Zur Beachtung: Diese Geschichte wurde nur zu meinem eigenen und zum Spaß für andere SW-Fans geschrieben. Ich verfolge damit keine finanziellen Absichten; weder jetzt noch in Zukunft. Sie soll in keiner Weise die Rechte von Lucasfilm, LucasArts und anderen Rechteinhabern berühren

Anmerkung für die Leser: Ich schreibe meine Storys, wie ich gerade Lust habe. Dass sie dadurch nicht immer ins offizielle SW-Universum passen und untereinander nicht unbedingt in Beziehung stehen, betrachte ich als kreative Freiheit. Man möge mir verzeihen.

Konstruktive Kritik wird gerne entgegengenommen - aber treibt es nicht zu bunt, Leute ;-)
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Dairyû

Viel Spaß!

!Diese Story ist gewalttätig und manchmal etwas "unappetitlich"; also seid gewarnt!


Unerwartete Begegnungen
Dairyû


   Als Jerec den Thronsaal des Imperators betrat, empfing ihn fast völlige Dunkelheit. Einzig der sanfte Schein des Nachthimmels von Coruscant leuchtete durch das große, ovale Fenster an der Stirnseite des Saales. Aber dieses Licht reichte nur wenige Meter weit.
Nicht dass es einen Unterschied gemacht hätte, wäre der Thronsaal hell erleuchtet gewesen. Jerec war immer von Dunkelheit umgeben ... weil er blind war. Aber er wusste genau, dass er durch einen dunklen Saal ging. Seine machtgeschärften Sinne nahmen jedes Detail wahr, jede Säule, jede Skulptur ... jedes Lebewesen.
Zielstrebig bewegte er sich auf den erhöhten Thronsitz am Ende des Saales zu. Dort saß Palpatine – eine vertraute Erscheinung in seiner dunklen Robe.
Der Imperator warf Jerec einen Blick aus stechenden, geblichen Augen zu.
Auch Palpatine hatte keine Mühe in der Finsternis zu "sehen". Die Energien der Dunklen Seite erfüllten ihn, seinen Diener und den gesamten Saal ... mehr war nicht nötig.
Jerec blieb vor den Stufen, die zum Thron empor führten, stehen. Er ließ sich auf ein Knie nieder und neigte ehrerbietig den Kopf. "Ihr habt mich gerufen, mein Gebieter", sagte er sanft.
"Ja, Jerec", antwortete Palpatine, während er sich erhob und fast lautlos die Stufen des Thronpodestes herunter kam, um ein ewig wiederkehrendes Ritual durchzuführen.
Er passierte seinen knienden Diener und die schwarze Zeydtuch-Robe berührte Jerec flüchtig; wie unabsichtlich.
Der Dunkle Jedi erschauerte. Er kannte Palpatines Macht nur zu gut und er hasste die Überlegenheit des Imperators, die ihm diese Macht – die Macht – verschaffte. Jerec hasste es, dienen zu müssen ... aber er hatte keine andere Wahl, wenn er leben wollte. Am meisten jedoch hasste er die kleinen, subtilen Hinweise des Imperators, mit denen dieser seine Überlegenheit kundtat – so wie jetzt.
"Erhebt Euch!"
Jerec stand langsam auf. Wenigsten ließ Palpatine ihn nicht in seiner demütigen Haltung verharren, während er seine Befehle gab. Oftmals hatte Jerec etwas ganz anderes als dieses Minimum an Höflichkeit erlebt.
Er wandte sich in die Richtung, aus der die Stimme des Imperators erklungen war.
"Ich habe beschlossen, Euch das Kommando über einen Sternzerstörer zu geben. Die Zeit bringt es mit sich, dass Ihr mobil sein müsst und über eigene Truppen verfügen könnt", fuhr Palpatine fort.
Jerec war überrascht und zugleich verärgert.
Normalerweise verheimlichte der Imperator die Existenz der wenigen Dunklen Jedi in seinen Diensten. Es gab kaum eine Handvoll Personen, die Jerecs wahre Identität kannten und er war angehalten worden, dass sich daran nichts änderte. Es war Jerec sogar lieb, dass er im Verborgenen wirken konnte. Und nun wollte der Imperator ihm einen Sternzerstörer unterstellen!
"Ihr werdet offiziell als Agent des Imperialen Geheimdienstes auftreten", sagte Palpatine, so als hätte er die Gedanken seines Dieners gelesen.
Aber Jerecs Geist war für ihn ebenso verschlossen, wie der Darth Vaders. Manchmal erfasste er einen Gedanken oder ein Gefühl von Vader und Jerec, aber das war zu wenig, um sicher sagen zu können, was beide bewegte. Den Imperator kümmerte es im Übrigen auch nicht. Wenn zwei Wesen sich seinem mentalen Zugriff entziehen konnten ... warum nicht. Er war selbstbewusst genug, sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Er hatte genug Macht, um seine Diener im Zaum zu halten ... auch wenn sie irgendwann versuchten, ihre eigenen Pläne in die Tat umzusetzen. Er würde immer wachsam sein. Das war ein geringer Preis für zwei mächtige Untergebene, die der Dunklen Seite zum Sieg verhelfen würden.
"Ihr werdet das Kommando über die Vengeance unverzüglich übernehmen, denn es ist ein weiterer Jedi gefunden worden." Palpatine klang sehr zufrieden. "Es wird Eure Aufgabe sein, diesen Jedi zu vernichten! Da Ihr damit Erfahrungen habt, sollte es keine Probleme geben."
Jerec lächelte, was die Tätowierungen an seinen Mundwinkeln zum Leben erweckte. Oh ja, er konnte sich rühmen, schon viele Jedi aus der Galaxis getilgt zu haben. Schließlich war das eine seiner Hauptaufgaben im Dienste des Imperators. Jerec genoss diese speziellen Pflichten jedes Mal aufs Neue; galt es doch, den erbärmlichen Orden der Jedi auszulöschen. Bald würde es soweit sein! Jeder tote Jedi verschaffte Jerec Befriedigung.
Palpatine sprach weiter: "Euer Weg führt Euch zu den alten Grabanlagen auf Korriban."
Korriban?
Jerec war nicht leicht zu beeindrucken und noch weniger zu erschüttern, aber dieses Wort verhieß Unheil. Korriban war eine der Welten, auf denen die Sith geherrscht hatten, die erfüllt war von der Dunklen Seite und – was noch viel schwerer wog – sie beherbergte die Gräber unzähliger Sith-Lords. Die Legenden über Korriban berichteten von Tod und Verderben ... und noch Schlimmerem. Was tat ein normaler Jedi auf Korriban? Die Jedi hatten schon immer einen großen Bogen um den Planeten gemacht, und das aus gutem Grund.
"Verzeiht, mein Gebieter", warf Jerec vorsichtig ein. "Ich kann nicht glauben, dass meine Beute sich auf Korriban aufhält. Das dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein!"
Palpatine lachte leise. "Ich kann Euren Unglauben verstehen, Jerec, aber es ist eine Tatsache, dass ein Jedi auf Korriban Unterschlupf gefunden hat ... Das sagt eine Menge über diesen Jedi, findet Ihr nicht?" Die Stimme des Imperators hatte einen kaum wahrnehmbaren amüsierten Unterton.
Jerec war gewarnt. Diese Jagd würde anders werden, als all diejenigen vor ihr.
Dieses Wissen spornte den Dunklen Jedi an. Er liebte Herausforderungen. Sie gaben ihm ein unbeschreibliches Gefühl der Lebendigkeit.
Palpatine wandte sich wieder seinem Thron zu. Er setzte sich und Jerec erwartete, entlassen zu werden. Aber der Imperator war noch nicht fertig.
"Ich habe noch eine Aufgabe für Euch", sagte er. "Ihr bekommt einen Offizier an die Seite gestellt, der meine besondere Aufmerksamkeit genießt. Und ich möchte, dass Ihr ein ... Auge auf ihn habt. Nehmt ihn mit, wenn Ihr Eure Aufgaben erfüllt, wann immer das machbar ist."
"Mein Gebieter ...!"
Jerec wollte protestieren, aber Palpatine ließ ihn nicht zu Wort kommen.
"Nein. Ich dulde keinen Widerspruch. Ihr seid für diesen Mann verantwortlich! Habe ich mich klar ausgedrückt?"
Jerec nickte grimmig und zügelte seinen Zorn. Das letzte was er sein wollte, war ein Aufpasser für irgendeinen dahergelaufenen Offizier. Es reichte schon, dass er auf der Vengeance mit Soldaten zu tun bekam ...
Jerec hatte nie viel für das imperiale Offizierskorps übriggehabt. Nur wenn es sich gar nicht vermeiden ließ, arbeitete er mit den Offizieren zusammen. Er mochte sie nicht – weil sie ihn spüren ließen, dass sie ihn nicht als gleichberechtigt ansahen – und sie mochten ihn nicht – weil sie merkten, dass er etwas Besonderes, nicht zu Beherrschendes war. Aber gerade weil diese Aversion auf Gegenseitigkeit beruhte, war eine Zusammenarbeit möglich. Beide Seiten heuchelten höflich Respekt, wenn sich ein Zusammentreffen gar nicht vermeiden ließ, und gingen sich wenn möglich aus dem Weg. Dieses Arrangement fand sehr zu Jerecs Verdruss nun ein für ihn lästiges Ende.
Der Imperator wartete ein Weile, bis sich Jerecs innerer Aufruhr gelegt hatte. Er wusste sehr wohl, dass er dem Dunklen Jedi keinen Gefallen tat. Aber es konnte Jerecs Ego nicht schaden, ein wenig zurecht gestutzt zu werden. Außerdem war Palpatine sich sicher, dass sowohl Jerec, als auch der besagte Offizier Nutzen aus der Zusammenarbeit ziehen würden.
"Gut", sagte der Imperator. "Ihr wollt sicher wissen, wen ich Euch zur Seite zu stellen gedenke ..."
Palpatine drückte einen der vielen Schalter, die in den Armlehnen seines Throns eingelassen waren.
Eine der geheimen Seitentüren des Thronsaals öffnete sich und ließ kurz gelbes Licht aus einem Flur in den Saal scheinen. In diesem Licht war eine Gestalt zu erkennen, die langsam durch die Tür trat. Abrupt verschwand das Licht, als die Tür sich hinter dem Neuankömmling schloss.
"Treten Sie näher, Leutnant!" forderte Palpatine den Mann auf.
Jerec betrachtete den Offizier durch die Macht. Das erste, was dem Dunklen Jedi auffiel, war die kraftvolle Präsenz des anderen. Der Mann war keineswegs machtbegabt, aber sein Geist warf ein ungewöhnliches Abbild in der Macht. Das zweite, was Jerecs Aufmerksamkeit erregte, waren die Augen des anderen; sie glühten von innen, wie erfüllt von dämonischem Licht. Und noch etwas war ungewöhnlich: die Hautfarbe des Mannes. Sie war nicht so, wie Jerec sie bei Menschen durch die Macht normalerweise wahrnahm. Die Person, die auf ihn zukam, war kein reiner Mensch, obwohl sie menschliche Gestalt hatte ... sie hatte Alienblut in sich!
Das war sehr außergewöhnlich; zumindest für einen Offizier im Dienste des Imperators. Palpatine war gemeinhin dafür bekannt, nichtmenschlichen Rassen mit Verachtung zu begegnen. Der Mann musste in der Tat etwas Besonderes sein.
Der Leutnant war mittlerweile bei Jerec angekommen. Auch seine Augen waren in der Dunkelheit so perfekt, dass sie ihn nicht beeindruckte.
Beeindruckend hingegen fand er sein Gegenüber. Der Mann war größer als er selber – was schon einiges hieß – und von Kopf bis Fuß in Gewänder gehüllt, die bei Licht betrachtet tiefschwarz sein mussten; bis auf die blutroten Zeichen auf den Säumen des Kapuzenumhangs, den der Mann lässig um die Schultern trug. Die Kleidung erinnerte den Leutnant ein wenig an Darth Vader, den Dunklen Lord der Sith. Seine Augen wanderten zum Gürtel seines Gegenübers. Aber dieser war durch den Mantel verdeckt und so konnte der Leutnant nicht feststellen, ob dort hing, was er erwartete: ein Lichtschwert; diese archaische Waffe, welche die Jedi – die Diener der seltsamen Macht, deren Existenz er nur zu gerne anzweifelte – trugen.
Nun gut. Das konnte alles und nichts bedeuten.
Jetzt konzentrierte er sich auf das Gesicht des Mannes. Asketisch, hart und grausam, so würde er dieses Gesicht beschreiben ... mit einem kalten und erbarmungslosen Geist hinter den ... nichtexistenten Augen!
Einen Moment lang war der Leutnant irritiert. Aber er hatte sich noch nie unnütz Gedanken gemacht. Der Mann unterstand direkt dem Imperator, also musste er Qualitäten besitzen, die seine Blindheit vergessen ließen.
Palpatine unterbrach die gegenseitige Musterung der ungleichen Männer indem er sagte: "Jerec, das ist Leutnant Thrawn. Ihr werdet feststellen, dass er ein überaus begabter Offizier ist. Ansonsten wäre er nicht hier."
Jerec erwartete irgendeine Reaktion des Leutnants, denn die Herablassung in den Worten des Imperators war offenkundig. Aber Thrawn verzog keine Miene. Auch seine Gefühle – die Jerec ohne Mühe ergründen konnte – blieben neutral. Entweder dieser Mann besaß ein ungeheures Selbstwertgefühl ... oder gar keins. Beides war für einen Nichtmenschen in der Imperialen Flotte nur von Vorteil.
Der Dunkle Jedi vergaß allmählich seinen Zorn über seine Aufpasserrolle. Jerecs Neugier war geweckt. Er wollte wissen, was es mit Thrawn auf sich hatte.
"Leutnant Thrawn", fuhr der Imperator mit seiner formellen Vorstellung fort. "Dies ist Jerec. Betrachten Sie ihn als Ihren neuen Vorgesetzten für die nächste Zeit. Sie werden Jerec auf die Vengeance begleiten."
Weitere Informationen bekam Thrawn nicht.
Der Imperator hielt nicht viel davon, Untergebene mit detaillierten Informationen zu versorgen, das machte die Sache ... interessanter.
Thrawn verneigte sich vor dem Imperator und salutierte dann in Jerecs Richtung. Er ließ die Hand jedoch wieder sinken. War es nicht lächerlich, vor jemandem zu salutieren, der es ohnehin nicht sah? Statt dessen sagte Thrawn: "Ich erwarte Ihre Befehle, Sir!"
Jerec, der von Thrawns Dilemma sehr wohl wusste, antwortete amüsiert: "Natürlich, Leutnant."
Dann wandte sich der Dunkle Jedi dem Imperator zu. "Wenn das alles ist, mein Gebieter ..."
Palpatine entließ die beiden Männer mit einer lässigen Handbewegung und sie schritten schweigend nebeneinander her auf den Hauptausgang des Thronsaales zu; jeder in Gedanken mit dem anderen beschäftigt.


Zwei Tage später

   Major Dravis stand aufrecht vielleicht dreißig Meter vor der Ausstiegsrampe des Shuttles und wartete. Er und zwei Abteilungen Sturmtruppen waren das "Empfangskomitee"; so hatte es Captain Gennaro bestimmt. Der Major konnte sich eine gewisse Neugier nicht verkneifen. Der Captain hatte ihn geschickt, um zwei Personen zu begrüßen, von denen die eine ein Leutnant und die andere ein Agent des Imperialen Geheimdienstes sein sollte; dem Major waren nicht einmal ihre Namen genannt worden. Dravis überlegte, was dieser Besuch zu bedeuten hatte. Natürlich war ihm klar, dass der Leutnant die Crew der Vengeance ergänzen sollte. Aber was wollte ein Agent auf einem Sternzerstörer? Diese Leute arbeiteten gemeinhin nicht in so einem großen Stil.
Nach ein paar Minuten zeigte sich Bewegung am oberen Ende der Ausstiegsrampe. Major Dravis nahm Haltung an. Es kostete ihn allerdings einige Mühe, diese Haltung nicht zu verlieren, als er einen blauhäutigen, rotäugigen Leutnant und einen völlig in Schwarz gekleideten Mann mit einem ebenso dunklen Lederband über den Augenhöhlen erblickte.
Dravis war einen Moment perplex. Wie kam ein Alien in eine imperiale Uniform, und wie wurde ein Blinder, denn das war der Mann offensichtlich, Agent des Geheimdienstes?
Auch unter den Sturmtrupplern, die auf beiden Seiten den Weg säumten, erhob sich Gemurmel. Es verstummte jedoch sofort wieder, als der Major einen wütenden Blick in die Runde warf. Er verstand die Aufregung der Soldaten zwar, aber sie sollten diszipliniert genug sein, um sie nicht so offensichtlich zu zeigen. Er selbst tat das schließlich auch nicht. Dafür betrachtete er mit zusammengekniffenen Augen, wie die beiden Männer sich näherten.
Der Leutnant machte einen völlig unbeteiligten Eindruck. Er schritt gelassen neben dem Agenten her, aber Major Dravis war sich sicher, dass er alles aufmerksam beobachtete. Der Agent ging zielstrebig und ohne die geringste Unsicherheit, so dass Dravis annahm, verborgene Sehhilfen seien dem Mann dabei behilflich.
Major Dravis salutierte vorschriftsmäßig, als Jerec und Thrawn vor ihm stehen blieben.
"Sirs, Willkommen an Bord der Vengeance", sagte er förmlich, und ohne eine mögliche Erwiderung abzuwarten fuhr er fort: "Ihre Quartiere werden Ihnen gleich zugewiesen. Ich werde einen Offizier abstellen, der sich um Ihre Belange kümmert. Wenn Captain Gennaro Zeit erübrigen kann, wird er Sie empfangen!"
Major Dravis drehte sich auf dem Absatz um und war im Begriff zu gehen, als ihn eine sanfte, aber sehr nachdrückliche Stimme verharren ließ.
"So so", sagte Jerec. "Captain Gennaro wird uns also gnädigerweise empfangen, wenn es ihm in den Kram passen sollte. Sehr aufmerksam von ihm!
Und über Ihre ausgesuchten Umgangsformen decken wir besser den Mantel des Schweigens."
Major Dravis konnte den Spott in diesen Worten nicht einfach überhören, also drehte er sich um und wollte den respektlosen Sprecher zurechtweisen. Er erschrak, als Jerec plötzlich ganz nah vor ihm stand, denn er hatte nicht gehört, dass sich jemand bewegt hatte. Dravis schaute unbehaglich auf, da Jerec ihn um einen Kopf überragte.
"Captain Gennaro hätte so viel Höflichkeit besitzen müssen, uns persönlich zu empfangen ... Major!"
"Äh, es ist nicht üblich, gewöhnliche Personen durch den obersten Kommandierenden eines Schiffes empfangen zu lassen", erwiderte Dravis unsicher und trat einen Schritt zurück. Ihm war plötzlich kalt und die unmittelbare Gegenwart des seltsamen Mannes war ihm unangenehm, weil sie ihn einschüchterte.
"Gewöhnliche Personen vielleicht nicht, aber den neuen Befehlshaber Ihres hübschen Spielzeugs – Jerec deutete durch eine Geste an, dass er damit die Vengeance meinte – schon", bekam Dravis zur Antwort.
Der Major brauchte ein wenig, um das Gehörte zu verarbeiten.
"Mir ist nicht bekannt, dass wir einen neuen Befehlshaber auf der Vengeance erwarten ... Sir", sagte er zögernd. "Und bei allem Respekt, ich glaube nicht, dass Sie befugt und fähig sind, dass Kommando über einen Sternzerstörer zu übernehmen", fügte er wieder selbstbewusster hinzu.
"Tatsächlich, Major?" Jerec spielte den Gekränkten.
"Sie werden mich jetzt unverzüglich zur Brücke bringen!"
Der Blick des Majors wurde leer. Er bewegte sich plötzlich wie eine Marionette und wiederholte Jerecs Worte schleppend: "Ich werde Sie jetzt unverzüglich zur Brücke bringen." Er drehte sich um und steuerte auf einen Turbolift zu.
Jerec lächelte und folgte ihm.
Thrawn blieb einen Moment unschlüssig stehen.
Was war denn das eben? Jerecs Worte schienen aus dem Major einen willenlosen Befehlsempfänger gemacht zu haben. Als Thrawn Jerec schließlich einholte, warf er dem Dunklen Jedi einen bezeichnenden Blick zu. Es würde in Jerecs Gegenwart wohl kaum langweilig werden, der Mann wartete mit immer neuen Überraschungen auf. Thrawn war gespannt, was Jerec vorhatte, wenn es zum Treffen mit Captain Gennaro kam.

   Im Hangar blieben die verdutzten Soldaten zurück, denen die ganze Angelegenheit offensichtlich nicht geheuer war.

   Captain Gennaro zog missbilligend eine Augenbraue in die Höhe, als er Major Dravis mit zwei Personen im Schlepptau auf die Brücke kommen sah. Gennaro hatte sich umgedreht, als er Unruhe auf der Brücke bemerkte. Er hatte vor dem großen Panoramafenster der Vengeance gestanden und versonnen auf Coruscant geblickt. Der Planet beherrschte fast den gesamten Raum vor dem Schiff. Er strahlte wie immer in dem ihm eigenen Glanz aus künstlichen Lichtern. Die orbitale Station, deren kilometerlange Ausleger sich so weit vorschoben, dass Gennaro einen Teil von ihnen sehen konnte, wirkte dagegen winzig. Die Vengeance war an einem dieser Ausleger angedockt, um für ihren Flug vorbereitet zu werden.
Captain Gennaro setzte sich mit energischen Schritten in Bewegung.

   Major Dravis fand sich unversehens auf der Brücke der Vengeance. Verdutzt sah er sich um. War er nicht eben noch im Haupthangar des Schiffes gewesen, um zwei sonderbare Ankömmlinge zu empfangen? Jetzt befand er sich mit eben diesen beiden Personen hier.
Er fing einen gleichmütigen Blick des blauhäutigen Leutnants auf und schaute dann den offensichtlich amüsierten Agenten an. Das wütende "Klack Klack" schwerer Stiefel auf Stahl verlangte allerdings die größte Aufmerksamkeit.
Major Dravis schluckte. Er brauchte nicht eine Sekunde in Captain Gennaros Gesicht zu sehen, um zu wissen, dass der Mann sehr wütend war. Captain Gennaro war bekannt dafür, dass er es als persönlichen Affront betrachtete, wenn ein Mitglied der Besatzung einen Befehl nicht unverzüglich und exakt ausführte. Einen Befehl glatt zu missachten, bedeutete Hochverrat.
Gennaro war noch nicht bei Major Dravis angekommen, als er schon mit schneidender Stimme sagte: "Ich hoffe, Sie haben eine gute Erklärung, Major! Ansonsten sehe ich mich gezwungen ..."
"Aber aber, mein Freund!" Jerecs sanfte Stimme unterbrach Gennaros Worte und ließ seine Schritte stocken. Jerec trat vor, an Major Dravis vorbei und auf Captain Gennaro zu. Damit brachte er den Major aus der "Gefahrenzone" und lenkte die Aufmerksamkeit des wütenden Captains auf sich.
"Bevor Sie Ihren Untergebenen tadeln, sollten sie Ihr eigenes Verhalten überdenken. Ich hatte eine etwas angemessenere Begrüßung erwartet!" Während er das sagte, lächelte Jerec unschuldig und ging langsam an Gennaro vorbei, so dass der Captain gezwungen war, sich nach ihm umzudrehen. Dieses Verhalten, die Worte und mehr noch das Lächeln brachten Captain Gennaro so weit aus der Fassung, dass er im ersten Moment keine passende Erwiderung fand. Als er schließlich doch zum Sprechen ansetzte, klang seine Stimme heiser vor Wut. "Angesichts Ihres Handicaps sehe ich über diese Frechheit hinweg und gehe davon aus, dass Sie nicht wissen, wen Sie vor sich haben. In Zukunft jedoch, verbitte ich mir solche Respektlosigkeiten. Ich habe auf der Vengeance das Kommando, sonst keiner. Das gilt für Sie, und auch für die blauhäutige 'Beleidigung' der Imperialen Streitkräfte, die Sie im Schlepptau haben. Ich glaube, dass ich mich deutlich ausgedrückt ha..."
Weiter kam Gennaro nicht. Jerec wandte sich in einer fließenden Bewegung um.
Die Brückencrew war wie versteinert und der Captain wagte nicht einmal zu schlucken. Wenige Millimeter von seiner Kehle entfernt schwebte die Spitze eines orangeroten Lichtschwerts. Das Summen klang entsetzlich laut in seinen Ohren.
"Ich glaube, es ist an der Zeit etwas klarzustellen", sagte Jerec betont langsam mit leiser, aber überall vernehmbarer Stimme. "Die Vengeance untersteht ab sofort meinem Kommando! Ich nehme an, dass diese Anweisung unseres verehrten Imperators bis zu Ihnen durchgedrungen ist, Captain. Oder sollte die imperiale Nachrichtenübermittlung so schlecht sein?"
Der Captain zog es vor, auf diese Frage nicht zu antworten. Das Lichtschwert war noch immer zu nah für seinen Geschmack.
"Sie wissen, was für eine Waffe das ist, Captain!" Jerec klang, als plaudere er über das Wetter oder andere unwichtige Dinge.
Captain Gennaro presste zwischen den Lippen ein kaum vernehmbares "Ja" hervor.
"Ja, Sir!", korrigierte Jerec ihn. "Ich brauche wohl keinem hier ins Gedächtnis zu rufen, dass eine ganz spezielle Person eine solche Waffe ebenfalls bevorzugt, und was Offiziere wie Sie, Captain, bei ... Aufmüpfigkeit zu erwarten hätten."
Jerec ließ diese Worte im Raum stehen.
Auf der Brücke regte sich niemand und abgesehen von den Geräuschen, die Instrumente, Computerkonsolen und Lichtschwert von sich gaben, herrschte angespannte Stille.
Captain Gennaro schluckte hart. Am liebsten hätte er den Mann vor sich umgebracht. Er fühlte sich in seiner Ehre gekränkt, vorgeführt vor der gesamten Brückencrew und er konnte nichts dagegen unternehmen. Der seltsame Agent gab deutlich genug zu verstehen, dass er das Kommando über die Vengeance übernommen hatte. Zähneknirschend musste Gennaro sich damit abfinden. Was hatte noch in dem Dossier gestanden, das ihm von höchster Stelle übermittelt worden war? Den Anweisungen des Agenten sei unbedingt Folge zu leisten. Gennaro hatte darüber nur müde lächeln können und sich gesagt, dass er genug Mittel besitze, Herr über sein Schiff zu bleiben, schon allein deshalb, weil die Vengeance, war sie erst einmal auf dem Flug, ihm unterstand ... und nicht dem Imperator oder irgendwem sonst. Was kann ein gewöhnlicher Agent schon ausrichten? hatte Gennaro gedacht und befriedigt zur Kenntnis genommen, dass es nicht viel sein konnte. Und jetzt stand er hier auf der Brücke seines Schiffes und hatte ein Lichtschwert vor der Kehle schweben. Ein Lichtschwert, das ein blinder Mann führte! Captain Gennaro mochte zwar alles mögliche sein, aber dumm war er nicht. Er wusste, wann er klein beizugeben hatte, auch wenn es ihm noch so schwer fiel. Er entspannte sich und schluckte seinen Zorn hinunter.
Als Jerec spürte, dass Gennaro sich mit seiner Situation abfand, deaktivierte er seine Waffe.
"Sobald die Vengeance abflugbereit ist, werden Sie Kurs auf Korriban setzten, Captain!" sagte er liebenswürdig. "Ach, und noch etwas ... Ihre persönliche Einstellung zu Nichtmenschen interessiert mich nicht im Geringsten, aber auf diesem Schiff will ich keine abfälligen Bemerkungen mehr hören. Leutnant Thrawn ist ein Offizier der Imperialen Flotte und als solcher zu behandeln. Ich hoffe, das geht in Ihren Schädel und Sie werden es den Besatzungsmitgliedern einbläuen!"
Das hervorgepresste "Ja, Sir", das er vernahm, als er an Gennaro vorbeiging, um die Brücke zu verlassen, ließ Jerec abermals lächeln. Er blieb bei Major Dravis stehen. "Sie wollten doch einen Offizier abstellen, der sich um unsere Belange kümmert!"
"Ah ... natürlich, Sir! Wie gedankenlos von mir. Kommen Sie bitte. Ich kümmere mich darum." Major Dravis beeilte sich, dem Wunsch des neuen "Kommandierenden" nachzukommen; einerseits weil er sich vor dem Mann zu fürchten begann, andererseits, weil er froh war, von der Brücke und damit fürs erste aus der Reichweite Captain Gennaros zu kommen.
Jerec gab Leutnant Thrawn einen Wink. Beide Männer verließen die Brücke, um Major Dravis zu folgen. Als sie außer Sicht- und Hörweite waren wurde es regelrecht laut. Die Brückencrew sprach aufgeregt miteinander. Die Offiziere stellten Spekulationen an, gestikulierten und diskutierten. Captain Gennaro ließ es geschehen, obwohl ein solcher Tumult gegen jede Vorschrift verstieß. Gennaro war in ein finsteres Brüten verfallen. Das erste Mal in seiner Karriere bereute er es, sich für die Imperialen Streitkräfte entschieden zu haben ...


Zwei Wochen später

   Korriban!
Jerec spürte die dunklen Energien, die diesen Planeten umgaben schon, als der Shuttle in die Atmosphäre eintrat.
Leutnant Thrawn zog scharf die Luft ein, als ihn etwas Fremdartiges und abgrundtief Böses zu berühren schien. Er sah sich unbehaglich um. Sein Blick tastete sich zu Jerec vor.
Jerec lächelte grimmig. "Ja Leutnant. Hier können sogar Wesen wie Sie – blind gegenüber der Macht – Dinge spüren, die jenseits ihrer Vorstellungskraft liegen. Sie sollten sich auf Einiges gefasst machen, wenn wir den Planeten betreten!"
Thrawn wollte im ersten Moment fragen, was genau Jerec meinte, aber er sprach diese Frage nicht aus. Seit er Jerec zur Seite beordert worden war, hatte er schon viele Andeutungen aus dem Mund des seltsamen Mannes gehört, die er nicht verstand. Häufig hatte er um Aufklärung gebeten. Manchmal bekam er sie, meistens war sie jedoch ebenso verwirrend, wie die Andeutung selbst.
Nun ja, was wollte man von einem Jedi auch erwarten; wenn Jerec tatsächlich ein Jedi war! Er konnte mit einem Lichtschwert umgehen. Aber musste man dazu immer ein Jedi sein? Und vom Lichtschwert abgesehen, war Jerec alles andere als das, was Thrawn sich unter einem Jedi jemals vorgestellt hatte. Hinzu kam, dass der Imperator die Jedi verfolgen und vernichten ließ. War es da nicht unlogisch, wenn ausgerechnet ein Jedi sich in seinen Diensten befand? Aber was war mit der Blindheit? Irgendwie konnte Jerec sehen, aber durch welche Mittel hatte Thrawn noch nicht herausgefunden. Vielleicht später einmal ...
Thrawn verdrängte diese Überlegungen aus seinen Gedanken. Manchmal war es lästig, für alles eine logische Erklärung finden zu wollen. Für ihn spielte die wahre Identität Jerecs im Prinzip ohnehin keine Rolle. Was ihn jetzt mehr beschäftigte war die unmittelbare Zukunft.
Schweigen erfüllte die Passagierkabine wieder, während die kleine Fähre der Oberfläche Korribans immer näher kam. Der dunkle, tastende Hauch war verschwunden, aber die Erinnerung an ihn schwebte wie eine lautlose Warnung über den beiden Männern.
Plötzlich sagte Thrawn: "Darf ich eine Frage stellen, Sir?"
"Tun Sie sich keinen Zwang an, Leutnant Thrawn", antwortete Jerec belustigt. Thrawn war der bis dato wortkargste Begleiter, den er gehabt hatte – abgesehen von Lord Vader, aber das lag an sehr persönlichen Gründen.
Thrawn beobachtete und schwieg zumeist. Schon das machte ihn Jerec sympathisch, denn der Dunkle Jedi hielt ebenfalls nichts von belanglosen Plaudereien, obwohl er ein sehr anregender Gesprächspartner sein konnte – wenn er wollte. Aber Jerec begann Thrawn noch aus einem anderen Grund zu schätzen: der Leutnant scheute sich nicht, Fragen zu stellen; wenn er denn den Mund aufmachte. Er nahm nicht alles unterwürfig und kriecherisch hin. Das passierte Jerec sehr selten. Die Personen, die ihn kennen gelernt – und es überlebt – hatten, waren zu ängstlich, um überhaupt daran zu denken, ihre eigene Position zu vertreten. Dabei war Jerec beileibe nicht so rigoros wie Darth Vader, dessen Umgang mit Untergebenen Stoff für unzählige Gerüchte lieferte.
"Was wollen wir dort unten, Sir? Und warum gehen wir allein? Der imperiale Standard schreibt vor ...", begann Thrawn.
"Bah, Leutnant! Verschonen Sie mich mit militärischen Vorschriften. Ich weiß, wie die Anweisung für das Vorgehen bei Shuttlelandungen auf Planeten lautet. Besonders, wenn es sich um relativ unbekannte Planeten handelt."
"Nun, Sir ... Sie sind Zivilist ..."
"Unglücklicherweise für Sie, bin ich derjenige, der das Sagen hat. Und wenn ich mich entschließe, Vorschriften zu ignorieren, dann müssen Sie damit leben, Leutnant", wies Jerec Thrawn zurecht. "Und wenn ich der Meinung bin, eine Abteilung Sturmtruppen ist mir hinderlich, dann haben Sie meine Entscheidung, ohne die Soldaten zu gehen, nicht in Frage zu stellen!"
Thrawn seufzte innerlich. Es war schwer für ihn, seine Wurzeln zu verleugnen, und die waren nun einmal in der Strenge und Disziplin der imperialen Streitkräfte zu finden. Bei ihm noch ausgeprägter, als bei anderen Offizieren, denn er – mit dem nichtmenschlichen Blut in seinen Adern – war noch viel schärfer gedrillt worden, als alle anderen. Disziplin war für ihn gleichbedeutend mit Überleben.
"Darf ich dann wenigstens erfahren, warum ausgerechnet ich Sie auf Ihrer Mission begleiten muss? Schließlich bin ich auch Soldat, Sir."
Jerec schnaubte, aber es klang nicht verärgert. "Sie lassen sich wohl vom Fragen nicht abbringen, was! Aber Sie sollen Ihre Antwort haben. Ich nehme Sie nicht mit, weil es mir Spaß macht, Sie um mich zu haben, sondern weil der Imperator mir aufgetragen hat, mich Ihrer anzunehmen. Also haben Sie die Ehre, mich auf meinen Wegen zu begleiten. Ob ich Ihnen damit immer einen Gefallen tue, werden Sie schon früh genug merken."
Thrawn nickte langsam. Das war deutlich. Er fragte sich nicht zum ersten Mal, ob er geschmeichelt sein sollte, für den Imperator so viel Wert zu besitzen, dass er einen Mentor bekam, oder ob er es als Beleidigung empfinden sollte, als Zeichen dafür, dass er sich nicht alleine durchsetzten konnte, dass er Schutz benötigte, weil ihn sonst die unerbittliche militärische Maschinerie zermalmen würde. Aber wie dem auch sei ... er würde das Beste aus seiner Situation machen und lernen. Und wenn dabei nur die Erkenntnis heraussprang, dass sein "Aufpasser" etwas Ungewöhnliches war.
Wie ungewöhnlich, bewies Jerec ihm einen Augenblick später.
"Sie sind wie ein Stein in einem Getriebe namens Imperiale Streitkräfte, Thrawn", sagte der Dunkle Jedi unvermittelt. "Ein klitzekleiner, aber ein sehr störender, denn Sie gehören nicht in die eingeschworene Gemeinschaft. Die einfachen Soldaten oder die Offiziere, die Sie näher kennen lernen werden, werden mit Ihnen keine Probleme haben, aber das Offizierskorps im Allgemeinen und die hohen Würdenträger, denen sie zwangsläufig begegnen werden, halten zu große Stücke auf die Überlegenheit des menschlichen Geistes, als dass ein Wesen wie Sie Akzeptanz findet. Auch wenn Sie einmal die höchsten Positionen bekleiden sollten, werden die Anfeindungen weitergehen ... hinter vorgehaltener Hand.
Damit Sie überhaupt so weit kommen ..."
Jerec ließ den Satz unvollendet und deutete mit einer Hand auf sich.
Thrawn sah seinen Vorgesetzten überrascht an. Jerecs Worte waren hart, aber wahr, aufrichtig und sie waren die Antwort auf das, was Thrawn beschäftigte.
"Und weshalb denken Sie anders über mich, Sir? Immerhin haben sie auf der Vengeance Ihren Standpunkt klar gemacht."
"Habe ich das?" war alles, was Jerec zunächst darauf erwiderte, und als Thrawn schon nicht mehr mit einer Antwort rechnete, sagte der Dunkle Jedi: "Sie haben recht, Leutnant. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass alle Völker und Rassen ihre Vor- und Nachteile haben und sehe keinen Sinn darin, der menschlichen Rasse den Vorzug zu geben. Ich denke, der Imperator und viele andere sind im Falle ihrer Aversionen gegen Nichtmenschen ein wenig ... verbohrt." Jerec lächelte maliziös. "Außerdem habe ich in meiner Vergangenheit viel mit Nichtmenschen Kontakt gehabt ... und gelernt, ihre Stärken und Schwächen für mich zu nutzen ..."
"Danke für Ihre Offenheit, Sir", sagte Thrawn nachdenklich und die beiden Männer verfielen wieder in Schweigen.
Eine halbe Stunde später erreichte der Shuttle seinen Landeplatz: den Eingang eines breiten Canons, dessen hohe Felswände rötlich-braun schimmerten. Innerhalb des Canons befanden sich unzählige Bauwerke; die meisten davon bestanden nur noch aus Ruinen.
Jerec und Leutnant Thrawn verließen den Shuttle. Ein heißer, staubiger Wind wehte ihnen entgegen. Jerec wandte sich dem größten noch erhaltenen Gebäude zu, dass in vielleicht vier Kilometer Entfernung genau vor ihnen lag.
Ihr Weg führte die beiden Männer über eine alte, mit gewaltigen Felsplatten befestigte Straße und zwischen zerfallen Gebäuden hindurch.

   Korriban war ein Planet mittlerer Größenordnung. Er zählte schon zu den Randwelten, wenn man das Imperiale Zentrum, wie Coruscant offiziell hieß, als Mittelpunkt der Galaxis betrachtete. Korriban war sehr alt – sogar gemessen an den Maßstäben des Universums – und sein Tod stand nahe bevor. Denn die Sonne, die den Planeten in ihre Unlaufbahn gezwungen hatte, lag im Sterben. Schon jetzt war sie blutrot und riesig und beherrschte das Firmament mit ihren gnadenlosen Strahlen. Korriban war noch weit genug entfernt, um bisher nicht direkt in Mitleidenschaft gezogen zu werden, aber das Klima des Planeten war über die Jahrtausende heiß und trocken geworden.
Diesem Umstand war es auch zu verdanken, dass die Bauten längst untergegangener Völker über halbe Ewigkeiten hinweg erhalten geblieben waren – vielfach zwar als Ruinen, aber dennoch stumme Zeugen längst vergangener Tage.
Was noch nicht dem Verfall anheim gefallen war, war relativ jung; die riesenhaften Gräber der Sith. Auf Korriban ruhten die Herrscher: die Dunklen Lords, und bei ihnen lagen die durch die Trockenheit konservierten Gebeine unglücklicher Sklaven, die ihre Herren in den Tod begleiten mussten. Die Sith hatten sich die ursprünglichen Bewohner Korribans untertan gemacht und den Planeten nach ihren Vorstellungen geformt. Sie hatten das übernommen, was ihnen dienlich erschien ... und alles andere vernichtet oder verfallen lassen.

   Leutnant Thrawn war begeistert über den Anblick, der sich ihm bot. Er hatte schon immer mit Leidenschaft die unterschiedlichsten Kulturen studiert, um hinter die Geheimnisse ihres Denkens zu gelangen. Er war überzeugt, dass sich dies gerade in der Kunst einer Rasse erkennen ließ. Aber auch die Architektur war aufschlussreich genug. Auf Korriban hatten sich allerdings so viele Stilrichtungen verbunden, dass es Thrawn schwer fiel, zu ergründen, welche Merkmale für welches Volk standen.
Während Thrawn an der Umgebung Vergnügen fand, wurde Jerec mit jedem Schritt, den sie gingen, verdrießlicher. Er fühlte sich, als müsse er sich durch eine zähe Masse kämpfen, die ihn am Vorankommen hindern wollte und seine Sinne umnebelten sich immer mehr. Nun, exakter: seine Jedi-Sinne. Er wurde mit jedem weiteren Meter auf seine gewöhnlichen menschlichen Sinne reduziert, und dass gefiel Jerec überhaupt nicht. Aber er würde sich nicht aufhalten lassen. Diese Barrieren waren früher oder später überwunden. Solange musste Jerec sich damit begnügen, tatsächlich weitgehend blind zu sein.
Auch Thrawn begann sich mit der Zeit unwohl zu fühlen. Er konnte den Grund nicht sofort nennen, aber während er hinter Jerec herging, begann sein Körper zu kribbeln. Thrawn war selten in seinem Leben nervös gewesen ... jetzt war er es ganz besonders.
Er sah sich immer wieder wachsam um. Er glaubte, Augen auf sich zu spüren, deren Besitzer hinter Felsgestein oder Ruinen lauerte, die den Pfad säumten, der auf das stufenförmige Gebäude zuführte, das Jerec sich zum Ziel gewählt hatte.
Auch der Dunkle Jedi war wachsam. Aber hier war er im Prinzip hilfloser und unsicherer als der Leutnant, denn seine Sinne reichten immer noch kaum aus, ihn den Weg finden zu lassen. So sehr beherrschte die Dunkle Seite die uralten Ruinen ... und sie war feindselig.
Jerec fühlte sich seltsam. Gehörte er nicht auch zur Dunklen Seite? Und dennoch wurde er – besonders er – wie ein Eindringling behandelt, der nicht willkommen war. Und dem dies auch deutlich signalisiert wurde ...
Wie mag sich dann erst der Jedi fühlen, dachte Jerec.
Ein schwaches Geräusch alarmierte die beiden Männer. Es klang, als kratze etwas Hartes über den Fels der alten Ruinen.
Thrawn blickte schnell in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Aus den Augenwinkeln vermeinte er eine Bewegung hinter einer eingefallenen Mauer gesehen zu haben, aber als er angestrengt auf die Stelle starrte, war da nichts.
Trotzdem ...
"Sir, ich glaube, irgendetwas folgt uns", sagte er leise.
"Ja, Leutnant", antwortete Jerec. Und mehr zu sich selbst sagte er: "Leider kann ich nicht spüren, was ... Bleiben Sie wachsam, Thrawn! Dieses ’Etwas’ wird sich schon früh genug zeigen."
Der Dunkle Jedi und der Leutnant gingen weiter. Das Geräusch wiederholte sich nicht. Überhaupt war es sehr still. Durch die Ruinen strich nicht einmal etwas Wind. Es war, als hätte er am Eingang des Canons Halt gemacht. Thrawn hatte der Eindruck, über ein riesiges Gräberfeld zu wandern, und als aus dem Nichts ein blauschwarzer Schatten auf dem Weg vor ihnen auftauchte, musste Thrawn sich zusammennehmen.
Plötzlich war Jerec wieder in der Lage, seine machtverstärkten Sinne voll zu nutzen. Das war erfreulich ... aber auch verdächtig.
Als Thrawn keine Sekunde später erschrocken "Was ist das?" hervorstieß, war Jerec bereit.
Vielleicht zwanzig Meter entfernt stand eine Kreatur auf dem Weg, die nur wenige Lebewesen zuvor erblickt hatten.
Thrawn zog die Augenbrauen in die Höhe, als er in Augen blickte, die genauso rot waren wie seine eigenen. Sie blickten erschreckend intelligent und boshaft.
Das Wesen war groß und massig, sein langer Körper ruhte auf kräftigen Beinen und sein gewaltiger Schädel, mit der länglichen Schnauze, war von etwas gekrönt, das Hörner sein konnten – wenn auch seltsam gekrümmte. Das blauschwarze Fell war kurz und stumpf, starke Muskeln spielten darunter. Ein langer Schwanz peitschte erwartungsvoll und aufmerksam den staubigen Boden.
Vor Jerec und Thrawn stand eine Kreatur, die nur eine Aufgabe hatte: die letzte Ruhestätte ihrer Herrn und Schöpfer zu bewachen und zu verteidigen. Sie war die letzte ihrer Art; uralt, aber immer noch besessen von den Geistern der alten Sith und ihrem Auftrag. Genau den würde sie jetzt erfüllen ...

   Das Wächterwesen schoss vorwärts, auf die beiden Männer zu.
Aber es ignorierte Thrawn völlig, preschte an dem überraschten und erschrockenen Leutnant vorbei und zielstrebig auf Jerec zu. Die Klauen der Kreatur gruben tiefe Furchen in den felsigen Boden, als sie zum Sprung ansetzte und der aufgerissene Rachen gab den Blick auf messerscharfe Zähne und einen blutroten Schlund frei.
Thrawn griff nach seinem Blaster. Seine Hand verharrte jedoch über dem Holster. Es war zu spät, alles ging viel zu schnell, selbst für seine ausgezeichneten Reflexe. Fasziniert verfolgte Thrawn das Schauspiel, das sich ihm nun bot.
Jerec warf sich zur Seite, rollte sich über die Schulter ab und war schon wieder auf den Beinen, als die blauschwarze Bestie auf der Stelle landete, an der er Augenblicke zuvor noch gestanden hatte. Wutentbrannte tiefrote Augen funkelten ihn an und die Kreatur stieß einen Laut aus, der Enttäuschung ausdrückte. Aber sie rührte sich nicht.
Jedi und Bestie sondierten einander, schätzten sich gegenseitig ab ... und kamen gleichzeitig zu einem Entschluss.
Jerec riss das Lichtschwert vom Gürtel, aktivierte es und setzte sich in Bewegung.
Das Biest war im selben Augenblick losgesprungen.
Jerec duckte sich unter dem Tier hinweg – eine krallenbewehrte Pranke streifte ihn, fetzte ein Stück Stoff aus seinem Umhang, richtete aber keinen weiteren Schaden an – und zog das Lichtschwert in die Höhe. Es traf den Angreifer unter dem Bauch ... aber es erzielte nicht den erwünschten Effekt.
Der Dunkle Jedi wurde von einer Art Druckwelle erfasst und nach hinten geworfen. Keuchend landete er auf dem harten Boden und war für einen Augenblick verblüfft. Was war passiert?
Die Machtsicht offenbarte ihm, dass das Biest ebenfalls zu Boden geschleudert worden war. Es schüttelte den mächtigen Schädel, als sei es benommen. Aber davon abgesehen, war es unversehrt.
Jerecs Hand schloss sich fest um den Griff seines Lichtschwerts. Erstaunlich! Eine der mächtigsten Waffen des Universums konnte diesem Wesen nichts anhaben. Es wurde durch Kräfte geschützt, die selbst einem Lichtschwert mühelos widerstanden. Die alten Sith beherrschten die Dunkle Seite wahrhaftig meisterlich, wenn sie solche Kreaturen erschaffen konnten.
Aber sie waren nicht die einzigen, die Herrschaft ausübten ...
Jerec griff gezielt nach der Macht. An diesem Ort war sie atemberaubend intensiv und erregend.
Das Biest erhob sich knurrend und machte sich bereit für einen erneuten Angriff. Es fletschte die Zähne zu etwas, das ein Grinsen sein konnte, so als wüsste es, dass der Eindringling wehrlos war und mit dem Lichtschwert nichts ausrichten konnte.
Die Kreatur sprang und Jerec entfesselte die Dunkle Seite.
Mitten im Sprung schien das Monstrum von einem Augenblick zum anderen gebannt zu sein. Es hing hilflos in der Luft. Dann begann es sich zu winden. Ein hohes Winseln kam aus seiner Kehle und zuckend spuckte es einen Schwall schwarz schimmerndes Blut. Es kämpfte noch mehr gegen den unsichtbaren Griff an, der es gefangen hielt und der das Leben buchstäblich aus ihm herausdrückte. Knochen begannen zu bersten und sich in Organe und durch Haut zu bohren. Das Biest schrie auf und mobilisierte ein letztes Mal seine Kräfte. Es sandte eine Welle von Hass gegen seinen Peiniger ... aber zu spät.
Jerec unterbrach die Machtverbindung zu dem Tier, als er spürte, was auf ihn zukam. Dennoch warf ihn die Dunkle Seite zu Boden und schleuderte ihn fünf Meter weit an eine Mauerruine. Staub und Steinbrocken wirbelten auf und bedeckten Jerec.
Das Wächterwesen lag zuckend auf dem Boden und versuchte immer wieder, sich zu erheben. Seine roten Augen begannen zu flackern.

   "Sir! Alles in Ordnung?"
Aus Thrawns Stimme klang echte Sorge, als er zu seinem Vorgesetzten eilte – Jerec würde sich das merken –, der nun zum zweiten Mal auf dem Boden lag.
"Wieso hat das Ding nur Sie angegriffen, Sir? Ich wäre doch eine viel einfachere Beute gewesen!"
Thrawn half Jerec auf und dieser klopfte sich den Staub von den Gewändern.
"Weil Sie für diesen Ort und seine ... Bewohner keine Gefahr darstellen, Leutnant. Sie können den Wert dieses Planeten nicht ermessen und sie könnten auch nichts mit den ’Schätzen’ anfangen, die hier verborgen sind. Lassen Sie das als Erklärung genug sein ... und seien Sie froh, dass man Sie missachtet", antwortete Jerec leichthin, und damit war die Angelegenheit für ihn erledigt. "Kommen Sie, wir müssen weiter!"
Jerec folgte dem uralten Pfad zwischen den Ruinen und Thrawn beeilte sich, ihm hinterher zu gehen. Aber während er das tat, sah er sich noch einmal nach dem Monstrum um – er musste es einfach tun, schon aus rein wissenschaftlicher Neugier, denn diese Kreatur war ihm völlig unbekannt.
Das große Tier lag hässlich verdreht in seinem schwarzen Blut, das in Strömen aus Maul, Nase, Ohren und Wunden lief. Weiße Knochenfragmente schimmerten durch das blauschwarze Fell. Noch immer flackerten seine roten Augen im Todeskampf ... und sie sahen Thrawn an! Drangen in sein Gehirn vor und begannen dort zu stöbern ... Erinnerungen und Gefühle zu erforschen, Thrawns Innerstes nach Außen zu kehren ...

   "Leutnant!"
Jerecs Stimme riss Thrawn aus dem Bann dieser Augen.
Der Dunkle Jedi war zurückgekehrt und neben Thrawn getreten, ohne dass dieser es bemerkt hatte.
"Selbst sterbend haben diese Wesen noch große Macht, Leutnant", meinte Jerec und zum ersten Mal seit langem hatte seine Stimme ihren spöttischen Unterton verloren. "Denken Sie immer daran, dass es Dinge gibt, denen man möglicherweise nicht gewachsen ist. Seien Sie wachsam und versuchen Sie, zu verstehen."
"Danke, Sir", antwortete Thrawn langsam. Er war Zeit seines Lebens ein kühler Taktiker und Skeptiker gewesen, der sich kaum Gedanken über die Dinge zwischen Himmel und Erde – wie es so schön hieß – machte. Das würde er ändern. Auch wenn er die geheimnisvolle Macht nicht verstand, die diesen Ort und seinen Vorgesetzten erfüllte, so begriff er doch langsam und aus eigener Erfahrung, dass es sie gab ... und was sie vermochte.
Thrawn folgte Jerec nach diesem Vorfall sehr nachdenklich, und er wurde noch nachdenklicher, als sie endlich das große Bauwerk erreichten, das ihr Ziel gewesen war. Beide Männer blieben stehen. Während Jerec mit seinen Jedi-Sinnen die Umgebung erforschte, schaute Thrawn sich langsam um. Das Gebäude sah aus wie ein Tempel und war gänzlich aus dem Felsen gehauen worden, der es rückwärtig begrenzte.

   Viele Hände hatten Jahrzehnte damit zugebracht, Stein zu brechen, zu formen, abzutransportieren ...
Es wäre den Sith ein Leichtes gewesen, ein solches Bauwerk dem Fels mit ihren dunklen Kräften zu entreißen, aber sie ließen ihre Sklaven bauen. Blut, Schweiß, Tränen und Leben waren für die Sith nur ein geringes Opfer, um ihre Herrscher zu ehren – erst recht, weil sie es nicht selbst erbringen mussten.
Eine steile, lange und sehr breite Treppe führte auf ein zerborstenes Steintor gewaltigen Ausmaßes zu. Hinter den Trümmern gähnte ein dunkles Loch.

   Thrawn fand das Gebäude wenig einladend. Er hatte Architektur immer neutral betrachtet, emotionslos und mit den Augen eines teilnahmslosen Analytikers. Aber das Bauwerk, an dessen Fuß sie jetzt standen, strahlte eine Art boshafte Lebendigkeit aus, die einen Zwang über jeden legte, der sich zu weit gewagt hatte ... den Zwang, durch die schwarze Öffnung zu gehen, egal was dahinter lauern mochte.
Jerec spürte diesen stummen suggestiven Befehl noch viel deutlicher als Thrawn. Sie hatten die Grenze der Abschreckung überschritten, nun kam die verheißungsvolle Einladung.
Alles in Jerec sträubte sich dagegen, weiterzugehen. Instinktiv wusste er, dass dort der Jedi war, den er töten musste ... töten wollte! Falls nicht irgendetwas anderes diese Arbeit schon erledigt hatte. Aber dort oben war noch etwas, etwas vor dem er sich zu fürchten begann.
Jerec schnaubte verärgert. Die Sith waren schon immer perfekt darin gewesen, die Gefühle anderer zu manipulieren. Wovor hatte er Angst? Dort oben waren bestenfalls noch ein paar Knochen, Fetzen uralter Kleidung und ein paar Insignien der Herrschaft zu finden ... nichts, was ihm schlaflose Nächte bereiten sollte.
Er spürte Thrawns fragenden Blick auf sich.
Jerec verscheuchte die ungebetenen Gefühle.
"Leutnant, Sie werden hierbleiben!", sagte er schlicht und schritt an Thrawn vorbei die Stufen empor, ohne eine Antwort abzuwarten.
Thrawn blickte Jerec nach. Er verstand sich nicht darauf, die Gefühle anderer zu ergründen, aber in diesem Moment wusste er genau, dass sein Mentor ihn nicht bei sich haben wollte ... Jerec trachtete danach, sein Unbehagen vor ihm zu verbergen, denn es war ein Zeichen von Schwäche ...
Thrawn war dankbar dafür, das Gebäude nicht betreten zu müssen. Wenn sogar Jerec es fürchtete ... Was mochte dort lauern?
Thrawn ließ sich auf der untersten Stufe nieder, zog den Blaster aus dem Holster, legte ihn entsichert neben sich und begann zu warten.

   Jerec blieb kurz vor der zerborstenen Tür stehen. Er ließ seine Hände über den rissigen Stein gleiten, aber er spürte nichts. Der Stein war einfacher Stein, ohne bedrohliche Kräfte, die eine Gefahr hätten sein können. Der Dunkle Jedi stieg über einen größeren Steinblock hinweg und wurde von der Finsternis verschluckt, die auf jeden lauerte, der einen Fuß durch die Tür zu setzen wagte ...
Die große Halle, die Jerec jetzt betrat, lag in Dunkelheit. Hier und da durchbrach ein kläglicher Lichtstrahl die Schwärze und suchte sich seinen Weg auf den Boden. Die hohe, gewölbte Decke der Halle war rissig geworden, aber sie hielt. Das wenige Licht spendete gerade so viel Helligkeit, dass ein Sehender mühevoll seinen Weg finden konnte.
Für Jerec spielte das keine Rolle. Er sah mit der Macht ... und was er sah, jagte ihm kalte Schauer über den Körper. Er befand sich am Anfang einer langen Reihe steinerner Podeste, die die Seiten der Halle säumten. Jedes Podest beherbergte einen Thron aus schwarzem Marmor. Auf den Hochsitzen waren Gestalten zu erkennen. Manche in voller, bizarrer Rüstung, mit archaischen Schwertern in den klauenförmigen, mumifizierten Händen, manche mit einfachen, weiten Gewändern bekleidet. Bei einigen war die spröde Haut zerrissen und entblößte fahle Knochen.
Jerec suchte nach den Gesichtern der Gestalten. Viele hatten menschliche Züge, einige nicht. Alle Gesichter waren zu Fratzen verzogen, da die mumifizierte Haut im Laufe von Jahrhunderten geschrumpft war. Jetzt hatte es den Anschein, als würde auf jedem Gesicht ein böses Grinsen liegen.
Jerec setzte sich langsam in Bewegung. Er schritt zwischen den Thronsitzen hindurch. Seine Stiefel stießen an Knochen, die durch die Berührung zu Staub zerfielen. Jerec war unbehaglich zumute.
Wieso hatte er das beunruhigende Gefühl, beobachtet zu werden? Die Sith waren tot! Ihre mumifizierten Leichen hatten ebenso wenig Augen wie er. Und dennoch ... Der eisige Hauch, der hinter ihm herkroch, war fast greifbar.
Jerec wandte sich abrupt um. Seine Hand legte sich auf das Lichtschwert an seinem Gürtel ... ein schwacher Trost, wenn er an die Macht dachte, die den Sith immer noch zur Verfügung stand.
Hinter ihm war nichts. Keine roten Augen, die ihn mordlüstern anfunkelten, keine schattenhafte Gestalt ... nichts.
Jerec verfluchte seine flatternden Nerven. Er hasste es, sich eingestehen zu müssen, dass es reine Angst war, die ihn gepackt hatte. Der Jedi griff bewusst nach der Dunklen Seite, um aus ihr Kraft zu beziehen und einen Schutz für seinen Geist zu formen. Er hieß die vertrauten Energien willkommen, als sie ihn zu durchströmen begannen.
Einen Augenblick später wünschte er sich, den engen Kontakt niemals hergestellt zu haben, denn die Halle wurde lebendig; vor seinen geistigen Augen, in seinen Ohren ...
Jerec hörte Stimmen wispern. In einer altertümlichen Sprache wurden Gespräche geführt, dazwischen vernahm er das Wimmern gepeinigter Sklaven, die einen qualvollen Tod gestorben waren, an der Seite ihrer Herren lebendig begraben.
Die Gestalten auf den Podesten begannen sich zu bewegen. Sie wandten ihm langsam ihre hässlichen Köpfe zu.

   Jerec stolperte rückwärts, bis er mit dem Rücken an Stein stieß. Er hob den Kopf: ein weiteres Podest. Es beherrschte die rückwärtige Seite der Halle und auf ihm thronte eine menschliche Gestalt. Der Sith auf dem Thron war in eine schwarze Rüstung gekleidet. Sein behelmter Kopf verbarg das Gesicht im Schatten. In den verschlungenen Händen hielt er ein Lichtschwert.
Jerec keuchte, als rote Augen aufflammten und sich in seinen Geist bohrten.
Was begehrst du von uns, Jedi, der du einmal warst und der du nun dem Dunklen Pfad folgst, der dich in die ewige Verdammnis führen wird?
Jerec erschauerte. Diese Worte trafen ihn und die roten Augen bannten ihn, so dass er kaum in der Lage war, eine Antwort zu geben.
Ich begehre nichts von Euch, dachte er zurück. Ich suche lediglich jemanden hier.
Ah, sie ... ertönte es. Wir haben ihr erlaubt, unser Heiligtum zu betreten. Sie hat einen widerstandsfähigen Geist und einen unendlich starken Willen. Sie ist amüsant. Ein perfektes Spielzeug, um einen Bruchteil der Ewigkeit zu versüßen!
Das boshafte Lachen, das von überall ertönte, ließ Jerec nochmals erschauern.
Nimm sie dir, sie ist dein ... wir werden ihrer langsam überdrüssig.
Ich danke Euch, erwiderte Jerec schleppend.
Diesmal lachte nur der Sith auf dem Thron vor ihm. Hoffentlich bereust du deinen Dank nicht, hauchte die körperlose Stimme. Wer sich zu uns begibt, zahlt seinen Preis ... auch wenn er ein perfekter Diener der Dunklen Seite ist.
Jerec setzte zu einer Erwiderung an, aber der Kontakt brach abrupt ab.
Der Dunkle Jedi blickte sich um. Die Halle lag wieder in schwarzer Stille. Er griff vorsichtig nach der Dunklen Seite. Sie begann ihn willig zu umschmeicheln, ohne das etwas geschah. Nun, nicht ganz ... Er blieb zwar vor den Sith verschont, aber dafür nahm er ein leises Geräusch am Eingang der Halle wahr. Zwischen den Steintrümmern dort, die Überreste der zerborstenen Tür waren, erhob sich ein Schatten. Dieser Schatten wankte auf Jerec zu und entpuppte sich als eine in zerschlissene Jedi-Gewänder gekleidete gebeugte, zierliche Gestalt einer Frau. Ihr Gesicht war von der Kapuze bedeckt. Sie kam langsam und schwerfällig näher, eine ausgemergelte, dunkelhäutige Hand um ein Lichtschwert geschlossen. Die Jedi blieb vielleicht zwei Meter von Jerec entfernt stehen und hob den Kopf.

   "Du?! "
Jerec war wie angewurzelt, als er die Stimme der Frau vernahm. Sie durchdrang ihn noch tiefer, als die Stimmen der Sith davor.
Adi Gallia, seit Jahrzehnten hoch geachtetes Mitglied des nunmehr versprengten Jedi-Rates, nahm die Kapuze ab, um besser sehen zu können. Sie vergaß jede Vorsicht und trat auf den Mann vor ihr zu, den Mann, den sie noch so gut in Erinnerung hatte.
"Jerec!"
Adi Gallia hob eine Hand.
Jerec wich zurück, bis das Thronpodest ihn abermals stoppte.
Die Frau vor ihm war einst schön gewesen. Nun war ihr pechschwarzes Haar mit grauen Strähnen durchzogen und fiel ihr unordentlich ins Gesicht. Ihre weichen Züge waren verhärmt und ihre ausdrucksvollen Augen verschleiert. Sie sah aus, als sei sie aus einem tiefen Schlaf erwacht. Aber dieser Schlaf war nicht heilsam und erquickend gewesen, sondern eine einzige Qual.
Wie lange ist sie schon hier? dachte Jerec. Wie lange ist sie das Spielzeug der grausamen Herrn dieser Halle gewesen? Weshalb war s i e hier?
Für einen Augenblick wünschte Jerec sich weit weg, aber im nächsten überkam ihn eine kalte Wut. Er hatte genug mit seinen Gefühlen, seiner Schwäche und Angst zu kämpfen gehabt und nun das!
Verdammt seist du, Palpatine! Du hast genau gewusst, was mich erwartet ... und du hast es im Voraus schon genossen!
Er packte sein Lichtschwert und aktivierte es. Ohne Vorwarnung führte er einen langen Hieb gegen die überraschte Jedi.
Adi Gallia taumelte zurück. Ihr Gesicht zeigte Unglauben. "Jerec! Was tust du?"
"Ich bin hier, um dich zu töten ... Meisterin! ", fauchte er.
"Aber ..." Adi Gallia verstummte. Sie verstand plötzlich. "Du dienst ihm! Oh, Jerec. Es hat mir das Herz zerrissen, als du den Weg der Jedi verlassen hast. Aber ich habe immer gehofft, dass du dich damit zufrieden gibst. ... Warum hast du es nicht getan? Warum?"
"Ich habe keine andere Wahl!" antwortete Jerec heftig.
"Es gibt immer eine Alternative." Adi Gallias sanfte Stimme klang traurig. "Du wirst sie nicht wählen, ich weiß. Aber es gibt Schlimmeres als den Tod."
"Dann brauchst du dich ja nicht zu wehren, Meisterin!" schrie Jerec aufgebracht, als er sie erneut angriff.
Die Jedi wich geschickt aus und griff nach ihrem Lichtschwert. Sie bedauerte es, kämpfen zu müssen, aber wenn es ihr gelang, Jerec aufzuhalten, dann würde die ganze Tortur auf Korriban vielleicht einen Sinn bekommen ... einen, der überhaupt nicht nach dem Geschmack der Sith sein würde, die sie gepeinigt hatten. Dieser Gedanke ließ Adi Gallia lächeln.
Es war töricht gewesen, zu glauben, auf Korriban sei sie vor Palpatines Häschern sicher. Sie hatte gehofft, dass die Dunklen Energien an diesem Ort ihre Jedi-Präsenz überdecken würden ... statt dessen hatte sie einen Sturm entfacht, der Palpatine nicht verborgen bleiben konnte, denn er war ein Sith, mit den alten Herrschern auf Korriban verbunden. Sie hatte ihre "Spielchen" überstanden, auch wenn es sie beinahe den Verstand gekostet hätte und ihre körperlichen Kräfte fast aufgezehrt waren. Aber für eines reichten sie noch ... Sie würde den verdorrten Gestalten auf ihren Thronen noch einmal Vergnügen bereiten ... ein blutiges Vergnügen.
Adi Gallias Lächeln verzog sich zu einem Zähnefletschen. Sie erschrak über sich. Noch nie hatte sie sich von solchen offensichtlich zerstörerischen Gefühlen leiten lassen. Sie suchte die Gelassenheit, die einen Jedi auszeichnete, aber da war nichts, nichts weiter als der Wille, den Boden der Halle mit Blut zu tränken ... seinem Blut!

   Der Kampf, den sich die beiden Jedi lieferten, hatte etwas Gespentisches und Seltsames an sich; fand er doch in fast völliger Dunkelheit an einem Ort statt, der unheimlich genug war. Jetzt war er erfüllt vom Schein zweier roter Lichtschwerter, von den Geräuschen der Waffen und der Kämpfenden. Laute wurden in der gewaltigen Halle von Wand zu Wand getragen und riefen ein verzerrtes Echo hervor.
Eine Zeit lang sah es so aus, als habe Adi Gallia den Vorteil auf ihrer Seite, denn sie griff Jerec gnadenlos an und zwang ihn so, sich ununterbrochen zu verteidigen und nicht selbst an einen Angriff zu denken.
Die Jedi merkte jedoch schnell, dass Jerecs defensives Verhalten einen Sinn hatte.
Sie war ohnehin erschöpft und durch ihre wilden Angriffe verausgabte sie sich nur noch mehr. Jerec brauchte nur auf den geeigneten Moment zu warten.
Adi Gallia ermahnte sich zur Ruhe und kämpfte den Zorn nieder, der sie unbeherrscht reagieren ließ. Aber es war zu spät!
Die Jedi war einen Moment unachtsam. Sie schrie mehr überrascht als vor Schmerzen auf, als Jerec sie mit der Waffe traf, weil sie ihre Deckung hatte fallen lassen.
Adi Gallia taumelte zurück, bis sie einen Halt fand.

   Sie lehnte schwer atmend an einem Podest und presste eine Hand auf die klaffende Wunde an ihrer linken Seite. Klebrig und warm floss Blut zwischen ihren Fingern hindurch, die rohes Fleisch und zerrissene Muskeln ertasteten. Sie fühlte einen brennenden Schmerz, der ihr Tränen in die Augen trieb. Verschwommen nahm sie wahr, dass Jerec sein Lichtschwert zu einem weiteren Schlag erhoben hatte.
Adi Gallia versuchte die rote Klinge abzublocken, die auf ihren Oberkörper gezielt war. Sie schaffte es, und sie schaffte es auch, aus Jerecs Reichweite zu kommen ... aber gegen die brutale Kraft, die ihr ihre Waffe aus der Hand riss und an Stein schmetterte, so dass sie zerbarst, kam sie nicht mehr an.
"Genug! Gebt auf, Meisterin! Ihr habt keine Chance mehr." Jerecs Stimme war angespannt. Auch ihn strengte der Kampf an.
Adi Gallia schüttelte langsam den Kopf. Sie wollte nicht aufgeben. Sie hatte im Zorn gekämpft und die dunkle Glut loderte noch immer in ihren Adern. Sie wollte diesen reinen, gerechten Zorn erhalten! Alles war so falsch. Sie musste es irgendwie wieder in richtige Bahnen lenken.
"Nein!" presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Jerec seufzte.
Er trat langsam auf die erschöpfte Jedi zu.
Der rote Schein seines Lichtschwerts erzeugte gespenstische Schatten, die umherhuschten, als seien sie verlorene schwarze Seelen.
Adi Gallia richtete sich schwerfällig auf. Sie suchte Halt an dem Stein hinter ihr.
Warum tötete Jerec sie nicht einfach?
Er blieb so nah vor ihr stehen, dass sie den Kopf heben musste, um ihm ins Gesicht zu sehen. Sie zuckte zusammen, als er die Hand hob ...
Jerec berührte sanft die fiebrige Haut ihrer Wange und plötzlich küsste er sie ... und für einen Augenblick war es wie damals, als sie Meisterin und Schüler, Gefährten und Liebende gewesen waren. Da war es wieder, dieses Gefühl, den anderen so gut zu kennen, wie sich selbst. Sie waren sich einst unendlich nahe gewesen und Adi Gallia hatte geglaubt, zwischen ihnen gäbe es keine Geheimnisse.
Fragen stürmten auf die Jedi-Meisterin ein. Sie war verwirrt und unsicher, während sie spürte, wie alte Bande erneuert wurden.
Oder war alles nur Lug und Trug gewesen? Hatte der Rat mit seiner ablehnenden Haltung ihrer Beziehung gegenüber recht gehabt? Durfte eine Meisterin ihren Schüler lieben? Mit allen Konsequenzen, und wenn er diese Liebe erwiderte?
Der Kodex verbot solche Beziehungen zwischen Meistern und Schülern, denn sie trübten den Blick für das Wesentliche, schadeten der Ausbildung des Padawans und waren hinderlich.
Hatte sie das nicht persönlich erfahren? Ihr Schüler war ihr entglitten und sie hatte es nicht einmal bemerkt. Sie war so stolz darauf gewesen, dass Jerec noch so jung war, als der Rat ihn zum Jedi-Ritter ernannt hatte. Und auch erleichtert, denn dadurch hatte ihrer Beziehung der Kodex nicht mehr im Wege gestanden. Und sie hatte sich die stillschweigende Missbilligung des Rates nicht mehr so zu Herzen nehmen müssen, wie zuvor.
Sie war den anderen Ratsmitgliedern dankbar für ihr Verständnis gewesen, aber später hatte sie sich oft gewünscht, der Rat hätte anders reagiert. Aber da sie ein sehr angesehenes und geschätztes Mitglied gewesen war, hatten die anderen beide Augen zugedrückt und ihr auferlegt, die Beziehung geheimzuhalten. Eine Beziehung, die Adi Gallia als perfekt betrachtet hatte.
Aber war es wirklich so gewesen? Hatte sie sich die ganze Zeit etwas vorgemacht oder schlimmer noch, vormachen lassen?
War es nicht ... egal?
Die Jedi erwiderte den Kuss leidenschaftlich, zog Jerec an sich, aber dann stieß sie ihn fort, achtete nicht auf die Schmerzen und das Blut, das durch die heftige Bewegung stärker aus der Wunde floss.
"Wie kannst du es wagen ...!" sagte sie leise und anklagend zu ihm. "Du verspottest meine Hilflosigkeit und Schwäche indem du alte Erinnerungen und Begierden weckst ... ausgerechnet jetzt und ausgerechnet hier!" Adi Gallia verstummte. Sie suchte wieder Halt an dem Sockel des Podestes. Sie musste Atem schöpfen und die Schmerzen zurückdrängen.
"Ich verstehe deine Bitterkeit, und auch wenn du mir nicht glauben wirst, was ich sage ... der Kuss war aufrichtig. Es tut mir Leid, dass es so kommen musste", sagte Jerec langsam und eindringlich. "Aber trotz allem, was zwischen uns einmal war, was ich dir zu verdanken habe, werde ich dich nicht schonen ..."
"Was zwischen uns war!?" unterbrach Adi Gallia ihn heftig. "Nichts als Lüge! Ich habe dich geliebt, aber du ...!" Sie hustete und spürte ein feines Blutrinnsal über ihre Lippen kriechen.
Jerec wandte sich ab. Adi Gallia konnte seine nächsten Worte kaum verstehen.
"Vieles war Lüge ... das nicht. Aber jeder muss Opfer bringen. Du dafür, dass du lächerlichen Idealen nachgefolgt bist, ich für mein Streben nach Macht ... Denn dich zu töten, fällt mir schwerer, als alles was vorher jemals von mir verlangt wurde ..."
Adi Gallia schüttelte abweisend den Kopf. Sie wollte keine Erklärungen, keine Entschuldigungen oder weiteren Lügen hören. Es war genug. Wer wusste, wie viel Unheil Jerec schon angerichtet hatte, seit er der Dunklen Seite anheim gefallen war. Sie konnte ihm einfach nicht glauben ... und sie konnte ihm nicht vergeben.

   Sie hatte damals Körper und Geist für ihn geöffnet und alles mit ihm geteilt. Sie war sogar bereit gewesen, für ihn den Jedi-Rat zu verlassen, wenn die anderen Mitglieder es von ihr verlangt hätten. Nun fühlte sie sich betrogen. Er hatte nur mit ihr gespielt ...
"Warum bringst du nicht einfach zu Ende, was du angefangen hast!" schrie sie ihn an und der Zorn war wieder da
Sie versuchte nicht, ihn zu unterdrücken, obwohl sie genau wusste, was es für einen Jedi bedeutete, im Zorn den Tod zu finden.
Jerec nickte nur. In einer einzigen fließenden Bewegung wirbelte er herum.
Adi Gallia sah die gleißende Klinge auf sich zuschnellen. Sie hatte nicht einmal die Zeit für einen Schrei ...
Der Körper der Jedi sackte langsam zu Boden und hinterließ eine blutige Spur. Der Kopf landete mit einem dumpfen Geräusch auf den steinernen Fliesen der Halle.
Jerec holte langsam und tief Luft. Dann deaktivierte er seine Waffe. Es schien ihm, als höre er im hintersten Winkel seines Verstandes die Sith leise lachen ...

   Leutnant Thrawn verfolgte den Lauf der roten, riesigen Sonne Korribans. Sie hatte den Horizont fast berührt. Die Luft wurde bereits kühler und Thrawn fröstelte es. Stunden waren vergangen, seit Jerec das alte Gebäude betreten hatte. Wie lange sollte er warten, bis er etwas unternehmen musste?
Ein kleiner Stein polterte an Thrawn vorbei und veranlasste den Leutnant sich umzudrehen und die Treppe nach oben zu schauen.
Jerec schritt langsam die Stufen des Gebäudes hinunter. Der Leutnant kniff die Augen zusammen. Irgendetwas hielt Jerec in der linken Hand.
Thrawn spürte Übelkeit in seinen Eingeweiden, als er sah, dass es ein abgetrennter Kopf war, den Jerec an den langen Haaren festhielt, so dass er hin und her baumelte. Die Wundränder waren dunkel verfärbt, wie verbrannt. Blut tropfte langsam aus dem Halsstumpf auf die steinernen Stufen und bildete ein winziges Rinnsal, das von Stufe zu Stufe floß. Blut schimmerte auch auf Jerecs schwarzem Gewand und an seinen Händen, wie Thrawn feststellte, als der Dunkle Jedi ihn erreichte.
"Schockiert Sie das?" Jerec hob seine Trophäe in die Höhe, so dass das hübsche, aber schmerzverzerrte Gesicht der Frau nahe vor seinem und Thrawns baumelte.
Der Leutnant wünschte sich nicht zum ersten Mal, dass Jerec Augen besäße, in denen man lesen könnte. So blieb nur seine Stimme, denn sein Gesicht war unbewegt, und diese sanfte, immer leicht spöttische Stimme war trügerisch.
Thrawn wog seine nächsten Worte genau ab. "Die Tatsache eines gewaltsamen Todes ist für mich nichts Neues, Sir", sagte er bedächtig, "auch wenn ich es ... unangenehm finde, so direkt damit konfrontiert zu werden. Was mir wirklich Angst macht, sind Sie, Sir!"
Einen Moment glaubte Thrawn, zu weit gegangen zu sein, denn Jerecs gleichmütige Miene verfinsterte sich einen Augenblick. Dann aber lachte der Dunkle Jedi leise.
"Ihnen missfällt die Art wie ich töte, nicht wahr? Ich weiß, Sie würden sich nie die Hände schmutzig machen ... dazu haben Sie schließlich die gewöhnlichen Soldaten ... Aber manche Dinge muss man eben selbst erledigen – solche wie diese zum Beispiel – und wenn sie einem dann noch Genugtuung verschaffen ..." Jerec zuckte wegwerfend mit den Schultern und war über sich selbst überrascht. Er ging so leichtfertig über Adi Gallias Tod hinweg, als habe sie ihm niemals etwas bedeutet. Wieder eine Lüge, die sich nahtlos in die Reihe der unzähligen davor einreiht, dachte Jerec verbittert. Er würde sich früh genug elend fühlen; spätestens dann, wenn seine ehemalige Meisterin und Geliebte seine Träume heimzusuchen begann ...
"Ich verstehe, Sir", hörte er Thrawn langsam sagen.
"Nein, das tun Sie nicht, Thrawn!" erwiderte Jerec heftig, und diesmal war seine Stimme hart und kalt und ...
Thrawn wich einige Schritte zurück. Da war noch etwas in Jerecs Stimme. Es klang für Thrawn nach unterdrückter Wut und ... Trauer.
Der Leutnant war verwirrt. Er fühlte sich unsicher und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Was wurde von ihm erwartet?
Offensichtlich nichts, denn Jerec schritt ohne ein weiteres Wort an Thrawn vorbei. Er wählte den alten Pfad, den sie gekommen waren.
Thrawn folgte seinem Mentor. Sein analytischer Verstand begann sich mit dem Geschehenen zu beschäftigen ...


Zweieinhalb Wochen später

   Palpatine warf einen Blick auf die rechteckige, metallene Kiste, die der Bedienstete trug, der ein paar Schritte hinter Jerec stand. Auf einen Wink des Dunklen Jedi hin trat der Mann vor die Stufen des Thrones und öffnete den Deckel. Fauchend entwichen die milchig-weißen Dämpfe einer Kühlsubstanz.
Der Imperator nahm den Inhalt in Augenschein. Er lächelte. Dann nickte er dem Diener zu und der Mann schloss den Deckel der Kiste. Er verbeugte sich vor Palpatine, dann vor Jerec und verließ den Thronsaal.
Zufrieden lehnte sich der Imperator zurück. Er musterte Jerec lange. Dann sagte er süffisant: "Es sieht Euch gar nicht ähnlich, Eure Opfer oder besser gesagt, Teile von ihnen mit Euch herumzuschleppen, Jerec. So etwas ist sehr ... unüblich."
Jerec verzog keine Miene, als er sagte: "Sie war auch kein gewöhnliches Opfer, mein Gebieter. Ich dachte mir, dass Ihr deshalb einen Beweis meiner ... Treue sehen möchtet."
Palpatine lachte boshaft. "Den nächsten Jedi werdet Ihr wieder 'gefahrlos' jagen können, Jerec. Das verspreche ich Euch!
Ihr könnt gehen."
Jerec verneigte sich. In diesem Moment war der Drang, die Waffe gegen Palpatine zu erheben und dieser Boshaftigkeit ein Ende zu machen, in Jerec fast übermächtig.
Aber es war eine Illusion zu glauben, dass er etwas gegen Palpatine unternehmen könnte. Nicht jetzt und nicht hier.
Als Jerec sich wieder aufrichtete, war seine Miene neutral wie immer. Nichts deutete auf den Aufruhr im Inneren des Dunklen Jedi hin.
Palpatine nahm keine weitere Notiz von seinem Diener.
Jerec wandte sich um und verließ langsam den Thronsaal.
Irgendwann würde auch Palpatine seinen "Meister" finden ...


Dairyû 9/2001