SCHATTEN
von Bimo

 

Aus dem Flur fällt ein Lichtkegel in dein Zimmer. Du schläfst bereits. Ein kleines, kissenumklammerndes Knäuel, in einem riesigen Bett, ausgerichtet auf die Körpermaße eines Erwachsenen. Nur dein Haarschopf lugt unter der Decke hervor.

Ich hatte so sehr gehofft, du würdest noch wach sein, Anakin.

Wer immer dieses Quartier für unseren Aufenthalt vorbereitet hat, war freundlich genug, die Schränke über der Kochnische mit Vorräten auszustatten. Also durchsuchte ich jedes Regal, bis ich etwas fand, das mir passend erschien. Milch und ein fremdes Gebäck mit würzig-süßem Geruch. Auf eine seltsame Weise tröstlich.

Der Teller und die Tasse in meinen Händen waren als Wiedergutmachung gedacht. Dass unser erster Abend auf dieser Welt in Streit endete, wollte ich nicht. Ich bemerkte bloß, wie du draußen auf dem Balkon vor Kälte zittertest. Du sahst müde aus, und unterkühlt. Die mehrmalige Aufforderung, mir endlich zurück ins Warme zu folgen, geschah weder, um dich Gehorsam zu lehren, noch als Strafe. In meiner Besorgnis erkannte ich zu spät, dass dein Starren, hinaus in den Nachthimmel, einen Grund hatte. Heimweh. Sehnsucht nach deiner Mutter.

Wo soll ich die Grenze ziehen, zwischen Anakin Skywalker, dem hochbegabten Padawan, und Anakin Skywalker, dem neunjährigen Jungen?

Uns trennen voneinander nur wenige Schritte, räumlich gesehen. Ich könnte an dein Bett treten, dich vorsichtig anstupsen  und deinen Namen flüstern. Doch wenn ich dich jetzt noch aufweckte, nähmst du mir das sicher genauso übel, wie die Tatsache, dass ich meine gesamte Autorität in die Waagschale warf, nur um mich durchzusetzen. Der bessere Weg, der, den Qui-Gon eingeschlagen hätte, kam mir zwar in den Sinn, doch ich brachte ihn einfach nicht fertig. Dabei wäre es so einfach gewesen, so simpel. Die eigene Robe um deine Schultern breiten. Spüren, wie meine Körperwärme unter dem Schutz des dichten, festgewebten Stoffes auf dich abfärbt. Dir  gut zureden, bis Zittern und Einsamkeit allmählich verebben. Du frierst ja, Padawan. Na komm…

 Ich bin noch nicht so weit. Nähe gehört nicht zu meinen Stärken.

Glaub mir, am liebsten möchte ich weinen, aus Verzweiflung über meine eigene Unzulänglichkeit, aber ich darf nicht. Nach dem Chaos der letzten Wochen brauchst du Ruhe und Stabilität. Keinen Meister, der seinen Kummer nicht zurückhalten kann, bis er endlich aus deinem Zimmer ist.

 Qui-Gon fehlt mir.

Abgesehen von der nährenden, allumströmenden Macht, besteht für einen Jedi kein engeres, Band, als das zwischen Meister und Padawan. Es ist die intensivste, einzigartigste Beziehung unseres Lebens. Wir erwählen uns gegenseitig, eine Hälfte komplettiert die andere, prägt und bestimmt, wer wir sind, lässt uns lernen und wachsen. Von einander. An einander.

Du hingegen, bist mein Versprechen an einen Toten. Ich hoffe jeden Tag aufs Neue, ich könnte mich irren, aber das trotzig-unsichere Flackern in deinen Augen verrät dich, Anakin. Du kennst die Wahrheit nur zu gut. Diejenige, die wir nicht auszusprechen wagen, weil sie bereits im Stillen zu grausam ist. Wäre Qui-Gon noch unter uns, so würdigteich dich kaum eines Blickes. Aber die Asche meines Lehrers ist verstreut in den Winden und Flüssen Naboos. Als er starb, hielt ich ihn in meinen Armen. Seine letzten Gedanken galten dir. Du bist Qui-Gons Vermächtnis und zugleich meine Prüfung.

Ich war nicht auf dich vorbereitet.  Wenn ich davon träumte, später, nach Jahren der Wanderschaft, selbst einmal Schüler zu haben, so richteten meine Gedanken sich nie auf ein einzelnes Individuum. Ich sah mich stets in der Tempel-Krippe, umringt von einer ganzen Schar Kinder. Ich erzählte ihnen von der Größe und Schönheit der Macht, begleitete sie behutsam bei ihren ersten, vorsichtigen Meditationen.

So etwas zu tun, erfordert eine andere, ideellere Form von Liebe, die wesentlich leichter zu mir zu kommen scheint, als alles, was du von mir verlangst, Ani.

Ich kann nur vertrauen, dass wir mit der Zeit unseren eigenen Weg finden.

Ob es eine gute Idee wäre, wenigstens den Teller mit Gebäck auf deinen Nachttisch zu stellen? Die Milch wirdsich nicht halten. Aber Morgen früh, wenn du aufwachst, würdest du ihn sehen, und wissen, dass ich an dich gedacht habe. Oh Padawan, bitte verzeih.