Schwarze Seele

von Frederic Weymann und Stephanie Tallen

 

Disclaimer: Mulder und Scully und alle andere Charaktere aus Akte X gehören uns nicht. Die Rechte liegen bei Chris Carter, Fox Broadcasting und 1013 Productions. Mit dieser Geschichte ist aber keine Copyrightverletzung beabsichtigt.

Feedback bitte an die Liste, an mich <Frederic.Weymann@t-online.de> oder an Stephanie <LucienLacroixI@aol.com>.

 

 

Kapitel 1

Gemächlich schlenderte Alec Jones über den kleinen Jahrmarkt, der gestern in San Telbat haltgemacht hatte. Hin und wieder riß er ein kleines Stück von seiner Zuckerwatte ab und ließ es langsam in seinem Mund zergehen. Sein Blick streifte über die vielen kleinen Stände auf der Suche nach etwas Interessantem. Plötzlich erweckte ein abseits gelegener Stand, dessen Besitzerin kultische Figuren und Statuen anbot, seine Aufmerksamkeit. Zielstrebig ging er auf ihn zu. Eines der angebotenen Stücke übte einen besonderen Reiz auf ihn aus: Eine fast lebensgroße Holzfigur, die ein Amulett um den Hals trug. Mit einem Finger strich er über das konturlose Gesicht und berührte die vor der Brust gekreuzten Arme.

"Wunderschön, nicht wahr?" Erschrocken wandte sich Alec um und blickte in das von der Zeit gezeichnete Gesicht der Verkäuferin.

"Da muß ich Ihnen recht geben. Sie ist wirklich ein Meisterwerk."

Mit seiner Hand fuhr er weiter an der Statue herab und nahm das Amulett in die Hand, um es von allen Seiten zu betrachten. "Woher stammt sie? Europa?"

"Sie kommt aus dem Schwarzwald. Dort wurde sie vor über fünfhundert Jahren von einem unbekannten Künstler angefertigt."

Völlig gebannt konnte Alec seinen Blick nicht von der Statue lösen. Ohne die Frau anzusehen, fragte er sie: "Das Design ist für die Region und Epoche ungewöhnlich. Sind Sie sich des Ursprungs wirklich sicher?"

Die Alte blickte ihn mit einem geheimnisvollen Blick tief in die Augen. "Aber natürlich bin ich mir sicher. Werfen Sie doch mal einen genaueren Blick auf das Amulett."

Sie strich sehnsüchtig über den Anhänger. Alec tat wie ihm geheißen. Das Amulett bestand aus einem dunklen Stein und war etwa handtellergroß. Seine Form war ein perfekter Kreis und im Zentrum, umrandet von filigranen Runen, war ein marinblauer Edelstein eingelaßen. Mißtrauisch sah er die Verkäuferin an. "Das Amulett ist der Statue lediglich umgehängt, selbst wenn es dort her stammt, woher sie sagten, beweist das noch nicht, daß auch die Statue diesen Ursprung hat. Aber sie gefällt mir so gut, daß ich sie trotzdem nehme. Wenn der Preis stimmt."

Nach kurzer Diskussion konnten sich beide einigen.

"Jetzt muß ich nur noch einen Weg finden, die Figur nach Hause zu transportieren."

"Kein Problem, die Statue ist aus reinem Balsaholz gefertigt. Man sieht es ihr vielleicht nicht an, aber sie ist unglaublich leicht." Nach einem kurzen Blick auf diese fügte sie hinzu: "Hängen Sie sich das Amulett lieber um, sonst verlieren Sie es noch..." Erwartungsvoll beobachtete Sie ihn. Den leicht verschlagenen Blick in ihren Augen bemerkte er nicht.

Behutsam nahm er das Amulett an sich und betrachtete es. Ungewöhnlich leicht lag es in seiner Hand, kaum spürbar, dennoch ging eine starke Präsenz von ihm aus. Er legte es sich um den Hals. Das Amulett blitzte kurz auf. Plötzlich versteifte sich Alec, sein Blick verlor jede Wärme und Gutmütigkeit, wurde kalt und hart. Er blickte um sich und an sich herab, als wäre er nach langer Abwesenheit wieder zu sich gekommen. Ein Blick auf den Boden ließ einen diabolischen Ausdruck über sein Gesicht huschen. Sein Schatten zeigte das Abbild einer behörnten, buckligen Kreatur. Ein kalter Windhauch umspielte kurz seinen Körper und verflüchtigte sich wieder. Er blickte auf zum Himmel.

Verzückt beobachtete die alte Verkäuferin, wie schwarze Wolken unvermittelt aufzogen, die Sonne verdunkelten und seinen Schatten verbargen. Vögel flogen kreischend davon und sie genoß den kurzen Hauch eines beißenden Schwefelgeruchs, der plötzlich in der Luft lag.

"Willkommen zurück", flüsterte sie in freudiger Verzückung und sah dabei Jones tief in die Augen, kaltes Feuer brannte in ihnen. Ein eisiges Lächeln umspielte seine Lippen.

"Es ist schön, wieder da zu sein."

**********

Mit eiligen Schritten eilte Mulder in das kleine Büro im Keller des FBI Hauptquartiers. "Scully, haben Sie gestern diesen Wahnsinnsfilm gesehen?"

Die Angesprochene, die seit langem einmal als erste ins Büro gekommen war, lächelte ihm erstaunt zu. "Aber natürlich habe ich ihn gesehen. So ein Fernsehereignis verpaßt man doch nicht. Welche Szene fanden Sie denn am besten?"

"Das ist doch wohl klar, Scully! Das beste am ganzen Film war natürlich die Stelle, an der die 80-jährige gerade im Beichtstuhl von ihren erdachten sündigen Gedanken erzählte und sich dann auf einmal die Pforten der Hölle unter ihr auftaten."

Völlig verstört antwortete Scully: "Wie bitte?"

"Na, 'Beichtstuhl der Verdammnis', der Film gestern!"

"Beichtstuhl der... WAS?!"

"...der Verdammnis, natürlich! Sie haben den Film gesehen und wissen nicht einmal, wie er hieß? Ich bin übrigens erstaunt, daß Sie sich als gläubige Christin SO einen Film überhaupt anschauen."

"Aber Mulder, ich habe DIESEN Film nicht gesehen!"

"Nicht? Wie schade. Welchen Film meinten Sie denn gerade?"

"Na, 'Frohlocket Ihr Christen' natürlich!"

Mulders Augen weiteten sich. "Das meinen Sie jetzt nicht ernst..." Sein Blick fiel auf das breite Grinsen von Scully.

"Jetzt wissen Sie einmal, wie ich mich jeden Tag mit Ihnen fühle."

**********

"Und damit ist meine Vorlesung für heute beendet. Bitte arbeiten Sie das heute besprochene Thema noch einmal zu Hause durch und holen sie weitere Informationen ein. Ansonsten noch viel Spaß heute." Mit einem Lächeln auf dem Gesicht packte Alec seine Unterlagen ein und eilte dann aus dem Vorlesungssaal. Seine Mission konnte beginnen.

Er winkte noch seiner Kollegin zu und stieg in seinen Wagen. Alec ließ den Motor an und fuhr los. Er kannte seinen Bestimmungsort und wußte genau, wohin er nun fahren mußte. Als er sein Ziel erreicht hatte, stellte er den Motor ab und verließ den Wagen. Kurz blickte er an der Fassade des alten Gemäuers empor. Die Kirche war schon alt, doch sie hatte noch immer nichts ihrer Anziehungskraft eingebüßt, die sie offensichtlich auf ihre Anhänger ausübte. Alec schüttelte den Kopf und betrat das Gotteshaus. Die anwesende Aura war stark und erregte leichte Übelkeit in ihm. Jeder Schritt, der ihn weiter ins Innere dieser Mauern führte, fiel ihm schwerer, doch er hatte eine Mission.

Auf dem Mittelgang begegnete ihm eine Schwester des hiesigen Ordens, der er mit aufgesetzter Freundlichkeit zulächelte. Sie erwiderte sein Lächeln. Zielstrebig ging er auf den Beichtstuhl zu und setzte sich in die kleine Kammer. Wenige Augenblicke später wurde das Sichtfenster beiseite geschoben; der Priester war nun da. Schnell verließ Jones seinen Teil des Beichtstuhls und betrat statt dessen den des Beichtvaters. Ehe dieser etwas unternehmen konnte, legte Jones ihm eine Hand auf die Schulter und sah ihm tief in die Augen. Der Priester versuchte vergeblich seinen Blick abzuwenden, doch die bodenlosen schwarzen Augen des Mannes über ihm hielten ihn in einem Bann, dem er sich nicht entziehen konnte. Jones' Blick wurde immer intensiver, er zitterte, seine Augen weiteten sich, die Nasenflügel bebten. Er blickte in das schreckensverzerrte Gesicht des Priesters, fühlte die Angst und das Entsetzen.

 

Kapitel 2

Wenig später beendete eine alte Frau ihr halbstündiges Gebet. Sie kam jeden Nachmittag, um Gott nahe zu sein und neue Kraft im Gespräch mit dem Allmächtigen zu finden. Sie erhob sich aus ihrer knienden Position in der ersten Sitzreihe und blickte noch einmal den großen Kruzifix hinter dem Altar empor. Auf einmal fiel ihr Blick auf das Gesicht Jesu.

Es hatte sich verändert. Die alte Frau war sich nicht sicher, was genau es war, aber auf irgendeine Weise ging von der Figur ein Gefühl der Gefahr aus, als wollte der Sohn Gottes sie vor etwas warnen. Stark beunruhigt wandte sich die Frau ab und ging rasch auf den Beichtstuhl zu, um sich von ihren Sünden reinwaschen zu lassen, damit sie in der harten Prüfung, die zweifelsohne bald kommen würde, auf Gottes Unterstützung zählen konnte. Das Sichtfenster war noch beiseite geschoben. Sie erkannte die Umrisse von Pater Jarods auf der anderen Seite und begann deshalb sofort zu sprechen: "Vergebt mir, Vater, ich habe gesündigt."

Sie faltete die Hände und wartete darauf, daß der Pater ihr antwortete. Doch eine Reaktion blieb aus. Nachdem die Frau fast zwei Minuten gewartet hatte, ohne eine Antwort zu erhalten, fragte sie leise: "Pater Jarod, geht es Ihnen gut?"

Als eine Reaktion immer noch ausblieb, verließ sie den Beichtstuhl wieder und öffnete die Tür der Kammer, in welcher der Priester saß. Sie hatte kaum den toten Körper erblickt, als auch schon ein lauter Schrei aus ihrer Kehle drang. Wie betäubt vor Entsetzen lief sie aus der Kirche, um Hilfe zu holen.

**********

Gelbes Absperrband verwehrte den Zutritt in die Kirche, in die der Tod auf eine grausame Art und Weise Einzug gefunden hatte. Polizisten hielten neugierige Passanten fern und versuchten vergebens, lästige Reporter abzuwimmeln. Im Inneren des Gotteshauses versuchte Detective Gary Buck versuchte der völlig verstörten Frau, die den Leichnam des Priesters gefunden hatte, eine Aussage zu entlocken, doch es war vergebens. Immer wieder wurde sie von Weinkrämpfen geschüttelt, sie war mit den Nerven völlig am Ende. Das einzige, das er bis jetzt in Erfahrung hatte bringen können, war, daß Pater Jarod heute morgen in die Kirche gekommen war, keinerlei Anzeichen einer Krankheit oder Unwohlsein gezeigt hatte und vor etwa einer halben Stunde tot im Beichtstuhl aufgefunden worden war.

Detective Buck wandte sich seinem Kollegen von der Gerichtsmedizin zu. "Woran, glaubst du, ist er gestorben, Lucas?"

Lucas Cole, seit mehr als zwanzig Jahren als Gerichtsmediziner tätig, betrachtetes den Leichnam aufmerksam. Pater Jarod saß aufrecht, die Augen weit aufgerissen, der Mund zu einem stummen Schrei erstarrt, mit einer Hand umklammerte er noch immer das kleine Kruzifix, das er um den Hals trug, doch offensichtlich hatte dies ihm selbst in der Stunde seines Todes nicht helfen können.

"Nun, es gibt keinerlei Spuren eines Kampfes oder äußere Verletzungen, die zum Tod des Paters geführt haben könnten. In Anbetracht der starren Haltung und des verkrampften Gesichtsausdrucks würde ich zunächst von Tod durch Herzversagen oder Schlaganfall ausgehen. Genaueres kann ich aber erst nach einer Autopsie sagen."

"Nun, worauf warten wir dann noch", erwiderte Detectiv Buck. "Die Spurensicherung ist inzwischen fertig, der Leichnam kann abgeholt werden."

Gerade wandte sich der Detective wieder der alten Frau zu, die sich inzwischen ein wenig beruhigt zu haben schien, als ein leichtes Beben den Boden unter seinen Füßen erzittern ließ. "Was zum...", erschrocken sah er auf. Das Beben wurde merklich stärker, vereinzelt lösten sich Brocken aus dem Deckengewölbe und stürzten zu Boden. Wenn das Beben noch länger anhielt, würde das Gemäuer dem nicht mehr lange Stand halten können.

Plötzlich ertönte der Schrei einer Frau. Gary sah in Richtung des Lautes, erblickte eine Ordensschwester, die starr vor dem Altarraum stand und sah nun auch den Grund ihres Schreis. Das große hölzerne Kreuz stand in Flammen, die sich lodernd am Holz emporzüngelten. Ein weiterer Erdstoß ließ weitere Teile des Gemäuers herabfallen und wirbelte Kalk und Staub auf.

"Raus hier!", hörte er Lucas hinter sich rufen, der wenige Augenblicke später an ihm vorbei nach draußen lief, gefolgt von einigen Männern der Spurensicherung und zwei Ordensschwestern. Einer seiner Mitarbeiter lief auf die Schwester zu, die noch immer auf das nun lichterloh brennende Kreuz starrte. "Kommen Sie, Schwester, wir müssen hier raus!"

Hastig sah sich Gary in der Kirche um. "Schaffen Sie die Frau hier raus!", rief er dem Polizeipsychologen zu, der sich bemühte, die alte Frau dazu zu bewegen, ihm zu folgen. Dann machte er sich selbst auf den Weg nach draußen. Die Erde erbebte erneut, heftiger als zuvor, ließ Deckenleuchter klirren und Bänke umstürzen. Draußen liefen zwei Ordensschwestern auf ihn zu. "Schwester Josepha ist noch in der Kirche, Sie müssen sie retten."

Gary sah sich um. Tatsächlich, sein Mann von der Spurensicherung war ebenfalls nicht zu sehen, vermutlich befand auch er sich noch im Inneren des zum Einsturz verdammten Gebäudes. Zielstrebig lief er auf den Eingang der Kirche zu, doch er wurde plötzlich von einer starken Hand zurückgehalten. Zornig wandte er sich um und blickte in das Gesicht des Gerichtsmediziners. "Lucas, verdammt noch mal! Ich muß da noch mal rein. Eine Schwester und einer meiner Leute sind noch da drin."

"Du kannst da jetzt nicht mehr hinein! Siehst du nicht, daß alles in sich zusammenstürzt?"

"Genau deshalb muß ich sie ja da raus holen!", erwiderte Gary und wollte sich losreißen. Da ertönte plötzlich lautes Orgelspiel aus dem Inneren des Gotteshauses, die Intensität des Bebens nahm zu und mit einem lauten Krachen stürzte das gesamte Deckengewölbe herunter. Wolken aus Kalk und Staub quollen aus den Türen und den zersplitterten Fenstern. Lucas und Gary taumelten hustend zurück. Als sich der Staub gelegt hatte, lag die Kirche in Schutt und Asche vor ihnen. Gary wandte sich von diesem Bild der totalen Zerstörung ab. Lucas klopfte ihm mitfühlend auf die Schulter. "Tut mir leid, Gary."

"Du hattest ja recht. Wäre ich hineingegangen, läge ich jetzt auch dort begraben."

"Detective Buck!" Der Polizeipsychologe kniete vor der alten Frau, die am Boden lag, und kontrollierte deren Puls. "Detective Buck, kommen Sie!"

"Was ist passiert, Clark?", fragte Buck, nachdem er den Ort des Geschehens erreicht hatte.

"Nun, ich hatte sie hier in Sicherheit gebracht und sie erschien mir noch ziemlich gefaßt, doch als sie die Orgelmusik hörte, erlitt sie plötzlich einen Herzinfarkt."

"Und?", fragte Gary weiter.

"Sie ist tot."

Unter den Schaulustigen, die nun erschrocken und wie gebannt auf das Szenario blickten, stand Alec. Er lächelte. Dann wandte er sich um und ging.

**********

"Schatz, ich bin wieder da!" Alec schloß die Tür hinter sich. Er war gerade dabei, seinen Mantel aufzuhängen, als er plötzlich seine Frau aus dem Nebenzimmer hörte: "Du kommst spät, Liebling, wir wollten gerade zu Abend essen."

Alec warf seine Tasche in eine Ecke. "Na, Spooky, wie geht’s?" begrüßte er die Katze, die gerade aus dem Wohnzimmer auf ihn zugelaufen kam. Doch als sie ihn fast erreicht hatte stockte sie plötzlich in ihrer Bewegung, fauchte ihn mit gesträubtem Fell an und ergriff kreischend die Flucht. Alec schüttelte den Kopf und gesellte sich zu seiner Frau Judy. Er gab ihr einen kurzen Kuß.

"War heute wohl viel los an der Uni?" Judy begann damit, daß Essen zu verteilen. Es gab Steaks mit Kartoffeln und Rohkost.

"Ja, nach meiner Vorlesung habe ich noch mit zwei interessierten Studentinnen über das Thema gesprochen. Und danach habe ich noch mit John über einen möglichen Gastdozenten diskutiert."

Judy schaute ihn interessiert an, während sie ihm eine große Portion an Kartoffeln und Rohkost auf den Teller legte. "Was für ein Gastdozent denn?"

"Ein Kollege aus Santa Walsh. Er ist Spezialist für die Maya-Kultur in Yucatan. Ach, sei doch bitte so lieb und tue mir auch ein Stück von dem Fleisch auf. Es sieht wirklich herrlich aus."

Judy stockte. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihren Mann nicht mißverstanden hatte. "Wie bitte, Schatz? Du ißt doch schon seit Jahren kein Fleisch mehr!"

Sie sah Alec überrascht an. Dieser lächelte lediglich zurück und meinte: "Ich habe heute einfach Lust darauf bekommen."

Judy nahm ein Stück Steak und legte es Alec auf den Teller. Geistesabwesend fragte sie: "Hast du auch schon gehört, was heute mit der Kirche geschehen ist?"

Alec nickte. "Da hatte wohl jemand etwas gegen die Lehren unseres Pater Jarod... oder er hatte die hohen Kirchensteuern satt". Er grinste.

Seine Frau sah in erschrocken an. "Liebling, wie kannst du nur so kaltherzig sein?! Pater Jarod ist tot!"

"Tut mir leid, Schatz, ich habe es nicht so gemeint. Es ist wirklich eine Tragödie. Es sollen sogar noch Menschen in der Kirche gewesen sein, als diese zusammenstürzte." Er schnitt sich ein großes Stück vom Steak ab und biß genüßlich hinein.

 

Kapitel 3

Scully saß an Mulders Schreibtisch, den Laptop vor sich und schrieb gerade einige Nachrichten in mehreren Newsgroups und Mailing-Lists, die sie abonniert hatte. Sie war gerade dabei, eine beherzte Erwiderung auf die Behauptung zu schreiben, beim FBI gäbe es eine mysteriöse Abteilung P, die Menschen per Hypnose in Zielscheiben für gesuchte Massenmörder verwandelt, als Mulder das Büro betrat, angeregt in der neuesten Ausgabe einer Boulevardzeitung lesend.

"Scully, ich lese hier gerade einen Artikel, der Sie garantiert interessieren wird."

Überzeugt, daß die Nachricht von einer weiteren Elvis-Sichtung sie nicht besonders beeindrucken würde, blickte Scully nicht einmal auf. Sie erwiderte lediglich: "Dann lassen Sie mal hören, Mulder."

Mulder näherte sich Scully mit wenigen Schritten und zeigte ihr dann die Seite der Zeitung, die er gerade so gebannt gelesen hatte. Sein Finger ruhte dabei auf einem dort abgedruckten Bild. "Wissen Sie, was dieses Foto zeigt?"

Scully nahm ihre Lesebrille ab und betrachtete das Bild genauer. Es zeigte die Überreste eines zusammengestürzten Gebäudes. Die ganze Szenerie war voll mit Polizeiwagen, Absperrungen und Schaulustigen.

"Selbstverständlich weiß ich, was das Bild zeigt. Es zeigt die St. Angelo Church, direkt nachdem sie gestern völlig überraschend zusammengestürzt ist." Auf einmal wurde ihr bewußt, in was für einer Zeitung dieses Foto abgedruckt war und was für einen Schindluder diese mit solchen Schicksalen gewöhnlich trieb. "Mulder, Sie haben sich die Zeitung doch nicht etwa wegen diesem Reißer gekauft?"

"Eigentlich schon. Wieso sollte ich das nicht tun?"

"Weil diese Zeitungen das schreckliche Schicksal von Menschen rücksichtslos ausnutzen, nur um ihre Auflagen und damit ihren Gewinn in die Höhe zu treiben. Also, ich hätte von Ihnen nicht erwartet, daß sie so ein Treiben unterstützen."

Mulder zog die Zeitung zurück und überflog noch einmal rasch den Inhalt des Artikels. "Aber darum geht es doch überhaupt nicht, Scully. Kommt Ihnen dieser völlig unerwartete Einsturz der Kirche nicht auch seltsam vor? Hier, ich habe die entsprechende Stelle gefunden." Er zitierte: "St. Angelo war in keiner Weise einsturzgefährdet. Im Gegensatz zu einigen öffentlichen Gebäuden in diesem Land wurde sie nicht nur vom Putz zusammengehalten. Und das ein Erdbeben nur ein einziges Gebäude völlig zusammenstürzen läßt, ist doch mehr als unglaubwürdig. Eine Nachbarin erzählt: 'Ich war gerade dabei, ein Tablett mit bis zum Rande mit Limonade gefüllten Gläsern durch den Garten zu meinem Mann und meinen Kindern zu balancieren, als auf einmal lautes Orgelspiel aus der nahegelegenen Kirche zu uns dröhnte. Nein, von einem Beben haben wir nichts gespürt. Ansonsten hätte ich doch bestimmt etwas verschüttet. Natürlich habe ich es entsetzt fallengelassen, als dann auf einmal die Kirche zusammenstürzte. Eine schreckliche Tragödie...'"

"Danke Mulder, ich denke, es ist genug. Und ich kann gut auf so unglaublich seriöse und garantiert authentische Aussagen wie der von dieser angeblichen Nachbarin verzichten, die nur auf die Tränendrüse drücken sollen." Scully bedachte Mulder mit einem eindeutigen Blick der Mißbilligung.

"Ich weiß, daß Sie diese Art von Berichterstattung ablehnen, aber lassen Sie mich bitte ausreden. Sie müssen doch zugeben, daß die offizielle Erklärung der Ereignisse auch nicht viel glaubwürdiger ist. Ein Erdbeben, das eine baufällige Kirche zum Einsturz bringt, aber ansonsten kaum zu spüren ist. Besonders dann, wenn man in Betracht zieht, daß die Kirche bei weitem nicht so baufällig war, wie überall behauptet wird."

"Diese Version ist lediglich eine vorläufige. Die Ermittlungen laufen ja noch und es wird nicht ausgeschlossen, daß die Kirche einem Anschlag zum Opfer gefallen ist. Dafür spricht selbstverständlich auch das Orgelspiel, auch wenn die einfache Melodie, die gespielt wurde, auch durch herabfallende Steine verursacht hätte werden können."

"Dies ist natürlich möglich, aber diese Zeitung hat meiner Meinung nach eine wesentlich plausiblere Erklärung. Sie mag es ansonsten nicht so mit der Wahrheit nehmen, aber wie heißt es so schön: Die Wahrheit versteckt man am besten zwischen zwei Lügen." Scully schloß resignierend die Augen und seufzte leise. Mulder fuhr unterdessen unbeirrt fort: "Also, die Zeitung führt die Zerstörung auf die Einwirkung einer bösen Macht zurück. Sie hat danach zuerst die Hüter der heiligen Stätte, den Pastor, ermordet, wahrscheinlich indem sie ihn grausam zu Tode gefoltert hat und als die Kirche dann schutzlos war, wurde sie vom Bösen zum Einsturz gebracht. Das Orgelspiel ist dabei natürlich ein sehr guter Beleg. Daß herabfallende Steine eine Melodie spielen - und sei sie noch so einfach – ist einfach unwahrscheinlich. Es war eher als letzter Hohn gedacht."

Scully konnte nur noch den Kopf schütteln. Es dauerte einige Zeit, bis sie überhaupt in der Lage war, wieder zu sprechen. "Mulder, DAS soll realistischer und wahrscheinlicher sein als ein Erdbeben oder ein Anschlag? Da glaube ich ja noch eher, daß ein Fanatiker das Gebäude mit einer Spitzhacke zum Einsturz gebracht hat."

"Es ist vielleicht aus streng wissenschaftlicher Sicht nicht möglich, aber sie wissen doch inzwischen, daß es auch paranormale Kräfte in dieser Welt gibt. Und aus der Sicht von Mystikern ist dieser Ablauf der Geschehnisse durchaus möglich. Dazu kommt noch, daß einige Augenzeugen aus der Umgebung ein brennendes Kruzifix kurz vor dem Einsturz gesehen haben. Zu dieser Behauptung äußern sich die Ermittlungsbehörden aber im Moment noch nicht." Nach kurzer Pause fuhr er fort: "Aber das werden wir ja bald alles genauer betrachten können."

War Scully bis jetzt ruhig in ihrem Sessel sitzengeblieben, sprang sie nun abrupt auf. "Was meinen Sie damit, Mulder? Sie haben doch nicht etwa wieder hinter meinem Rücken...?!"

Mulder lächelte sie gespielt schuldbewußt an. "Ich wußte doch, daß Sie genau wie ich an diesem Fall interessiert sind. Deshalb habe ich Skinner überzeugt, daß der Fall offizielle FBI-Ermittlungen benötigt und habe auch schon den Flug gebucht. Wir fliegen in etwa drei Stunden. Sie packen am besten sofort. Ich hole noch ein paar Erkundigungen bei drei guten Bekannten ein." Damit verließ Mulder das Büro und ließ eine völlig verdutzte Scully zurück.

**********

In der Universität hielt Alec gerade einen Vortrag über kultische Gegenstände aus dem Mittelalter und deren Bedeutung in Ritualen ab. Er wußte so viel darüber und jetzt, da er frei war, konnte er die üblichen Lehrmeinungen richtigstellen. Gerade hatte er sich in eine Schwärmerei hineingesteigert, als ein Student ihn unterbrach: "Professor Jones?"

Ein Funkeln des Zorns, hervorgerufen durch eine solche respektlose Unterbrechung einer Persönlichkeit wie er es war, blitzte in seinen Augen. "Bitte?", fragte er dann.

"Entschuldigen Sie, Professor", begann der junge Mann, der in einer der mittleren Bankreihen saß, "sagten Sie nicht vorher immer, daß die satanischen Bräuche nur der Form halber abgehalten worden waren, um die Gläubigen in Schach zu halten, ansonsten jedoch keine ernsthafte Bedeutung hatten?"

Er blickte seinen Mentor fragend und zugleich entschuldigend an. Alec zog zornig die Stirn in Falten. "Das habe ich gesagt?!", rief er aufgebracht und offensichtlich etwas zu laut, denn seine zahlreichen Studenten zuckten erschrocken zurück, angesichts seines unüblichen Ausbruchs. Er räusperte sich. "Ich denke, da müssen Sie etwas mißverstanden haben", fuhr er in gedämpftem Tonfall fort. "Die Rituale waren der einzig wahre Beweggrund der Gläubigen an diesem Glauben festzuhalten. Nicht Gott wollten Sie dienen, sondern Satan. Er war ihr wahrer Herr und Meister und ist es auch heute noch..." Wieder geriet er ins Schwärmen. Seine Studenten blickten sich ratlos mit fragenden Gesichtern an und zuckten die Schultern. Was war nur seit gestern mit ihrem Professor los? Sie konnten es sich nicht erklären und warteten schweigend das Ende der Vorlesung ab.

 

Kapitel 4

Mit ihrem Mietwagen fuhren Scully und Mulder in San Telbat ein.

"Das ist sie also", bemerkte Scully seufzend, "die Stadt, in der ich schon immer einen solchen Fall bearbeiten wollte." Mulder verkniff sich ein Grinsen.

Wenige Minuten später parkte er den Wagen vor dem zuständigen Police-Department. Im Inneren traten die beiden Agenten an den Annahmetresen.

"Agents Scully und Mulder, FBI", stellte Mulder sich und seine Partnerin kurz vor, wobei sie ihre Ausweise präsentierten. "Wir suchen den Detective, der die Untersuchung im Fall des mysteriösen Kircheneinsturzes leitet, der offensichtlich nicht mit rechten Dingen vor sich gegangen sein kann.", fügte Mulder hinzu. "Wir glauben, daß noch andere Mächte mit im Spiel sind. Mächte, die so unglaublich erscheinen, daß sie bei Routineermittelungen meist nicht berücksichtigt werden..."

"Mysteriös...?", die Sekretärin blickte ein wenig verwirrt.

"Wo kann ich mich nur verstecken?", murmelte Scully und wünschte sich einmal wieder, einfach verschwinden zu können.

"Nun, ich denke, Sie meinen Detective Buck", sagte die Sekretärin dann. "Sie haben Glück, er ist gerade hier. Wenn Sie sich einen Moment gedulden würden... ich gebe ihm kurz Bescheid."

Während die nette Frau am Empfang telefonierte, wandte sich Mulder wieder Scully zu. "Scully, warum stehen Sie denn da drüben so unauffällig im Hintergrund? War Ihnen meine Beschreibung des Falls etwa zu offensichtlich?" Er grinste breit.

"Offensichtlich?! Abgehoben, fernab jeglicher Realität wären wohl treffendere Bezeichnungen dafür!", entgegnete sie ihrem Partner, dessen Grinsen wie immer durch keines ihrer Kommentare zu erschüttern war. "Sie werden sehen", fuhr sie fort, "alles wird sich aufklären und dabei völlig unberührt von Mystik und sonstigen paranormalen Vorgängen bleiben..."

Ehe sie fortfahren konnte, wurde sie von der Empfangsdame unterbrochen: "Detective Buck hat in wenigen Minuten Zeit für Sie. Bitte setzen Sie sich doch so lange", wobei sie auf einige aufgereihte Stühle wies, die ein Stück den Gang hinunter an der Wand standen. "Detective Buck wird dann gleich zu Ihnen kommen."

"Vielen Dank", erwiderte Mulder und nickte ihr lächelnd zu. "Kommen Sie, Scully. Setzen wir uns. Ich habe einige interessante Gesprächsthemen auf Lager, mit denen wir die Zeit überbrücken können..."

Scully seufzte, sie konnte sich nur zu gut an die zurückliegende Autofahrt erinnern. Mulder hatte sich bereits gesetzt und winkte nun zu ihr herüber. Scully ahnte Schreckliches. Diesmal blieb sie vom Schicksal verschont. Kaum hatte sie sich gesetzt, trat ein Mann an die beiden Agenten heran.

"Agent Scully? Agent Mulder?", fragte er. Die beiden nickten. "Ich bin Detective Gary Buck. Ich leite in diesem Fall die Untersuchungen. "Er reichte den beiden zur Begrüßung die Hand. "Verraten Sie mir eins", fuhr er fort, "was interessiert das FBI an einem solchen Fall wie diesem?" Erwartungsvoll sah er die beiden an. Auch Scully war gespannt auf das, was Mulder nun entgegnen würde.

"Wir zweifeln an der Theorie, daß das gestrige Vorkommnis auf rein natürliche Ursachen zurückzuführen ist. Kurz gesagt, wir glauben, daß noch andere Kräfte am Werk waren oder es noch immer sind."

Entgeistert blickte Detective Buck von einem zum anderen. "Das ist nicht Ihr Ernst, oder?"

"Ich fürchte, das ist es", murmelte Scully.

"Es wäre hilfreich, wenn wir gemeinsam versuchen könnten, diesen Fall aufzuklären. Dazu benötigen wir zunächst einmal Einsicht in Ihre Berichte", fuhr Mulder unbeirrt fort.

Detective Buck sah Scully fragend an, doch sie zuckte auch nur mit den Schultern. "Nun gut", entgegnete er schließlich. "Wir befinden uns mit unseren Ermittlungen eh in einer Sackgasse. Vielleicht können Sie ja frischen Wind in die ganze Sache bringen, obwohl ich davon, ehrlich gesagt, noch nicht ganz überzeugt bin." Er sah dabei kurz Mulder an. "Nun, ja", fuhr er fort, "das FBI wird schon wissen, was es tut."

"Das sollte man meinen", murmelte Scully und sah dabei zu ihrem Partner herüber. "Hat die Obduktion der Leichen, besonders der des Pastors, etwas Näheres ergeben?", fragte sie dann, um das Beste aus ihrer Lage und diesem Fall zu machen.

**********

"Lucas, bist du hier?" Detective Buck sah sich in dem kleinen Büroraum um. Scully und Mulder waren ihm inzwischen in das Zimmer gefolgt.

"Einen Moment, ich bin gleich da", antwortete eine gedämpfte Stimme. Dann kam plötzlich eine Hand hinter dem Schreibtisch hervor und stellte einen kleinen Behälter auf die Tischplatte. Kurz darauf erhob sich der Gerichtsmediziner, füllte eine Handvoll Büroklammern zurück in ihren Behälter und rieb sich die Hände. "Wie oft ist mir das Ding nun eigentlich schon runtergefallen?", murmelte er und schüttelte den Kopf. "Nun, Gary", sagte er dann und blickte auf, "was kann ich denn heute für dich tun?" Er erblickte Scully und Mulder und sah den Detective fragend an.

"Lucas", begann Buck "darf ich vorstellen: das sind Agent Scully und Mulder vom FBI."

"FBI?", fragte Lucas, während er den beiden Agenten die Hand gab. "Nun, ich bin Dr. Cole, der zuständige Gerichtsmediziner in diesem Bezirk."

"Es freut uns, Ihre Bekanntschaft zu machen, Doktor", erwiderte Scully.

"Wir sind hier, um den Fall der mysteriösen Kirchenzerstörung aufzuklären.", fügte Mulder hinzu. Bevor ihr Partner noch ausschweifender werden konnte, schritt Scully schnell ein. "Dr. Cole, sind Ihnen bei der Obduktion der Leichen irgendwelche Abnormitäten aufgefallen, oder war die Todesursache unmißverständlich zu erkennen?"

"Nun", erwiderte Cole, "bei der Nonne und dem Mitarbeiter der Spurensicherung, die unter den Trümmern der einstürzenden Kirche begraben wurden, war die Todesursache offensichtlich. Ich hätte eigentlich keine Obduktion vornehmen müssen."

"Und der Priester?", fragte Mulder.

"Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen", meinte Cole. "Zunächst sah es für mich so aus, als wäre er an Herz-Kreislauf-Versagen oder gar an einem besonders heftigen Schlaganfall gestorben, doch die Untersuchungen ergaben, daß mit dem Herzen alles in bester Ordnung war. Als ich aber das Gehirn nach Blutgerinseln oder geplatzten Aneurismen untersuchte, machte ich eine Entdeckung, für die ich bisher noch keine plausible Erklärung finden konnte." Erwartungsvoll blickte ihn Mulder mit großen Augen an. "Ich kann nicht sagen, ob es etwas zum Tod des Mannes beigetragen hat, doch es wäre immerhin möglich, zumal ich, wie gesagt, keine eindeutige Todesursache feststellen konnte."

Ungeduldig zog Mulder kurz die Augenbrauen zusammen. "Was haben Sie entdeckt, Dr. Cole?", fragte er dann.

Der Mediziner zögerte kurz, ehe er fortfuhr. "Die Zirbeldrüse des Opfers...", er zögerte erneut. "Nun, sie ist schwarz, scheint abgestorben zu sein! Ich habe keine Erklärung dafür", er zuckte mit den Schultern und sah die beiden Agenten entschuldigend an.

"Wenn Sie erlauben", begann Scully, "führe ich selbst noch einmal eine gründliche Untersuchung an diesem Opfer durch. Ich bin ebenfalls im Bereich der Gerichtsmedizin tätig."

"Auf mich können Sie dabei hoffentlich verzichten", warf Buck schnell ein, "Ich werde sicher noch woanders gebraucht." Mit diesen Worten wandte er sich zur Tür um. "Sie können mich jederzeit über das Amt erreichen.", rief er den beiden Agenten noch über die Schulter zu.

"Ich glaube, ich werde mich dann auch verabschieden, Scully, und Sie mit Ihren Leichen alleine lassen", meinte Mulder, während Dr. Cole schon auf dem Weg in den Obduktionssaal war, den er durch eine unscheinbare Tür auf der anderen Seite seines Büros betreten hatte. "Ich versuche inzwischen, etwas Brauchbares aus den Zeugen herauszubekommen." Dann fügte er mit wissendem Grinsen im Gesicht hinzu: "Ist Ihnen bekannt, daß die Zirbeldrüse in Fachkreisen oft als Sitz der Seele bezeichnet wird?" Mit diesen Worten war er auch schon aus dem Raum verschwunden. Scully verdrehte seufzend die Augen und folgte Dr. Cole in den Obduktionssaal.

 

Kapitel 5

Langsam hob Mulder einen der Steine auf, der noch vor kurzem Teil des alten Gemäuers der St. Angelo Church gewesen war. Er drehte ihn langsam in der Hand hin und her und durchbohrte ihn förmlich mit seinen Blicken. Man hatte bereits damit begonnen, die Umgebung von dem Schutt und Staub zu reinigen, der bei dem Zusammensturz verteilt worden war. Mulder richtete sich auf und ließ den Brocken gedankenlos zu Boden fallen. Sein Blick streifte über die Landschaft. Er versuchte herauszufinden, von woher man wohl den besten Blick auf das Kreuz gehabt hatte, als es in Flammen aufging. Mulder schmunzelte bei dem Gedanken, was für ein Gesicht Scully ziehen wird, wenn er ihr in ein paar Stunden erzählen würde, wen er befragt hatte und welche Fragen er gestellt hatte. Den Blick einiger Fußgänger auf sich ziehend, stellte sich Mulder mit ausgestreckten Armen an die Stelle, wo zuvor das Kreuz gestanden hatte und versuchte herauszufinden, von welchem Haus man wohl den besten Ausblick hatte. Er brauchte nicht lange zu suchen. Mulder entdeckte eine ältere Frau, die ihn neugierig aus dem oberen Fenster eines der Nachbarhäuser beobachtete. Er winkte ihr fröhlich zu, worauf hin sie erschrocken vom Fenster zurückwich und die Gardine zuzog.

Mulder setzte sich in Bewegung. Er hatte seine Zeugin gefunden. Das kleine Holzhaus, welches der ehemaligen rechten Seite der Kirche direkt gegenüberlag, war mit Efeu überwuchert. Eine fette Katze saß auf der Mauer und beäugte ihn mißtrauisch. Mulder strich ihr übers Fell, woraufhin das Tier klagend aufsprang und Richtung Haus eilte. Sie wurde von der alten Frau empfangen und huschte rasch durch die Tür ins Innere. Die Frau trat aus der Tür und ging Mulder einige Schritte entgegen. Sie lächelte ihn entschuldigend an.

"Tut mir leid, junger Mann, das ich Sie so angestarrt habe, aber Ihr Verhalten war mehr als ungewöhnlich."

Mulder lächelte zurück. "Das macht nichts. Ich habe die Angewohnheit, Dinge direkt auf die praktische Weise anzugehen, obwohl ich damit andere Menschen seltsamerweise zu verwirren scheine... Fragen Sie erst mal meine Partnerin." Er zog seinen FBI-Ausweis aus der Tasche und zeigte ihn der Frau. "Mein Name ist Fox Mulder. Ich bin Special Agent beim FBI und untersuche den mysteriösen Zusammensturz der Kirche. Könnten Sie mir wohl einige Fragen dazu beantworten ?"

Die Frau seufzte auf. "Aber natürlich. Allerdings habe ich schon einigen Reportern darüber etwas erzählt und einige Zeitungen haben meine Worte ziemlich verdreht."

"Seien Sie unbesorgt, ich bin nur hier, um die Wahrheit zu erfahren und nicht, um eine zu erfinden."

Zwei Stunden und einige Tassen Kaffee später verabschiedete sich Mulder von der alten Frau und ging zurück zu seinem Wagen. Er hatte inzwischen von der Frau eine genaue Schilderung der Vorgänge erhalten, wie diese sie von ihrem Platz am Fenster hatte beobachten können. Sie hatte tatsächlich beobachtet, wie das Kreuz in der Kirche auf einmal in Flammen aufgegangen war. Mulder blätterte in den einige Seiten umfassenden Polizeibericht der Vorgänge und fand tatsächlich die Stelle, in der das brennende Kreuz erwähnt wurde. Da diese Tatsache zurückgehalten wurde, handelte es sich bei der Aussage der Frau also mit großer Sicherheit wirklich um einen Augenzeugenbericht. Die weiteren Informationen, die ihm die Frau mitgeteilt hatte, waren zwar nicht unwichtig gewesen, sie waren aber auch keine wirklichen Neuigkeiten. Jedoch hatte ein Detail Mulders Interesse geweckt. Die Frau hatte gesehen, wie kurz vor dem Tod des Pastors ein Mann die Kirche betreten hatte. Sie hatte zwar aus der Ferne keine Details sehen können, jedoch hatte Schwester Ignazia vom örtlichen Orden direkt danach die Kirche verlassen. Sie war dem Mann also möglicherweise begegnet. Mulder startete den Motor seines Wagens und fuhr in Richtung Kloster.

**********

"Essen Sie das noch ?", fragte Mulder mit einem gierigen Blick auf Scullys Teller.

"Ich habe doch gerade erst angefangen", entgegnete Scully. "Sie hätten ja nicht so schlingen müssen, dann hätten wir uns auch noch unterhalten können..."

Mulder seufzte. "Dann werde ich mir wohl noch etwas bestellen müssen." Mit einem auffälligem Winken rief er die Bedienung zu sich und ließ sich ein weiters Menü kommen.

Scully sah ihn erstaunt an. "Wie können Sie nur so viel essen ?"

Mulder zuckte die Schultern. "Dieser Fall scheint erheblich an meinen Energiereserven zu zehren." Er sah sich suchend nach der Bedienung und seinem Essen um. "Wo ich gerade von unserem Fall spreche", fuhr er fort, "ich habe da einige interessante Informationen erhalten, die uns weiterhelfen können. Hat Ihre Obduktion eigentlich etwas Näheres ergeben, das über die Ergebnisse Dr. Coles hinausgeht ?"

Scully schüttelte den Kopf. "Nein. Ich habe zwar eine komplette und, wie ich betonen möchte, sehr gründliche Obduktion vorgenommen, doch ich konnte nicht die geringsten Hinweise für eine plausible Todesursache finden. Wie Dr. Cole schon erwähnte, war das Herz des Priesters in bestem Zustand und auch das Gehirn wies keinerlei Abnormitäten auf..."

"Bis auf die Zirbeldrüse", unterbrach Mulder sie.

Scully nickte. "Für dieses Phänomen habe ich ebenfalls keine Erklärung finden können. Es schien, als seien die Zellen der Drüse plötzlich abgestorben, aber, fragen Sie mich bitte nicht, wie so etwas möglich ist."

"Wenn Sie meine Theorie annehmen und davon ausgehen, daß es sich bei der Zirbeldrüse tatsächlich um den Sitz der Seele handelt, dann..."

"Mulder, bitte verschonen Sie mich diesmal mit ihren wilden Theorien."

"Diese Theorie ist im Grunde noch harmlos im Vergleich zu der, die gewisse Freunde von uns mir zugeflüstert haben...", meinte er grinsend.

"Oh, nein, was ist es denn diesmal ?", seufzte Scully. "Ist Elvis zurück und will nun eine eigene Weltreligion gründen, indem er zunächst damit beginnt, seine Mitstreiter unschädlich zu machen ?"

Mit gespieltem Erstaunen sah Mulder seine Partnerin an. "Und Sie nennen MEINE Theorien wild ?" Genüßlich aß er einen Bissen seines zweiten Steaks, das er inzwischen bekommen hatte. "Ach, sagen Sie, Scully", fragte er dann mit vollem Mund, "würden Sie für mich jemanden hypnotisieren ?"

"Bitte ? !" Scully ließ fast ihre Gabel fallen.

"Nun", fuhr Mulder fort, "ich habe da eine gewisse Zeugin aufgespürt, die sich absolut nicht an das Gesicht eines Mannes erinnern kann, der kurz vor dem Tod des Priesters die Kirche betreten hatte. Sie meinte nur, er wäre ihr ziemlich unheimlich erschienen, doch sie konnte beim besten Willen nicht sagen, warum." Erwartungsvoll sah er seine Partnerin an.

"Was für eine Zeugin ist es denn diesmal, Mulder ? Vielleicht eine dieser publicitysüchtigen Frauen, denen ihr Alltag zu langweilig ist, so daß sie nichts Besseres zu tun haben, als sich überall als Zeugin zu melden und jeder noch so billigen Schundzeitschrift ein kostenloses Interview zu geben ?"

"Also", begann Mulder, "eigentlich ist sie eine Nonne."

Scully war sprachlos. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet.

 

Kapitel 6

"Und, Liebling, wie war es heute an der Uni ?"

Alec lächelte. "Es war ein anstrengender Tag, Schatz !"

**********

Die Nonne kniete schweigend in der ersten Reihe der Kirchenbänke. Gebannt starrte sie auf die prunkvolle Marienstatue, die im vorderen Teil der Kirche stand. Sie hatte schon seit Stunden in dieser Pose verharrt. Inzwischen wurde es bereits dunkel und die Nacht brach herein. Sie war allein. Allein mit Gott. Sie hatte dem Pastor gesagt, daß sie hinter sich abschließen würde und er hatte sich längst ins Pfarrhaus zurückgezogen. Auch der letzte Besucher, ein Professor von der hiesigen Uni, war schon vor Stunden gegangen. Der letzte Strahl der untergehenden Sonne fiel auf das ewige Licht, welches auf dem Tabernakel seit Jahren brannte. Mit dem erlöschenden Strahl der Sonne erstarb auch das Licht. In der Kirche war es nun völlig dunkel. Aber die Nonne störte es nicht. Sie war tot. Mit einem dumpfen Laut fiel sie auf den harten Steinboden des verdammten Gotteshauses.

**********

"Ich frage mich, warum die Aussage der Nonne nicht im Polizeibericht erwähnt wird", murmelte Mulder und schüttelte den Kopf. Er saß auf dem Beifahrersitz ihres Mietwagens und hatte zum wiederholten Male die Unterlagen durchgesehen, nachdem er seine Partnerin davon überzeugen konnte, der Nonne noch am selben Tag einen Besuch abzustatten.

"Nun", begann Scully und sah kurz zu ihm herüber, bevor sie ihren Blick wieder auf die Straße richtete, "vielleicht, ich meine, möglicherweise wurde diese Aussage von einer offensichtlich verwirrten Nonne, die sich nicht einmal an das Gesicht eines Mannes erinnern kann, als weniger wichtig empfunden..."

"Aber, Sie müssen doch zugeben, Scully", erwiderte Mulder, "daß dies ein wichtiger Hinweis zu sein scheint und, wie ich bemerken möchte, auch der bisher einzige."

Scully zog die Augenbrauen hoch. "Ich denke, man kann geteilter Meinung darüber sein, ob es sich hierbei tatsächlich um einen brauchbaren Hinweis handelt, Mulder. Allerdings", fügte sie hinzu, "haben Sie in bezug auf den einzigen Hinweis recht. Vielleicht ist der Polizei hier wirklich etwas entgangen." Sie zuckte mit den Schultern. "Nun ja, wir werden sehen." Mit diesen Worten fuhr sie den Wagen auf den kleinen Parkplatz des Ordenshauses. Nach einem kurzen Gespräch mit der Empfangsdame wurden die beiden Agenten von einer freundlichen, älteren Nonne zu Schwester Ignazia geführt, die sich gerade im hinteren Teil des großen Klostergartens aufhielt.

"Oh, Guten Abend Mr. Mulder", begrüßte die Schwester die beiden Agenten, nachdem sie sie erblickt hatte. "Das ist also ihre Partnerin ?", vermutete sie mit einem Blick auf Scully.

Mulder nickte. "Darf ich vorstellen, Schwester Ignazia, Dana Scully."

"Entschuldigen Sie, daß wir noch um diese Zeit stören, aber wir haben da noch einige Fragen in Bezug auf das, was sie meinem Partner heute erzählt haben", begann Scully.

"Was denn für Fragen ?", Schwester Ignazia sah irritiert von einem zum anderen. "Ich habe doch schon alles gesagt, was ich weiß und an das Gesicht dieses Mannes kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern, Gott möge mir helfen."

"Genau darum geht es, Schwester", begann Mulder, "wir möchten versuchen mehr über diesen Mann herauszufinden. Dazu bräuchten wir Ihre Mithilfe und Ihr Einverständnis..."

"Einverständnis wofür ?", unterbrach ihn die Nonne.

Scully und Mulder tauschten einen kurzen Blick, dann führte Scully die Erklärung fort: "Schwester Ignazia, wir würden Sie gerne hypnotisieren."

"Hypnotisieren ?" Die Nonne blickte die beiden mit einer Mischung aus Angst und Unsicherheit an.

"Es ist völlig harmlos, glauben Sie mir", versicherte Mulder ihr beruhigend. "Ich selbst wurde auch schon mehrere Male hypnotisiert und wie Sie sehen, hat es keine Schäden verursacht..."

"Wir wollen Ihnen auf diesem Wege lediglich die Begegnung in der Kirche wieder klar vor Augen führen", warf Scully schnell ein. "Ich bin sicher, so werden Sie das Gesicht des Mannes erkennen können."

"Es könnte sich immerhin um den Täter handeln, Schwester", gab Mulder zu bedenken und apellierte dabei bewußt an deren Gewissen.

Schwester Ignazia überlegte kurz, dann nickte sie. "In Ordnung, ich bin einverstanden. Wann wollen Sie beginnen ?"

"Nun, wenn Sie nichts dagegen haben, könnten wir sofort beginnen", schlug Scully vor. Ehe die Nonne antworten konnte, wurden sie von dem Piepen eines Handys unterbrochen.

"Entschuldigen Sie", meinte Mulder und zog sein Mobiltelefon aus der Innentasche seines Mantels. "Ja ?", meldete er sich kurz. Einige Augenblicke hörte er dem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung zu. "In Ordnung, wir sind gleich da", sagte er dann und beendete das Gespräch. Scully und Schwester Ignazia sahen ihn fragend an. "Es tut uns leid, Schwester, aber wir müssen unser Vorhaben auf einen anderen Zeitpunkt verschieben, wäre es Ihnen recht, wenn wir morgen noch einmal vorbeikämen ?"

Die Nonne nickte. "Ja, das wäre mir recht, natürlich."

"Was ist denn los, Mulder ?", fragte Scully. "Es ist eine weitere Kirche eingestürzt."

**********

"Und Sie sind sich sicher, daß Sie sich nicht an das Gesicht erinnern können ?", fragte Scully die letzte der Zeugen.

"Nein, tut mir leid. Ich sehe immer nur einen großen Mann vor mir, über dessen Gesicht etwas wie undurchdringbarer Nebel liegt."

Scully nickte. "Dann vielen Dank für Ihre Zeit. Sollten Sie den Nebel doch noch durchbrechen können, setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung."

"Das werde ich gewiß tun."

Scully löste sich von der Zeugin und ging kopfschüttelnd auf Mulder zu. Es war so deprimierend. Die wenigen Menschen, die den geheimnisvollen Mann dabei gesehen hatten, wie er in die Kirche gegangen war, konnten alle nur den Körper des Mannes beschreiben, an das Gesicht konnte sich niemand erinnern. Auch waren wieder keinerlei Ursachen für den Einsturz der Kirche gefunden worden. Detective Buck und seine Mitarbeiter hatten vergeblich nach Sprengstoffrückständen oder Ähnlichem gesucht, doch wie zuvor war nichts als plausible Ursache für den Zusammensturz einer stabilen Kirche auszumachen. Es blieb nur das Beben, doch dies war ebensowenig zu erklären. War es tatsächlich möglich, daß sich ein Beben nur auf einen kleinen Punkt konzentrieren konnte, die anliegenden Grundstücke davon aber völlig unberührt blieben ? Und war es weiterhin möglich, daß durch Zufall zwei Kirchen betroffen waren, in denen kurz zuvor jemand ermordet worden war ? Fragen über Fragen und Scully hatte keine Antworten. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich resigniert ihrem Partner zu: "Und wieder eine Niete. Dieser Mann scheint eine Maske getragen zu haben."

"Vielleicht ist es auch eine Maske, die auf das Bewußtsein der Menschen wirkt", erwiderte Mulder.

"Was ? Wie kommen sie denn jetzt wieder auf diese Idee ?"

"Denken Sie doch einmal nach, Scully, wie soll denn ansonsten diese Blockade zustande gekommen sein ?"

"Das ist doch wohl einfach zu erklären. Wahrscheinlich ist unser Täter so unauffällig, daß er niemandem wirklich auffällt. Man stellt vielleicht seine Anwesenheit fest, aber beachtet ihn nicht weiter und sieht ihm nur ganz flüchtig ins Allerweltsgesicht. Kein Wunder, daß man sich später nicht mehr daran erinnern kann, besonders wenn man es sich zwanghaft ins Gedächtnis rufen will. Das erleben wir doch ständig."

Mulder machte eine abfällige Bewegung mit der Hand. "Das klingt zwar plausibel, ist aber in diesem Fall völliger Unsinn. Sehr viel wahrscheinlicher ist es, daß der Unbekannte seine Opfer mit Hilfe von telepathischen Kräften eine Sperre zwischen dem Bewußtsein und der Erinnerung bezüglich seinem Gesicht erzeugt. Oder er erschafft um sich eine Aura, in welcher die Verarbeitung der kognitiven Eindrücke durch das Gehirn nicht mehr korrekt funktioniert. Der Betrachter glaubt zwar daran, das Gesicht zu sehen, aber in Wirklichkeit werden die Signale der Augen falsch verarbeitet, das Gesicht wird unkenntlich. Aber es könnte sein..."

Um Mulder am Weitersprechen zu hindern, warf Scully schnell ein: "Was es auch immer ist, wir können nur hoffen, daß die Hypnose die Erinnerung an das Gesicht wiederbringt, damit wir endlich eine eindeutige Spur haben."

"Das meine ich. Und wir sollten gleich morgen früh damit anfangen, bevor weitere Morde und Zerstörungen geschehen."

 

Kapitel 7

6:00 Uhr morgens; Kloster St. Angelo

"Entspannen Sie sich und schauen Sie in das Licht", Scully bewegte eine kleine Taschenlampe vor den Augen der Nonne hin und her. "Atmen Sie tief und gleichmäßig", murmelte Scully in monotonem, einschläferndem Tonfall.

Mulder saß etwas abseits und verfolgte die Sitzung gebannt. Fasziniert beobachtete er durch den Sucher eines Camcorders, wie der Nonne langsam die Augen zufielen und sie in tiefe Hypnose fiel.

Scully sah zu ihm herüber. "Sie ist so weit, Mulder. Ich fange jetzt an." Scully wandte sich wieder Schwester Ignazia zu. "Schwester Ignazia, wir begeben uns jetzt in die Vergangenheit, zurück an den Tag, an dem Pater Jarod starb. Sie sind in der Kirche und gehen gerade durch den Mittelgang. Was sehen Sie, Schwester?"

"Ich sehe einen Mann, er ist gerade in die Kirche gekommen."

"Wie sieht der Mann aus, Schwester? Können Sie ihn mir beschreiben?" Mulder zoomte etwas, um eine genaue Detailstudie des Gesichtes der Nonne auf Band aufzuzeichnen.

"Nun", begann die Nonne, "er kommt näher. Er ist groß, schlank etwa eins achtzig... hm, seine Haare... er hat braune Haare, kurz", sie zögerte.

"Wie sieht er aus?", hakte Scully nach. "Konzentrieren Sie sich auf sein Gesicht, Schwester."

"Sein Gesicht... es... ich kann es nicht erkennen. Alles ist so undeutlich... Irgend etwas kommt mir merkwürdig an ihm vor..." Plötzlich riß sie die Augen weit auf, sie schrie: "Oh, mein Gott!" Ihre Hände umklammerten die Lehnen des Stuhls in dem sie saß. "Heiliger Vater, errette meine Seele! ... Sein Schatten! Es ist... es ist... der SATAN!"

Mit diesem Schrei auf den Lippen riß sie sich aus der Hypnose und sprang auf. Ein Ausdruck des Entsetzens lag auf ihrem Gesicht. Auch Mulder war aufgesprungen und hätte beinahe die Kamera umgestoßen. Er konnte es nicht glauben, hatte die Nonne wirklich "Satan" geschrien? Scully versuchte inzwischen, die aufgebrachte Nonne wieder zu beruhigen und konnte sie gerade noch davor bewahren auf den Boden zu fallen, nachdem sie das Bewußtsein verloren hatte.

"Was hat das zu bedeuten?", Scully sah ihren Partner fragend an.

"Hat sie eben wirklich 'Satan' gesagt?", fragte Mulder nur.

"Schwester Ignazia...können Sie mich hören? Schwester Ignazia!"

Seit zehn Minuten versuchten Scully und Mulder, die bewußtlose Nonne aus ihrer Ohnmacht zu reißen. Nun schienen sie es geschafft zu haben. Langsam öffnete die Schwester ihre Augen.

"Was... was ist denn passiert?" Sie war sichtlich verwirrt.

"Seien Sie ganz ruhig, Schwester", versuchte Scully sie zu beruhigen.

"Ihre Eindrücke der Hypnose waren lediglich etwas zu heftig", warf Mulder ein.

Scully sah ihn warnend an. "Mulder!"

"Hypnose? ... Hyp... oh, nein!" Erschrocken und zu Tode geängstigt sprang Schwester Ignazia auf und lief im Zimmer auf und ab. Unablässig murmelte Sie das Vaterunser vor sich hin.

"Mußte das jetzt sein, Mulder?" Scully sah ihn strafend an. Mulder zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Schwester Ignazia, so beruhigen Sie sich doch. Bitte erzählen Sie uns, was Sie gesehen haben", Scully sprach erneut auf die Nonne ein.

Schließlich war Schwester Ignazia wieder fähig zu sprechen. Noch immer zitterte sie stark, ihre Augen huschten angstvoll hin und her, niemals ruhig, niemals verharrend. "Es war sein Schatten, ich habe ihn gesehen. Glauben Sie mir, es war SEIN Schatten!"

"Der Schatten des Satans?", fragte Mulder vorsichtig, doch von Neugierde getrieben.

Ängstlich blickte die Nonne von einem zum andern, langsam nickte sie. "Ich... ich habe seinen Schatten gesehen. Und sein Gesicht... für einen Moment schien der Nebel sich zu verflüchtigen... und..."

"Sie haben sein Gesicht gesehen?", unterbrach sie Mulder, der daraufhin wieder einen warnenden Blick seiner Partnerin erntete.

"Der Nebel lichtete sich und ich sah in die Fratze... des Satans." Die Nonne stand erschöpft am Fenster des Raumes und schaute gen Himmel. Wieder begann sie, das Vaterunser vor sich hin zu murmeln. Immer und immer wieder.

"Ich denke, wir sind hier fertig, Mulder", meinte Scully. "Wir sollten sie vorerst in Ruhe lassen" Mulder nickte. "Es wäre angebracht, wenn wir einen Psychologen vorbeischicken würden."

"Da haben wir doch einen eindeutigen Beweis, Scully", meinte Mulder auf dem Weg zu ihrem Wagen. "Es war die böse Macht des Satans, die den Priester tötete, ihm die Seele raubte und dann in einem Anfall von Überlegenheit und Hohn die Kirche einstürzen ließ..."

Scully sah ihn an. "Sie glauben doch nicht wirklich, daß der Satan auf Erden wandelt, Priester und Nonnen tötet und Kirchen einstürzen läßt?"

"Doch, Scully. Und nebenbei spielt er auch noch Orgel."

"Bevor ich mich auf irgendwelche wilden Aussagen einer scheinbar religionsfanatischen Nonne und auf eine ihrer verrückten Theorien stütze, ziehe ich es vor, die weiteren Zeugen auch noch einer Hypnose zu unterziehen, Mulder." Mit diesen Worten setzte sich Scully in den Wagen und startete den Motor.

**********

Mulder hob das gerade fertig gewordene Phantombild auf und betrachtete es genauer. So sollte der Satan aussehen? Dieser Mann machte auf ihn eher den Eindruck eines einfachen, gesetzestreuen Bürgers der USA. Er hätte sogar der Sheriff einer Kleinstadt sein können. Andererseits wußte er aus seiner jahrelangen Erfahrung mit Serienmördern, Verschwörern und Psychopathen jedes Couleurs, daß sich das Böse hinter vielen Masken verbergen konnte. Er reichte das Bild an Scully weiter und nickte dem älteren Herrn zu, der die Beschreibung dafür geliefert hatte. "Vielen Dank für ihre Mithilfe. Ohne Sie wüßten wir wahrscheinlich nicht, wie der vermeintliche Verursacher dieser Kircheneinstürze aussieht."

Der Mann schenkte Mulder ein warmes Lächeln. "Wenn es dabei hilft, dieses Schwein zu fassen, bin ich sogar bereit, meine geistige Gesundheit aufs Spiel zu setzen."

Bei diesen Worten blickte Mulder nachdenklich auf. Sein Blick verlor sich, er dachte nach, ließ die vergangenen Ereignisse noch einmal Revue passieren. Auf einmal bemerkte Mulder, daß Scully seit einiger Zeit verzweifelt versuchte, mit ihm zu sprechen.

"Mulder, hören Sie mich? Ich lasse das Bild nun mit einigen Photos von Verbrechern aus der Umgebung vergleichen."

Mulder grinste sie an. "Konzentrieren Sie sich dabei am besten auf Leute, die bereits früher Gebäude zum Einsturz gebracht haben."

"Vielen Dank für ihre tolle Anregung, die wie immer höchst informativ und konstruktiv ist." "Das sind sie doch immer. Und wir sollten veranlassen, daß alle Kirchen in der Umgebung nun rund um Uhr von Polizeibeamten beobachtet werden."

Diesmal lächelte Scully. "Keine Sorge, Mulder, auf diese Idee bin ich schon längst gekommen. Ich habe bereits alles Notwendige in die Wege geleitet."

**********

"Liebling, kommst du? Ich habe uns ein zweites Frühstück gemacht", zärtlich küßte Judy ihren Mann auf die Wange, nachdem sie von hinten leise an ihn herangetreten war. Wie immer saß er an seinem freien Tag in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch, denn selbst an solchen Tagen war er vor Arbeit nicht sicher. Ein Universitätsprofessor hat nun einmal ständig etwas zu tun. Als sie ihn nun küßte, lief ihr ein kalter Schauer des Unbehagens über den Rücken. Judy verstand nicht, was das zu bedeuten hatte, denn es war nicht der erste Vorfall. Seit einigen Tagen hatte sie eine stetige Veränderung an Alec wahrgenommen, die sie nicht mit Worten festlegen aber dennoch fühlen konnte.

"Ja, Schatz, ich komme sofort", erwiderte er und erhob sich aus seinem schweren ledernen Schreibtischsessel. Er warf einen prüfenden Blick in seinen Wandschrank und ein zufriedener Ausdruck legte sich auf sein Gesicht.

Er ging in die Küche. Der kleine Fernseher auf der Anrichte lief, gerade wurden die Elf- Uhr-Dreißig-Nachrichten ausgestrahlt. "Und nun zum Top-Thema des heutigen Tages", verkündete der Nachrichtensprecher," endlich ist es der Polizei unter Mithilfe des FBI gelungen, ein Phantombild des vermeintlichen Kirchenattentäters anzufertigen." Alec fuhr unwillkürlich zusammen und starrte auf das Phantombild, das nun über den Bildschirm des Fernsehers flimmerte. Er sah in sein eigenes Gesicht.

"Ein Phantombild des Täters?", fragte Judy, die gerade hinter dem TV-Gerät an der Anrichte den Tee aufgoß und somit das Fernsehbild nicht sehen konnte. "Zeigen sie es gerade, Schatz?"

Alec hatte sich inzwischen aus seiner Starre gerissen. "Ja, komm schnell hier herüber, sieh es dir an!", gab er gespielt aufgeregt zurück. Noch bevor Judy die Anrichte umrundet hatte, stieg plötzlich Rauch aus dem kleinen Apparat auf, das Bild flackerte und erstarb.

"Was..., was ist denn jetzt passiert?", fragend sah sie ihren Ehemann an. Alec zuckte nur mit den Schultern, täuschte Unwissenheit vor und lachte dabei stumm in sich hinein. Doch nun mußte er auch wachsam sein, sie waren ihm fast auf die Spur gekommen, damit hatte er nicht gerechnet. Jetzt mußte er schnell handeln.

 

Kapitel 8

Mit großen Schritten eilte Scully auf Mulders Hotelzimmer zu, in das er sich vor wenigen Stunden zurückgezogen hatte. Wahrscheinlich würde sie ihn jetzt aus dem Schlaf reißen, aber das störte sie in keiner Weise. Schließlich durften die beiden keine Zeit verlieren, jetzt wo sie endlich eine heiße Spur hatten. Gerade waren bei der Polizei mehrere Hinweise eingegangen, wonach der auf dem Phantombild zu sehende Mann ein am hiesigen College unterrichtender Professor sei. Detective Buck hatte sie vor wenigen Minuten benachrichtigt. Sie klopfte an die Tür und erwartete ein grimmiges Brummen von der anderen Seite zu vernehmen. Aber dieses blieb aus. Anstelle dessen hörte sie nur: "Godzilla kehrt zurück ins Meer und Biolante zurück ins All."

Sie pochte lauter gegen die Tür. "Mulder, machen Sie auf!"

Vollständig bekleidet öffnete Mulder die Tür. "Schlafen Sie eigentlich immer angezogen?"

Mulder lächelte sie an: "Wie kommen Sie denn darauf, daß ich geschlafen habe? Ich wollte doch keine Zeit verlieren, wenn die ersten Hinweise eintreffen. Deswegen habe ich mir diese herrlichen Godzilla-Filme angesehen."

Scully war sprachlos. Deswegen schaltete Mulder den Fernseher aus und eilte dann aus seinem Zimmer. "Lassen Sie uns gehen. Je früher wir diesen Wahnsinnigen verhaften, desto besser."

**********

Scully drückte auf den Klingelknopf. Sie warteten.

"Hoffentlich ist überhaupt jemand zu Hause", meinte Mulder.

Scully klingelte erneut. "Es scheint niemand zu Hause zu sein", sie wandte sich zum Gehen.

"Scully, sehen Sie!", Mulder stand an einem Fester und schirmte mit den Händen die Augen ab um besser ins Innere sehen zu können.

"Was ist denn, Mulder?", fragte Scully und trat neben ihn.

"Der Backofen brennt! Wenn niemand zu Hause ist, müssen wir ins Haus, sonst bricht jeden Moment ein Feuer aus." Mit diesen Worten trat er auch schon zurück und zerschmetterte mit dem Ellenbogen das Küchenfenster. Schnell schlug er die Scherben aus dem Rahmen und kletterte ins Innere. Scully folgte ihm. Nachdem sie den Backofen abgestellt und einen Brand verhindert hatten, durchsuchten sie das Haus. "Hallo, ist jemand da?", riefen die beiden immer wieder, doch sie erhielten keine Antwort.

Plötzlich horchte Scully auf. "Haben Sie das gehört?"

Mulder blickte sie fragend an. "Was denn?"

Scully lauschte. "Na, das!" Ein dumpfes Pochen gefolgt von leisen Rufen war zu hören.

"Das kommt aus dem Keller!", stellte Mulder fest und lief los. Schnell machten sie die Quelle der Geräusche ausfindig. Eine schwere Stahltür war hinter jemandem ins Schloß gefallen, nachdem sich der Öffnungsmechanismus gelockert und auf den Boden gefallen war. Mulder befestigte diesen wieder und öffnete die Tür. Eine Frau mittleren Alters mit hochgesteckten, blonden Haaren stand vor ihnen.

"Vielen Dank, daß Sie mich befreit haben. Die Klinke hat sich gelöst und ich konnte die Tür nicht mehr rechtzeitig aufhalten." Plötzlich weiteten sich ihre Augen. "Oh, nein, der Backofen!", sie wollte gerade in die Küche stürmen, doch Mulder und Scully beruhigten sie.

"Keine Sorge, um den Backofen haben wir uns bereits gekümmert. Durch ihn haben wir sie auch erst gefunden."

Erleichtert atmete Judy auf. "Nun, wenn das so ist... Kann ich irgend etwas für Sie tun?"

"Ist Ihr Mann Alec Jones?", fragte Mulder.

"Ja, aber was...", sie schaute die beiden irritiert an.

"Ich bin Special Agent Dana Scully und das ist mein Partner, Special Agent Fox Mulder", klärte Scully sie schnell auf.

"Und was wollen Sie dann von meinem Mann?"

"Nun", Mulder ergriff erneut das Wort, "Ihr Mann ist der Hauptverdächtige in dem Fall der Kirchenzerstörungen, Mrs. Jones, und wir würden ihn gerne dazu vernehmen."

Entgeistert starrte Judy von einem zum anderen. "Mein Mann soll WAS getan haben? Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst?"

Scully versuchte sie zu beruhigen: "Mrs. Jones, bitte, lassen Sie uns Ihnen doch die ganze Sache erklären...", sie zog das polizeiliche Phantombild hervor und hielt es ihr entgegen. "Ist das Ihr Mann?"

Judy stockte und blickte auf das Bild. "Was hat das alles zu bedeuten?", fragte sie, nachdem sie im Wohnzimmer Platz genommen hatten. Immer wieder sah sie verwirrt auf das Phantombild und schüttelte den Kopf. "Dabei kann es sich doch nur um einen Zufall handeln. Wieso sollte mein Mann... das kann einfach nicht sein, es muß sich um einen Irrtum handeln!"

"Deshalb möchten wir auch mit Ihrem Mann sprechen, bevor irgend jemand vorschnelle Schritte unternimmt", beruhigte sie Scully. "Wir haben jedoch von sehr vielen Seiten Hinweise erhalten, die uns alle auf Ihren Mann verwiesen haben", gab sie zu Bedenken.

"Haben Sie denn noch nichts darüber durch die Medien erfahren?", fragte Mulder verwundert. "Das Phantombild ist doch praktisch ständig auf irgendeinem Fernsehkanal zu sehen oder wird in den Radionachrichten detailliert beschrieben."

"Unser Radioempfang ist momentan gestört und der Fernseher... nun, der hat heute Vormittag seinen Geist aufgegeben." Judy runzelte die Stirn, "Es lief gerade ein Bericht über die Kirchenvorfälle..."

"War Ihr Mann zufällig gerade anwesend?", fragte Mulder nun gespannt.

"Ja, er saß am Küchentisch und sah sich die Nachrichten an. Ich goß gerade den Tee auf und konnte nicht sehen, was im Fernsehen lief, ich hörte nur, daß es endlich ein Phantombild geben sollte", sie hielt kurz inne. "Alec meinte aber, daß er den Mann nicht kennen würde."

"Ist Ihr Radioempfang zufällig auch erst seit heute vormittag gestört?", vermutete Mulder. Judy nickte stumm. "Und das Telefon?", fragte Mulder weiter. "Hat niemand angerufen?"

"Doch, doch", erwiderte Judy. "Das Telefon hat praktisch ständig geklingelt, aber ich hatte mich im Keller eingesperrt. Gott sei Dank sind Sie vorbeigekommen..."

"Sind Sie sicher, daß es ein Unfall war?", hakte Mulder mißtrauisch nach.

Judy blickte verwirrt. "Was wollen Sie damit sagen?"

Mulder winkte ab. "Nicht weiter wichtig, nur eine weitere Überlegung von mir. Sind Ihnen irgend welche Veränderungen an Ihrem Mann aufgefallen?", fragte Mulder dann weiter, er hatte die Fährte aufgenommen.

"Nun", begann Judy, "unsere Katze hat momentan etwas gegen ihn. Jedes Mal, wenn er in ihre Nähe kommt, läuft sie schreiend davon. Ich weiß auch nicht, was sie im Moment hat." Sie überlegte kurz, ehe sie fortfuhr. "Er ißt jetzt auch wieder Fleisch, dabei ist er überzeugter Vegetarier, seit ich ihn kenne. Das Fleisch kann ihm nun gar nicht blutig genug sein."

"Aber ansonsten ist Ihnen nichts aufgefallen?", hakte Mulder nach. "Keine Veränderung im Verhalten? Riecht er anders? Nach Schwefel vielleicht? Oder hat er irgendwelche Kultgegenstände bei sich?"

"Er trägt ein merkwürdiges Amulett um den Hals, das ich noch nie zuvor bei ihm gesehen habe. Er hat es seit etwa einer Woche, denke ich." Judy zögerte.

Mulder merkte, daß da noch etwas war, daß ihr aufgefallen sein mußte. "Mrs. Jones", begann er mit sanfter Stimme, "Sie können uns wirklich alles erzählen, egal, wie merkwürdig es sich Ihrer Meinung nach auch anhören mag. Glauben Sie mir, wir sind vieles gewohnt", er sah Scully an.

Unsicher sah Judy von einem zum anderen. Aufmunternd nickte ihr Scully zu. "Wissen Sie", begann sie schließlich zögernd, "seit einer Woche habe ich ein merkwürdiges Gefühl, wenn ich in seiner Nähe bin. Ich dachte erst, es läge an mir und ich würde krank werden", sie zuckte die Schultern. "Es ist wie ein kalter Schauer, der den ganzen Körper erfaßt. Es ist ein unangenehmes Gefühl", sie seufzte. "Was hat das alles zu bedeuten?"

"Das versuchen wir herauszufinden, Mrs. Jones", erwiderte Scully. "Wo ist Ihr Mann gerade?", fragte sie dann.

"Er sagte, er müsse dringend etwas erledigen, dann ist er gegangen."

"Könnten wir uns ein wenig umsehen?", erkundigte sich Mulder. "Vielleicht finden wir ja einige Hinweise und Anhaltspunkte."

"Natürlich", erwiderte Judy und erhob sich. "Ich zeige Ihnen am Besten zunächst sein Arbeitszimmer. Dort hat er eigentlich die meiste Zeit der letzten Woche verbracht, wenn er nicht in der Universität war."

"Nun, hier scheint auch nichts zu finden zu sein", meinte Scully, nachdem sie den Schreibtisch und die Regale des kleinen Raumes durchsucht hatte.

"Noch sind wir nicht ganz fertig", meinte Mulder nur, ohne aufzusehen. Gerade durchforstete er eine kleine Kommode, doch auch dort war nichts von Bedeutung zu finden. Er erhob sich und sah sich im Zimmer um. Sein Blick viel schließlich auf das Einzige, daß sie bisher nicht einer näheren Untersuchung unterzogen hatten. Den Wandschrank. "Eine Chance haben wir noch", meinte Mulder, ging auf den Schrank zu und wollte ihn öffnen.

"Er schließt ihn immer ab", sagte Judy. "Ich weiß nicht, wo er den Schlüssel hat. Vermutlich trägt er ihn bei sich."

Mulder nickte. "Dann werde ich ihn wohl aufbrechen müssen..."

"Aber die Türen sind aus schwerer Eiche und das Schloß ist ziemlich stabil", warf Judy ein. "So einfach läßt sich der Schrank nicht öffnen."

Mulder überlegte kurz. "Haben Sie zufällig eine Axt?"

Eine Viertelstunde später hatte Mulder die Schranktüren soweit zertrümmert, daß sich der Schloßmechanismus problemlos herausbrechen ließ. Die Türen öffneten sich.

"Was ist denn das?", fragte Scully und trat näher heran.

"Da fragen Sie mich zuviel", gab Judy zu. "Ich habe das Ding noch nie zuvor hier gesehen."

"Na, vermutlich, weil er es die ganze Zeit über schön verschlossen im Schrank hatte", war Mulders Kommentar dazu. Vor ihnen stand eine lebensgroße, hölzerne Statue.

"Warum sollte sich jemand das hölzerne Abbild einer Nonne in den Schrank stellen?", fragte Scully verständnislos.

"Ich denke, das ist nicht nur irgendeine Nonne, Scully. Wenn ich mich recht entsinne, handelt es sich hier um die Nonne, die dem jüngsten Kircheneinsturz zum Opfer gefallen ist."

Ein lauter Donnerschlag durchdrang die folgende Stille. Leise begann es zu regnen.

 

Kapitel 9

Etwa zur selben Zeit saßen die beiden Officer Nick Healy und Ben Searcy vor der Salznik Kirche in ihrem zivilen Überwachungsfahrzeug und aßen Sandwiches und Donuts. Der Regen prasselte auf das Wagendach und lief in Schlieren an der Windschutzscheibe herab.

"Am Donnerstag feiert Joshua seinen zwölften Geburtstag. Ich hoffe, daß bis dahin diese ganze Sache ausgestanden ist", meinte Healy.

Searcy biß begierig in sein Sandwich und antwortete mit vollem Mund: "Ganz meiner Meinung. Ich kann mir auch Besseres vorstellen als den ganzen Tag vor einer Kirche zu stehen und alle Besucher genau zu beäugen. Als ob man es jemandem ansehen könnte, daß er regelmäßig Kirchen zum Einsturz bringt! Und wer wagt sich bei so einem Wetter schon vor die Tür, um zur Kirche zu gehen?"

"Immerhin haben wir jetzt endlich ein Phantombild, da sollte es uns wohl leichter fallen, den Kerl zu erkennen."

"Also, ich bezweifle, daß uns das Ding wirklich helfen wird. Das haben sich diese komischen Typen vom FBI doch nur ausgedacht, um uns ruhig zu stellen. Weißt du, woher sie dieses Bild haben?" Er hob das Phantombild verächtlich hoch. "Von irgend so einem Typen, den sie hypnotisiert haben. Das haben die vorher auch mit einer Nonne gemacht, die dabei total ausgerastet ist und laut 'Satan, Satan' geschrien haben soll. Sicher ist die inzwischen in der Klapsmühle. Ist auch kein Wunder. Schau ihn doch an. So soll der Satan aussehen? Die ist ja völlig durchgeknallt."

"He, wer steht denn da?", meinte sein Partner plötzlich.

Ben sah auf und erblickte eine schemenhafte Gestalt, die direkt vor dem Wagen stand. Er schaltete die Scheibenwischer ein und sah genau in das grinsende Gesicht von Alec, das durch das Stroboskoplicht der flackernden Blitze noch dämonischer aussah. Bens Hand schnellte zu seiner Waffe, mit der anderen griff er nach dem Türgriff. Doch dort kam sie nie an. Auf einmal durchzuckte ein stechender Schmerz seinen Körper und schien ihn innerlich zu zerschneiden. Sein Blick verschwamm, während beide Hände zu der Stelle wanderten, an der das Herz lag und wo das Zentrum dieses unnatürlichen Schmerzes lag. Er öffnete seinen Mund zum stummen Schrei. Die Schmerzen, die seinen Körper schon völlig eingenommen hatten, wurden noch stärker als er ruckartig seinen Kopf zur Seite warf, um zu seinem Kollegen zu blicken. Er war nur noch Schmerz. Sein Sichtfeld verengte sich immer weiter, doch er konnte sehen, daß auch Healy dem Tode nahe in seinem Sitz saß, die Hand fest auf das Herz gepreßt. Dieser starrte mit einem Blick voll Entsetzen und grenzenlosem Schmerz durch die Windschutzscheibe, wo noch immer der gesuchte Mann stand. Searcy wußte, daß er nur noch wenige Momente zu leben hatte. Doch er wollte seinen scheinbaren Mörder noch einmal genauer sehen. Mit letzter Kraft wandte er seinen Kopf und sah Alec direkt ins Gesicht, das nun zu einem übertriebenen Lächeln verzerrt war. Alec hob seine Hände und schien den beiden Männern mit dessen Inhalt zuzuprosten, zwei Herzen, die zitternd ihre letzten vergeblichen Pulse schlugen. Dies war das letzte, was Searcy sehen sollte. Seine Sicht wurde schwarz und kurz darauf hörte der Schmerz auf... für immer.

Draußen stand Alec und schaute vergnügt dem Tod der beiden Polizisten zu. Der Donner grollte, Blitze zuckten und der Regen nahm stetig zu. Voll Verachtung über die menschliche Schwäche schloß er beide Fäuste und die Herzen verwandelten sich zu Staub. Er blies ihn in Richtung Auto. Bei diesem Regen würde es lange dauern, bis jemand auf die beiden leblosen Officers aufmerksam würde, doch dann sollte es bereits zu spät sein...

Daraufhin wandte er sich um und ging Richtung Kirche. Er hatte noch viel zu tun und die Zeit rann ihm durch die Finger wie die zu Staub zerfallenen Herzen. Er fand den Pastor, wie dieser in der ersten Bankreihe saß und gerade in der Bibel las. Überrascht blickte der Mann auf. "Wie kann ich Ihnen helfen?"

"Sie können mir ihre Seele geben." Mit diesen Worten packte Alec den völlig verdutzten Pastor am Kragen, beugte sich über ihn und sprach einige mystische Worte. Die Augen des Priesters weiteten sich vor Schmerz und Entsetzen, sein Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei. Alecs Augen glühten in teuflischem Rot, er zitterte vor Anstrengung, Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Er schaute auf. Zischend sog er den Atem durch die Zähne, nun war es soweit. Der Priester verdrehte die Augen, Alec fühlte den schwächer werdenden Puls, die entweichende Lebenskraft. Plötzlich umgab eine schimmernde Aura den sterbenden Priester, sammelte sich zu einem glühenden Energieball und trat mit einem gleißenden Funkeln in das Amulett ein, das Alec um seinen Hals trug. Mit einem Seufzer der Befriedigung ließ er von dem Priester ab, dessen Körper augenblicklich in sich zusammensackte.

Alec sah sich um. Bald schon würde auch dieses Gotteshaus der Vergangenheit angehören und vom grauen Schleier der Vergessenheit ummantelt werden. Seine Herrschaft jedoch, würde ewig währen.

**********

"Mulder, sehen Sie!", Scully starrte fasziniert auf die Statue. Diese wies nun nicht länger die Züge einer Nonne auf, sondern schien in einen metamorphen Zustand übergegangen zu sein.

"Was geht hier vor?", flüsterte Judy fassungslos, dennoch gefesselt von dem Schauspiel. Die Konturen der Statue verschwammen, bis das Abbild der Nonne nicht mehr auszumachen war.

"Ich denke, ich weiß, was hier geschieht", murmelte Mulder. "Es hat ein weiteres Opfer gegeben, dessen Züge wir in wenigen Augenblicken hier sehen werden", er blickte auf die Statue.

"Das ist doch nicht Ihr Ernst, Mulder?" Scully sah ihren Partner fragend an. "Wie bitte soll das denn Ihrer Meinung nach funktionieren?"

"Nun", begann Mulder, "Hinweise auf die Todesursachen der beiden bisherigen Opfer konnten nicht gefunden werden, bis auf die Tatsache, daß die Zirbeldrüsen schwarz und völlig abgestorben zu sein schienen. Da die Zirbeldrüse bekanntlich der Sitz der Seele ist..." Er sah kurz auf. Scully blickte ihn ungläubig an, doch er ließ sich nicht beirren. "... denke ich, daß dem Priester als auch der Nonne die Seelen gestohlen wurden, und wer anders könnte das tun, als der Satan? Möglicherweise dient das Amulett hierbei als Energiespeicher und die Statue absorbiert das Aussehen der Opfer."

"Satan?", Judy sah verständnislos und verängstigt zwischen den beiden hin und her. "Sie wollen doch nicht etwa sagen, daß meine Mann der Satan ist, oder?"

"Er IST nicht der Satan, Mrs. Jones", stellte Mulder richtig, "Ihr Mann ist lediglich von ihm besessen... möglicherweise gerade durch besagtes Amulett."

"Mulder, jetzt reicht es aber!", fuhr ihn Scully an. "Sie ängstigen Mrs. Jones mit Ihren wilden Theorien noch zu Tode. Sie haben nicht die...."

"Sehen Sie nur!", warf Judy ein und trat an die Statue heran, die ihre Wandlung vollendet hatte. "Ich kenne diesen Mann! Das ist Pastor Sydney, die Kirche liegt nur wenige Blocks von hier entfernt, in der Lois-Street."

"Na, dann los!" Mit diesen Worten war Mulder auch schon aus der Tür verschwunden.

 

Im Wagen wählte Scully die Nummer der Polizeizentrale um sich mit dem Wachposten vor dieser Kirche verbinden zu lassen, doch ein Kontakt konnte nicht hergestellt werden. Mulder drückte aufs Gas.

 

Kapitel 10

Alec war noch immer in der Kirche. Mit ausgebreiteten Armen stand er vor dem Altarraum, hinter sich ein großes, hölzernes Kreuz, vor sich die leeren Bankreihen. Er fühlte sich stark, genoß seinen Sieg. Bald schon würde er genügend Kraft gesammelt haben, um gegen die große Macht seines Erzrivalen antreten und sie besiegen zu können, endgültig. Nicht noch einmal wollte er sich vom größten aller Ziele abbringen lassen, nein, diesmal würde er es zu Ende bringen. Vor seinem geistigen Auge sah er gefüllte Bankreihen vor sich, Untertan neben Untertan, ob gläubig oder nicht, sie würden alle ihm gehören. Ein schauerliches Lachen schallte durch die Mauern der Kirche untermalt von grollendem Donner.

**********

"Hier muß es sein, hoffentlich ist er noch drin." Mulder fuhr an den Straßenrand und die beiden Agenten stürmten aus dem Auto. Sie liefen in Richtung der großen hölzernen Eingangstür der Kirche und stellten sich jeweils seitlich davon. Dumpfes Gelächter drang an ihre Ohren. Beide zogen ihre Waffen und sahen sich kurz in die Augen. Sie nickten sich zu.

"Also los!", meinte Scully in gedämpftem Tonfall, öffnete die Tür und ging vorsichtig in das Innere der Kirche. Mulder folgte ihr, aufmerksam die Umgebung beobachtend. Sie entdeckten Alec, wie er höhnisch lachend im Altarraum stand und sich mit ausgestreckten Armen um sich selbst drehte. Plötzlich spielte die Orgel eine schauerliche Melodie. Suchend sahen sich Mulder und Scully nach einer weiteren Person um, die die Orgel bediente, doch niemand saß in der kleinen Orgelloge, die sich rechts neben dem Altarraum befand. Dann bebte die Erde.

"FBI!", rief Mulder und versuchte, das Lachen und das Orgelspiel zu übertönen. "Keine Bewegung, Sie sind verhaftet!"

Das Orgelspiel verstummte so plötzlich, wie es begonnen hatte und auch das Lachen erstarb. Beide Agenten richteten ihre Waffen auf Alec, der nun reglos vor dem Altar stand und die beiden Eindringlinge erstaunt ansah. Dann ging er einige Schritte auf sie zu, ein diabolisches Grinsen im Gesicht.

"Bleiben Sie stehen!", rief Scully und richtete ihre Waffe neu aus.

"Wir wissen, wer du bist!", rief Mulder. "Dein Spiel ist aus! Jetzt leg das Amulett ab!"

Alec blickte sichtlich überrascht. Wie konnten sie das wissen? Er strich zärtlich über den Anhänger, fühlte die darin verborgene Macht. Dann machte er einen weiteren Schritt auf die beiden Agenten zu.

"Stehenbleiben!", rief Scully. "Noch einen Schritt und wir schießen! Das ist die letzte Warnung!"

Alec beachtete ihre Worte nicht, die beiden mußten ausgeschaltet werden. Plötzlich hatte er Blickkontakt zu Mulder und hielt ihn. Mulder stand wie gebannt. Unfähig noch einen klaren Gedanken zu fassen, ließ er seine Waffe sinken.

"Mulder!", rief Scully. "Was machen sie denn?!"

Mulder reagierte nicht. Scully sah zwischen ihm und Alec hin und her, was hatte das zu bedeuten? Sie bemerkte den intensiven Blickkontakt. Irgendwie schien es diesem mysteriösen Mann gelungen zu sein, Mulder zu beeinflussen. Langsam kam Alec immer näher.

"Halt!", rief Scully zum wiederholten Male.

"Mulder, sehen Sie ihm nicht in die Augen!" Sie versuchte, Mulder aus dem Bann zu reißen, doch es war vergeblich.

Alec war nur noch wenige Schritte entfernt, er streckte seine Hände nach vorne, bereit, sie um Mulders Hals zu schließen, sobald er ihn erreicht hatte.

"Bleiben Sie stehen, oder ich schieße!", rief Scully wieder, doch Alec beachtete sie nicht. Scully schoß. Ungläubig mußte sie mit ansehen, wie Alec ein leichter Ruck durchfuhr, als die Kugel ihn traf, doch ansonsten nichts geschah. Die Kugel schien von seinem Körper absorbiert zu werden ohne eine Wunde zu hinterlassen. Weiter kam er auf Mulder zu, der noch immer wie in Trance bewegungslos dastand, zielstrebig und unaufhaltsam. Scully feuerte erneut. Wieder ohne Resultat. Plötzlich kam ihr Mulders Theorie wieder in den Sinn und sie erkannte ihre letzte Chance. Sie nutzte sie. Mit einem gezielten Schuß traf sie das Amulett. Es zerbarst in tausend Teile, die mit leisem Klirren auf den Boden der Kirche fielen. Dann war alles still. Selbst das tosende Gewitter erstarb. Alec stand reglos wenige Meter vor den beiden Agenten.

Mulder schüttelte die Benommenheit von sich. "Was...?" Verwirrt sah er Scully an.

"Sind Sie okay, Mulder?", fragte sie ihn. "Er hatte Sie in eine Art von hypnotischem Zustand versetzt."

Mulder sah zu Alec herüber. "Was ist mit ihm?"

"Ich weiß es nicht", erwiderte Scully. "Seit ich das Amulett zerschossen haben, steht er so da."

Langsam ging Mulder auf Alec zu. "Mr. Jones? Hören Sie mich?" Vorsichtig legte er ihm eine Hand auf die Schulter.

Ein Zucken durchfuhr Alec und er erwachte aus seiner Abwesenheit. "Was... was ist denn passiert?" Verwirrt schaute er sich um. "Wie komme ich denn hier her?" Dann sah er die beiden Agenten an. "Wer sind Sie?"

Draußen zerriß die Sonne die schweren Wolken und trocknete die regennassen Straßen.

**********

"Das habe ich getan? Oh, mein Gott, das kann doch nicht wahr sein...", Alec schlug die Hände vor sein Gesicht.

Mulder und Scully hatten ihn nach Hause gefahren und ihm und seiner Frau alles erklärt.

"Und das alles nur wegen dieses Amuletts?", fragte er dann.

Mulder nickte. "Das vermuten wir. Scheinbar war darin eine böse Präsenz gefangen, die auf Sie überging, nachdem Sie sich das Amulett umgehängt hatten. Dies würde auch mit Ihrer Aussage übereinstimmen, daß Sie sich ab dem Zeitpunkt an nichts mehr erinnern können."

Alec nickte. "Das stimmt. Der Jahrmarkt ist das Letzte, an das ich mich erinnern kann. Ich weiß nicht einmal mehr, ob ich die Statue, die ich kaufen wollte, überhaupt mitgenommen habe...", er schüttelte verwirrt den Kopf.

"Nun, die Statue haben Sie", entgegnete Scully. "Zumindest haben wir eine in Ihrem Wandschrank gefunden."

"Das Amulett und die Statue bildeten eine Einheit", fuhr Mulder fort. "Während die psychische Energie der Opfer in das Amulett überging, ging die physische auf die Statue über. Sie nahm die Form des letzten Opfers an."

"Das ist ja unglaublich", staunte Alec.

"Unglaublich, aber wahr", gab Scully zurück. "Kommen Sie, wir zeigen es Ihnen." Sie gingen in das Arbeitszimmer.

"Aber, was...?", Scully war ratlos. Die Statue hatte offenbar wieder metamorphiert und hatte jetzt eine abstrakte, humanoide Form angenommen, ohne jegliche Konturen.

"Genau so sah sie aus, als ich sie gekauft habe!", meinte Alec dazu. Dann, nach näherem Hinsehen: "Naja, allerdings ohne diese Löcher."

Scully trat näher an die Statue heran. "Mein Gott", murmelte Sie dann.

"Was haben Sie, Scully?", fragte Mulder mit wachsendem Interesse.

Scully sah ihn an, dann wieder die Löcher in der Statue. "Das sind Schußlöcher, Mulder. Aber nicht irgend welche. Das sind exakt die Stellen, an denen ich Mr. Jones getroffen habe..."

Mulder staunte. "Das Amulett hatte mehr Macht, als ich dachte. Offenbar hielt es auch jegliche äußeren Einflüsse von Mr. Jones fern und leitete sie auf die Statue ab."

"Aber wie ist denn so etwas möglich?", fragte Judy, die bislang alles nur ungläubig mit angehört hatte.

Scully schüttelte entschuldigend den Kopf.

"Für manche Dinge gibt es keine Erklärungen", meinte Mulder nur.

"Glauben Sie denn immer noch, daß es der Satan war, der von meinem Mann Besitz ergriffen hatte?", fragte Judy dann vorsichtig.

"Den Aussagen einer Ordensschwester zufolge, die einen dämonischen Schatten und eine entsprechende Fratze in bezug auf Ihren Mann gesehen haben will, ist dies anzunehmen. Sicher werden wir jedoch nie sein", entgegnete Mulder. "Seien Sie aber unbesorgt", fuhr er beruhigend fort, "das Amulett ist zerstört und hat nun keinen Einfluß mehr auf ihren Mann."

**********

Noch bevor die ersten Streifenwagen vor der Kirche vorfuhren, betrat eine kleine alte Frau das Gotteshaus. Langsam, auf leisen Sohlen, ging sie zielstrebig durch den Mittelgang. Dann sank sie auf die Knie, doch nicht um ehrfürchtig Gott zu huldigen, sondern um einem anderen Meister zu dienen. Sorgfältig suchte sie sämtliche Teile des zersplitterten Steines auf, der in dem Amulett eingefaßt war. "Sei unbesorgt", flüsterte sie, "schon bald sollst du eine zweite Chance erhalten."

Es war nicht vorbei.

 

Ende

 

Copyright © 1998 by Frédèric Weymann and Stephanie Tallen

 


Frédèric Weymann  Frederic.Weymann@t-online.de Stephanie Tallen  LucienLacroixI@aol.com