. Simmons?", fragte Scully. "Wir möchten ihnen nur ein paar Fragen stellen."

"Natürlich", erwiderte Kyle, "kommen Sie herein. Also, womit kann ich Ihnen helfen?", fragte er, nachdem sie sich gesetzt hatten.

Mulder und Scully tauschten kurz die Blicke, ehe Scully begann. "Wir würden gerne von ihnen wissen, wie sie zu den bisherigen Opfern gestanden haben. Kannten Sie sie oder haben Sie vielleicht sogar etwas gehört oder gesehen, das uns möglicherweise weiterhelfen könnte?"

"Gesehen und gehört habe ich nichts, aber ich kannte jeden von ihnen", antwortete Kyle. "Zwar kannte ich sie nicht alle persönlich, aber doch zumindest vom Sehen."

"Sind Sie sicher, daß sie nicht doch etwas gesehen haben?", hakte Scully nach, "Vielleicht zum Mord von Mr. Venton gestern?"

"Nein, wirklich nicht", bestätigte Kyle. "Ich habe nichts gesehen. Ansonsten wüßte Sheriff Houston doch auch schon längst davon."

"Wo waren Sie gestern gegen acht Uhr dreißig?", fragte Mulder unvermittelt dazwischen.

"Ich war...", Kyle stockte. Er zog die Stirn kraus. "Ich war...", begann er wieder, doch auch diesmal stockte er. "Ich... ich weiß es nicht mehr", gab er schließlich verstört zurück.

"Aber wie... das kann doch gar nicht sein!"

"Wissen Sie denn noch, was sie gemacht haben, als Sally Edwards ermordet wurde?", fragte Mulder.

Nach längerem überlegen schüttelte Kyle langsam den Kopf. Er war völlig verstört und realisierte gar nicht, daß er verdächtigt wurde und Mulder ihn nach und nach zu jedem Mordfall befragte. Als die beiden Ermittler das Haus wieder verließen, hinterließen sie einen völlig verstörten Mann, der zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, als zu begreifen, daß er nun zu den Hauptverdächtigten in diesem Fall galt, um nicht zu sagen zu dem einzigen Verdächtigen.

"Was halten Sie von der Sache, Mulder?", fragte Scully ihren Partner.

"Ich denke, er sagt die Wahrheit, Scully. Diese Verstörtheit ist nicht gespielt. Der Junge weiß scheinbar wirklich nicht, was er zu den jeweiligen Tatzeiten getan hat."

"Ich würde trotzdem vorschlagen ihn zu observieren", meinte Scully. "Man kann nie wissen, ob er uns nicht doch noch auf die richtige Spur führt." Mulder war einverstanden.

ENDE KAPITEL 6


KAPITEL 7

"Sheriff Houston?"

"Jimmy, komm' rein, was ist denn?", meint Houston und sah von seinen Akten auf. Nach seiner kleinen Aufklärungsarbeit in der Stadthalle war er zurück in sein Department gefahren und verschaffte sich einen Überblick über den derzeitigen Stand der Dinge. Vielleicht hatte sie ja doch etwas übersehen. Der Deputy trat ein und mit ihm eine Frau um die sechzig.

"Mrs. Jakobs, was machen Sie denn hier?", fragte Houston verdutzt. "Sollten Sie nicht bei den anderen in der Stadthalle sein?" Houston sah seinen Deputy fragend an.

"Sheriff Houston, Mrs. Jakobs bat mich, sie kurz nach Hause zu begleiten. Sie sagte, sie hätte etwas, das uns helfen könnte." Houston setzte sich auf. Das war interessant.

"Nun, Mrs. Jakobs, setzen sie sich. Also, was haben Sie für mich?"

"Nun, als ich gehört hatte, daß der alte Fluch für diese schrecklichen Morde verantwortlich sein soll, ist mir etwas eingefallen, daß ihnen helfen könnte." Sie öffnete ihre Handtasche und holte daraus ein kleines Stoffbeutelchen hervor. Sie übergab es Sheriff Houston. "Seit Generationen wird dies in unserer Familie weitergereicht. Es soll unserem ersten Vorfahren in dieser Stadt von eben dem alten Indianer übergeben worden sein, der damals die ersten Siedler davor gewarnt hatte, hier zu bauen." Langsam öffnete Houston das Säckchen. Es enthielt ein rotes Pulver.

"Wozu soll das gut sein?", fragte er.

"Es soll vor den Geistern schützen", antwortete Mrs. Jakobs. "Man soll es einfach über den streuen, der den Geistern am nächsten ist."

"Was meinen Sie denn mit "den Geistern am nächsten"?", fragte Houston verwirrt.

Mrs. Jakobs zuckte mit den Schultern und schüttelte bedauerlich den Kopf. "Ich weiß es auch nicht, Sheriff Houston, es tut mir leid. Alles, was ich ihnen sagen kann, ist das, was mir erzählt wurde."

"Ist schon in Ordnung, Mrs. Jakobs", meinte Houston dann, "vielen Dank für alles. Bitte lassen Sie sich nun aber von Jimmy wieder in die Stadthalle begleiten. Ich halte Sie und die anderen über alles auf dem Laufenden."

Nachdem er wieder alleine in seinem Büro saß betrachtete Sheriff Houston das kleine Beutelchen in seiner Hand. Vielleicht war an diesen alten Legenden ja doch etwas Wahres dran. Er stand auf und machte sich auf den Weg zu Mulder und Scully.

***

"Das sieht genauso aus wie das grüne Pulver von gestern Abend", bemerkte Scully. "Und Sie sind sicher, daß wir es einfach nur über irgendjemanden streuen müssen?"

"Das war es, was Mrs. Jakobs mir sagte", bestätigte Houston, nachdem er Scully und Mulder das Säckchen mit dem roten Pulver übergeben hatte.

"Und sagte sie auch, wem wir es überstreuen sollen?", fragte Scully weiter.

"Sie sagte, man müsse es über den streuen, der den Geistern am nächsten ist."

"Den Geistern am nächsten?", fragte Mulder dazwischen.

"Genau das habe ich sie auch gefragt, aber so drückte sie sich aus", Houston zuckte die Schultern.

"Nun, dann werden wir mit der Überwachung von Kyles Haus fortfahren. Vielleicht führt er uns ja zu dem oder denjenigen, die für all das die Verantwortung tragen", meinte Scully.

Houston nickte und wandte sich zum Gehen. "Wenn Sie mich brauchen, ich bin entweder in meinem Büro oder in der Stadthalle."

"In Ordnung, Sheriff", meinte Mulder. "Hey, Scully", wandte er sich dann seiner Partnerin zu, "was halten sie von der Theorie, daß es sich bei dem, der den Geistern am nächsten ist, um den Verbündeten handelt? Das wäre doch praktisch."

Scully seufzte, sie hatte langsam wirklich genug von diesen abstrusen Ideen und Theorien ihres Partners. "Ja, Mulder, wirklich sehr praktisch. Jetzt müssen wir Ihren Verbündeten nur noch finden und der Fall ist gelöst."

Mulder grinste. Seit fast zwei Stunden saßen sie nun schon hier in einem Zimmer eines Hauses, das den perfekten Ausblick auf das Haus ihres Verdächtigen bot. Doch bisher hatte sich nichts gerührt. Plötzlich setzte Mulder sich auf.

"Scully, er verläßt das Haus!"

Sofort eilten beide aus dem Haus, vorbei an den verdutzten Eigentümern, auf die Straße. Kyle war erst wenige Schritte von seiner Haustüre entfernt und schritt langsam die Straße hinunter. Die beiden Ermittler liefen zu ihm.

"Kyle, bleiben sie stehen, wo wollen Sie hin."

Doch Kyle reagierte nicht. Wie in Trance mit starrer Haltung und reglosem Ausdruck in den Augen und dem Gesicht setzte er weiterhin einen Fuß vor den anderen und ließ sich weder von Scully noch von Mulder aufhalten, die sich ihm in den Weg stellten.

"Er wirkt wie hypnotisiert", bemerkte Scully ratlos.

Mulder nickte. Er hatte inzwischen seine eigene Vorstellung von dem, was hier soeben geschah. "Es scheint so, als hätten die Geister Besitz von ihm ergriffen, Scully. Vielleicht ist er das Werkzeug, durch das sie wirken."

"Sie meinen, er führt die Morde im Namen der Geister durch? Mulder, das glauben Sie doch nicht wirklich?"

"Kommen Sie Scully, wir werden sehen", meinte Mulder und folgte Kyle, der weiterhin unbeirrt seines Weges ging. Scully folgte ihrem Partner, auch sie war neugierig, wohin Kyle sie führen würde, doch die Theorien ihres Partners teilte sie keinesfalls.

"Mulder!"

Er sah sich nach ihr um. "Was ist denn, Scully?"

"Sehen Sie nur, Mulder", und sie deutete in eine Richtung, die Mulder mit den Augen verfolgte. Nebel zog auf. "Mulder, was hat das alles zu bedeuten?", fragte Scully. Langsam bekam die Angelegenheit einen höchst unheimlichen Charakter.

"Kommen Sie", meinte dieser nur, "wir dürfen ihn nicht verlieren."

"Mulder, er scheint in Richtung Stadthalle zu gehen", bemerkte Scully nach einigen Minuten.

"Genau das habe ich eben auch gedacht, Scully", meinte Mulder. Und tatsächlich, nach einigen weiteren Minuten erreichte Kyle die Stadthalle und machte vor ihr Halt. Der Nebel war schon sehr dicht geworden.

"Hören Sie das, Scully?", fragte Mulder plötzlich.

"Sind das Trommeln?", fragte Scully.

"Es hört sich wirklich wie fernes Trommelgeräusch an", bestätigte auch Mulder. "Bleiben Sie zurück!", rief Mulder den Deputies zu, die Kyle bemerkt hatten und ihn aufhalten wollten. Zögernd zogen sie sich wieder zurück. Kyle schritt währenddessen bis zum Eingang der Stadthalle und kniete nieder. Langsam holte er das Stoffsäckchen aus seiner Hosentasche hervor und bestreute die Türschwelle mit grünem Pulver.

"Sehen Sie nur, Mulder", raunte Scully ihrem Partner zu.

"Er ist der Verbündete!", erwiderte dieser.

"Da könnten Sie recht haben", meinte Scully. "Dann ist es jetzt wohl an der Zeit, das Pulver anzuwenden." Vorsichtig näherte sich Scully dem Knieenden und streute dann eine Handvoll des roten Pulvers über ihn.

***

Wie von einer gigantischen Druckwelle wurde Scully fortgeschleudert und mit ihr der entstandene Nebel.

"Scully!", rief Mulder und rannte zu seiner Partnerin, die nun benommen am Boden lag. "Ist alles in Ordnung? Sind sie verletzt?"

"Nein, nein, alles in Ordnung, mir geht es gut. Aber, was ... was war das?"

"Ich weiß es nicht", gestand Mulder, "die Geister versuchen scheinbar uns davon abzuhalten."

"Mulder, ...", begann Scully und wollte Einwand erheben gegen diese Theorie, doch sie kam nicht dazu. Plötzlich lief Kyle in die Mitte der Straße und schlug wild um sich. Er schrie: "Was ist das? Helft mir!" Eine rote Wolke drehte sich um ihn, nebelte ihn ein.

"Sehen Sie, Scully, das Pulver scheint zu wirken", staunte Mulder.

Scully war sprachlos. Wie war so etwas nur möglich? Von irgendwo her ertönten Trommelgeräusche. Nun erfüllte ein Rauschen die Luft und leise Indianergesänge waren zu hören. Kyle war vor Erschöpfung zusammengebrochen und kniete nun auf der Straße, noch immer umhüllte von der roten Wolke. Plötzlich faßte er sich an die Schläfen und riß die Augen auf. Ein rasender Schmerz durchfuhr ihn und er schrie aus vollem Leibe. Ein Schwall grünen Nebels stieg plötzlich aus seinem Mund hervor und schoß in die Höhe. Kyle sackte erschöpft in sich zusammen. Die rote Wolke verließ ihn, verfolgte den grünen Nebel, fing ihn ein und umhüllte ihn vollständig. Die Trommeln verstummten, während der Gesang der Indianer zunahm. Dann schien die Wolke lautlos zu explodieren und die Partikel stoben nach allen Seiten auseinander und verloren sich in der endlosen Weite des Himmels. Es war vorbei.

ENDE 

 

Copyright © 1997 Stephanie Tallen

 


Stephanie Tallen   LacroixI@aol.com