Visions Of The Things To Be
von Bimo

 

-Ein kurzer Augenblick der Benommenheit-

 

"Charles? Hey Charly..., alles in Ordnung?"
Verzweifelt versuchte Sam Beckett wenigstens einen Hauch von Ordnung in das Chaos zu bringen, welches der Sprung in seinen Gehirnwindungen veranstaltet hatte.
"Danke....., es geht schon wieder....."
Wie aus einer Art von Reflex kamen diese Worte über seine Lippen und er betete, daß sie überzeugend genug gewesen waren um sein Gegenüber zu beruhigen. Langsam hob er den Kopf und blickte in das unrasierte Gesicht eines Fremden in einem purpurfarbenem Bademantel. An einigen Stellen lugte das unverkennbare, häßliche Grün einer amerikanischen Army-Uniform unter dem roten Stoff hervor und an einer Metallkette lose um den Hals des Mannes baumelte eine silbrig glänzende Identifizierungsmarke.

Krieg, Sam.
Welcher?
Korea? Vietnam?

 

"Charles...., dieser gottverdammte Ort hier hat noch jeden geschafft, auch wenn Sie sich wahrscheinlich für Superman persönlich halten ...."
Die Stimme des Fremden war warm und eindringlich, wie eine unausgesprochene Einladung zum Reden, gerichtet an eine Person von der das einzige, was Sam im Augenblick wußte nichts weiter war, als ein Vorname und die Tatsache, daß sie sich gerade in diesem Moment in irgendeiner Art von Messezelt befand.
Hilfesuchend ließ er seinen Blick umherschweifen. Ein paar spartanisch anmutende Tische und Bänke, etwas das entfernt an eine Essensausgabe erinnerte. Die einzigen anwesenden Personen waren er und der Fremde. Sie beide saßen an einem der Tische, der Fremde hielt eine halbausgetrunkene Tasse mit Kaffe in seinen Händen. Sein Gesicht war gezeichnet von Erschöpfung und Sam ahnte daß sein dunkles, von Grau durchsetztes Haar unter anderen Umständen vielleicht noch
immer seine ursprüngliche, schwarze Farbe behalten hätte.
Wo auch immer sich dieser Ort befand, von dem der Mann gesprochen hatte, Sam war überzeugt, daß der Fremde sich bereits schon viel zu lange an ihm aufgehalten haben mußte.
Der Ausdruck in seinem wasserblauen Augen sprach Bände.
"Hawkeye, Dr. Winchester ?"
Ohne daß Sam es bemerkt hatte, war ein junger, bebrillter Corporal zu ihnen ins Zelt getreten.
"Der Colonel will irgendwas von ihnen."
"Jetzt ? Hat Potter sie nicht mehr alle? Radar, Dr Winchester und ich haben gerade die halbe Nacht im OP gestanden."
"Ich weiß. Keine Ahnung wieso der Alte Sie sprechen möchte, Sir."
"O.K. wenns unbedingt sein muß."
Ein ausgedehntes Gähnen, dann erhob sich der Mann im roten Bademantel. Mit müden Schritten wankte er zum Ausgang und Sam folgte ihm hinaus in den gleißend hellen Morgensonnenschein.
Das Camp, das er und Hawkeye

- Hawkeye?! -

durchquerten, bestand aus mehreren Zelten und ein paar großen Holzbaracken, alle deutlich mit riesigen Rotkreuzabzeichen gekennzeichnet. Jedem der Bauten haftete etwas Unbeständiges, Provisorisches an, so als könne er binnen weniger Stunden ab- und dann an einer x-beliebigen Stelle wieder aufgebaut werden. Überall auf den ersten Blick nur Holz und Zeltwand, kein Stein, kein Beton.
Als Sam am Rande der Straße die mitten durchs Camp führte, ein halbverwittertes Schild entdeckte, wurde ihm schlagartig bewußt, wieso die Erbauer dieses Ortes soviel Wert auf Mobilität gelegt hatten.

WELCOME TO M.A.S.H. 4077th
BEST CARE ANYWHERE
M.A.S.H.

Mobile Army Surgery Hospital.
Zwar hatte während seines Studiums von diesen Feldlazaretten gehört, den endlos langen Schichten in provisorischen OPs, der ständigen physichen und psychischen Überbelastung der dort arbeitenden Ärzte; doch das hier, die Umgebung durch die er gerade schritt, war real. Nicht bloß eine verblaßte Erinnerung aus zweiter Hand.

-Oh Boy.... -

 

***

 

 

Als Hawkeye und Sam das Büro des Colonel betraten, hatte Sam geglaubt dort einen dieser typischen Militärheinis vorzufinden. Grobschlächtig, abgestumpft und völlig gefühlskalt. Der kleine, beinahe zierliche weißhaarige Mann hinter dem rieigen Schreibtisch überraschte ihn, denn trotz der Uniform in der er steckte, wirkte er wie ein alter, erfahrener Landarzt, nicht wie ein kommandierender Offizier.
Ein Pferdenarr.
Unwillkürlich huschte ein Lächeln über Sams Lippen, als er sah, daß es im ganzen Büro keine einzige Wand gab, die nicht mit den Photographien dieser Tiere dekoriert war .
"Was gibt`s, Colonel?"
"Irgendjemand im ersten Corps hat anscheinend Wind von unserer neuen Darmresektionsmethode bekommen und nun wollen die natürlich, daß ich zwei von meinen Chirurgen zu den anderen M.A.S.H.-Einheiten schicke, um die Methode dort zu demonstrieren.
Hawkeye stieß einen lauten Seufzer aus.
"Daß heißt also, Sie wollen mich und Charles......"
"Tja, tut mir leid, mein Sohn. Ich kann`s auch nicht ändern. Morgen früh fangt ihr mit dem 8063sten an und von da aus dann direkt weiter ins 5084ste zu Colonel McGintry. Wir müssen es ausnutzen, daß sich das Kampfgebiet im Moment wesentlich weiter nach Norden verlagert hat. Ach, und Pierce...."
"Yepp, Sir?"
"Blamieren Sie mich nicht. "

 

***

 

-Zeit, daß Al allmählich auftaucht-

In Sam steckte eine viel zu große Unruhe, um an Schlaf überhaupt auch nur zu denken. Im Gegensatz zu Hawkeye, der sich in einem Zelt mit der durchaus treffenden Bezeichnug "Sumpf" so wie er war sofort der Länge nach auf das nächste Feldbett fallen ließ und nun vor sich hinschlummerte.
Anders als vorhin waren die Gesichtszüge des Mannes nun entspannt und friedlich, fast wie bei einem Kind.
Aus Erfahrung jedoch wußte Sam, daß dieser Zustand wahrscheinlich eher durch Überanstrengung herbeigeführt worden war, als durch angenehme Träume. Als er das Zelt nach irgendwelchen Hinweisen über das Leben von Dr Charles Winchester zu durchforsten begann, bemühte er sich, jeden unnötigen Krach zu vermeiden.
Der kleine Spiegel, der etwa in Augenhöhe an der senkrechten Holzstange hing, auf welcher die ganze Last des Zeltes ruhte, bedeutete zumindest einen Anfang.
Das Gesicht, das sich Sam in ihm präsentierte war das eines wohlgenährten Endreißigers dessen Haupthaar schon vor längerer Zeit damit begonnen haben mußte, sich allmählich von seinem Besitzer zu verabschieden. Am auffallensten an Winchesters ansonsten eher durchschnittlichen Erscheinung waren ein Paar wachsame graugrüne Augen und ein leicht snobistischer Zug um die Mundwinkel.
"Sam..."
Sam fuhr herum und schaute in die Richtung, aus welcher die Stimme gekommen war. Sofort erkannte er die vertraute Gestalt im Zelteingang, die durch ihre papageienbunte Kleidung deutlich aus dem tristen Hintergrund herausstach, wie ein zufälliger Besucher aus einer anderen Dimension.
"Große Güte Al, mußtest Du mich so erschrecken? Überhaupt, wo hast Du die ganze Zeit über gesteckt?"
Das Hologramm nahm einen Zug aus seiner Zigarre.
"Tut mir leid, Sam, aber wir hatten da ein paar kleinere Schwierigkeiten mit dem Kerl, in den Du gesprungen bist, Major Charles Emmerson Winchester der Dritte. Mann, der hat vielleicht rumgetobt. Uns ist es erst gelungen ihn halbwegs ruhigzustellen, nachdem Ziggy auf die Idee kam, ihn mit Cognac abzufüllen und ihm dann ein paar Cds mit klassischer Musik vorzuspielen. Frag mich bitte nicht wieso, aber es hat funktioniert."
"Sssscht."
Sam deutete auf den schlafenden Hawkeye Pierce.
"Komm, ich glaube, wir gehen zum Reden besser nach draußen.

***

 

"Also fassen wir`s nochmal zusammen" fuhr Al in einer halbwegs unbeobachteten Ecke fort, "wir haben den 17. Mai 1953, Korea, und Du bist Dr Charles Emmerson Winchester, derzeit Chirurg in dieser M.A.S.H.- Einheit hier, die von irgend so einen Typ namens Sherman T. Potter kommandiert wird."
"Ich weiß, ich habe schon mit Potter geprochen. Wieso bin ich hier Al?"
"Morgen früh werden Du und ein gewisser Benjamin....... Frrrk ....."
Ein wiederspenstiger Piepslaut. Al versetzte dem etwa taschenrechnergroßen Handlink in seinen Fingern einen leichten Klaps,
"Benjamin Franklin Pierce zu einer Tour in die umliegenden M.A.S.H.-Camps aufbrechen."
"Soweit bin ich auch schon. Was geht schief, Al?"
"Wissen wir noch nicht genau. Das einzige, was feststeht ist, daß eurer Jeep irgendwie vom Weg abkommt, sich mehrmals übeschlägt und einen Hang hinunterrollt. Als man euch dann am nächsten Mittag findet, ist es für Pierce bereits zu spät. Er stirbt auf dem Transport ins 5084ste."
"Was ist mit Charles?"
"Momentchen, Sam. Das haben wir gleich"
Al fummelte an den Tasten des Handlinks herum.
"Scheint verdammt viel Glück gehabt zu haben. Alles, was er bei dem Unfall abbekommt, sind ein paar blaue Flecken und Kratzer. Die Schwierigkeiten mit ihm fangen erst an, wenn er wieder zu Hause in Boston ist. Anscheinend fühlt er sich für Pierces Ableben verantwortlich und beginnt, sich langsam aber durchaus effektiv zu Tode zu saufen. Er endet 1962 als nervliches Wrack in irgendeinem Nobelsanatorium."
"Hat Ziggy schon eine Idee, wie ich das alles verhindern soll?"
"Leider nein. Wir basteln noch daran."
"O.K. Al. Beeilt euch."
"Machen wir. Versprochen Sam."
Ein kurzes Rauschen und das Hologramm Admiral Albert Calaviccis verschwand in einem Tor bläulichen Lichtes, das sich genau so schnell wieder schloß, wie es sich plötzlich aus dem Nichts heraus geöffnet hatte..

 

****

 

Abgesehen von einem recht unglücklichen Zusammenstoß mit einer leicht aufbrausenden Blondine, verlief der Tag im Camp friedlich und ohne besondere Vorkommnisse.
Gegen Nachmittag wurde Sam von Radar darum gebeten einen Dr Hunnicutt auf der Postoperativen abzulösen. Mit Staunen mußte er feststellen, die blonde Furie, Margaret Houlihan, im Umgang mit Patienten wie ausgetauscht zu sein schien. Die Freundlichkeit und die sie bei iher Arbeit an den Tag legte, überraschte ihn, aufgrund ihrer ersten Begegnung hatte er sie eher als Oberschwester Marke "tyrannischer Drachen" eingeschätzt.
Als Sam nach Beendigung seiner Schicht zurück in den Sumpf ging, war das Zelt leer. Erst nach Mitternacht kehrte ein sichtlich angeheiteter Hawkeye, im Chor mit BJ Hunnicutt "Somewhere over the Rainbow" singend, zu seiner Schlafstätte zurück.
Glücklicherweise war keiner der beiden noch in der Lage zu registrieren, daß sich ihr Zeltgenosse Charly in dem Moment, als sie hereinplatzten, höchst angeregt mit einem scheinbar leeren Feldbett unterhielt.

****

"Und Ziggy sieht also so gut wie gar keine Möglichkeit das Ganze zu verhindern ? Ich meine, wenn ich den Jeep fahre, anstelle von Winchester oder Hawkeye, oder falls ich es schaffen kann irgendwie zu verhindern, daß wir überhaupt aufbrechen. Es müßte doch...." Al schüttelte den Kopf.
"Leider nein, Sam. Ich wollte es zuerst auch nicht glauben, aber Ziggy vertritt die Theorie, daß einfach zu viele verschieden Faktoren an dem Unfall beteiligt sind. So etwas wie eine Anhäufung unglücklicher Zufälle. Fällt einer dieser Faktoren aus, kommt direkt der nächste ins Spiel. Das wird sich jetzt ein bißchen verrückt anhören, aber Ziggy hat sämtliche möglichen Szenarien x-mal durchgerechnet und jedesmal liegt die Wahrscheinlichkeit so um die 99,98 % herum."
"Was? Al, bist Du sicher?"
"Ganz genau das hat Gooshie auch gefragt. Glaub mir, mir ist auch nicht wohl bei dem Gedanken, daß Du morgen Abend in einem sich überschlagenden Jeep diesen gottverdammten Hang hinunterrollen wirst. Deine einzige Chance bei der ganzen Angelegenheit hier besteht darin zu verhindern, daß Pierce bei dem Unfall draufgeht."
"Hhmm. Hört sich fast an wie im Märchen. Der Fluch läßt sich nicht aufheben, man kann höchstens versuchen, ihn abzumildern."
"Du liest eindeutig zu viele Kindergeschichten. Ich muß jetzt gehen. Nacht, Sam. Und pass auf Dich auf....."

****

 

Sam verbrachte einen Großteil der Nacht, indem er sich unruhig von einer Seite auf die andere wälzte und als er gegen morgen von BJ Hunnicutt mittels einer gigantischen Hupe aus seinem Bett gescheucht wurde, fühlte sich jeder einzelne Muskel in seinem Körper an, als wäre er in einem Zustand völliger Verspannung.
"Mooooorgen ! Charly, raus aus den Federn.... Chahaarles, Aufsteeehn....."
Begleitet von einer Serenade kaum erträglicher Quietschtöne veranstaltete Hunnicutt einen Tanz um das Bett herum, der ausgereicht hätte Tote zum Leben zu erwecken.
Deutlich stand ihm diebische Freude, die er bei der Aktion empfand ins Gesicht geschrieben. Das schadenfrohe Grinsen auf seinen Lippen schien vom einen Ende seines honigblonden Schnurrbartes bis zum anderen zu reichen.
"Los..., vorwärts...., Hawk ist schon längst fertig und wartet auf Sie!"
Verschlafen fuhr Sam sich mit der Hand übers Gesicht.
"Wie spät ist es?"
"Viertel vor Neun."
"Was?"
"Tja, ich fürchte Sie werden sich wohl ein klein wenig beeilen müssen, Charly."
Und Sam beeilte sich. Das letzte was er riskieren wollte war, daß Hawkeye womöglich noch alleine abfuhr und damit das Unvermeidliche noch schlimmer machte, als es ohnehin schon war.

****

Neben Hawkeye im Jeep zu sitzen, ihn zu beobachten und zu wissen, daß er, Sam Beckett, Quantenphysiker aus Elkridge, Indiana über das Leben dieses Mannes entscheiden würde, war schrecklich.
Im 8063sten hatte Sam mehrmals versucht Pierce zu überreden die Nacht über dort zu bleiben Der Versuch scheiterte jedoch an der Tatsache, daß Hawkeye sich für den Abend offenbar mit einer der Schwestern aus dem 5084sten verabredet hatte.

-Was? Hierbleiben, wenn ich die Nacht bei einen der reizensten Geschöpfe verbringen kann, das man je in eine Uniform gesteckt hat? Sie haben wohl eine Sprung an der Schüssel. Verdammt nochmal Charles, was ist eigentlich los mit Ihnen....?

Genau zu wissen, daß es jede Sekunde geschehen konnte und nichts dagegen tun zu können erfüllte ihn mit unbeschreiblicher Hilflosigkeit. Jedesmal, wenn das Fahrzeug auf der staubigen Schlaglochpiste zum 5084sten ins Rumpeln geriet verkrampfte Sam sich so sehr, daß seine Fingespitzen sich fest in die Polsterung des Autositzes bohrten.

-Wenn Al wenigstens hier wäre....-

Ein Geräusch ähnlich dem eines Schusses. Die Abenddämmerung wurde zerfetzt von dem Lärm kreischender Bremsen. Hawkeye der das Lenkrad herumriß, und dennoch die Kontrolle über den trudelnden Jeep verlor.......
Der Abhang.
Das Nächste woran Sam sich erinnern konnte war das besorgte Gesicht Al`s, als dieser sich über ihn beugte.
"Sam, alles in Ordnung? Sam....."
"Ich .... Ich glaube..... es geht schon...."
Vorsichtig rappelte Sam sich auf, erstaunt darüber, daß sämtliche Gliedmaßen noch halbwegs funktionsfähig erschienen.
"Wie lange war ich weggetreten?"
"Höchstens zwei oder drei Minuten. Sicher, daß wirklich alles o.k. ist?"
"Ich glaube, bloß ein paar fiese Prellungen. Was ist mit Hawkeye?".
"Er liegt ein ganzes Stück weiter unten. Es hat ihn gerade noch rechtzeitig rausgeschleudert, bevor der Jeep aufgeprallt und explodiert ist."
Sam sah in Richtung des brennenden Wracks ohne Pierce jedoch auf Anhieb entdecken zu können.
"Komm mit. Ich bring dich zu ihm."
Geführt von dem Hologramm stolperte Sam durch das Halbdunkel den rutschigen Hang hinab, dankbar für jeden Stein, jede Art von Vegetation, die seinen Füßen ein klein wenig Halt gab. Bis er endlich zu Hawkeye gelangte schien eine kleine Ewigkeit vergangen zu sein.
Der Arzt lag regungslos inmitten eines Haufens Geröll. Dunkelrotes Blut sickerte aus einer Platzwunde an der Stirn. Als Sam begann, ihn behutsam auf weitere Verletzungen abzutasten, vernahm er ein schmerzverzerrtes Stöhnen.
"Charles...."
"Ganz ruhig bleiben Hawk. Ich bin ja bei Ihnen."
"Charles...., was ist passiert?"
"Ssschscht. Nicht sprechen. Es kommt alles wieder in Ordnung."
Hawkeye hob kurz den Kopf, so als ob er irgend etwas sagen wollte, driftete dann aber zurück in die Besinnungslosigkeit.
"Wie schlimm ist es, Sam?"
Al hatte sich zu dem knieenden Sam hinuntergebeugt.
"Kann ich noch nicht genau sagen. Er steht mit Sicherheit unter Schock und ich glaube er hat innere Blutungen. Ich krieg kaum Puls."
"Mit anderen Worten Du mußt sehen, daß Du ihn so schnell wie möglich von hier weg ins nächste Lazarett bekommst."
"Fragt sich nur wie. Wenn die uns erst Morgen hier finden, ist das zu spät. In seinem Zustand kann ich ihn doch unmöglich hier allein lassen, um Hilfe zu holen......"
"Das selbe hat sich Winchester wahrscheinlich auch gedacht. Du weißt selbst, daß es nicht anders geht.... wart mal einen Augenblick...."
Al drückte an den Knöpfen des Handlinks herum.
"Ah, da haben wir`s ja. Von hier aus sind es noch ungefähr 6½ Meilen bis bis zum 5084sten. Du mußt einfach bloß den Hang hoch und dann immer geradeaus die Straße entlang."
Unsicher blickte Sam auf den kreidebleichen Hawkeye.
"Sam, Du tust das Richtige. Im Moment liegen seine Chancen durchzukommen noch bei 61 % aber sie sinken mit jeder Minute, die Du hier weiter rumstehst."
"Versprich mir, daß Du bei ihm bleibst Al. Auch wenn er dich nicht hören oder sehen kann."
"Versprochen."
"Gut."
Sam zog seine Uniformjacke aus und wickelte sie so gut es ging um Hawkeyes Oberkörper. Zum Abschluß kontrollierte er noch einmal Pulsschlag und Atmung. Dann verschwand er in der Dunkelheit.

****

 

Auch wenn die Strecke bis zum Camp vielleicht wirklich nur knapp über 6 Meilen lang war, Sam kam es vor als rannte er geradewegs in die Unendlichkeit. Atemlos, mit stechenden Schmerzen in den Lungen erreichte er das 5084ste und erst, während er dem Kommandanten der MASH-Einheit von Hawkeyes Situation berichtete legte sich allmählich das Pochen hinter seinen Schläfen.
"Dr Winchester, Sie sind sicher, daß Sie die Stelle wiederfinden können, an der Sie und Pierce verunglückt sind?"
Sam nickte.
"O.K. Dann fahren Sie direkt mit dem Rettungsteam, Doktor.
Harold ..., " der Colonel wandte sich an einen schlaksigen Lieutenant mit karottenrotem Haar, " sagen Sie bitte den Captains Emmerson und Weaver Bescheid, daß sie sich fertig machen sollen.
Die wenigen Minuten, die es dauerte bis ein Sanitätswagen mit ihm und den beiden Ärzten an Bord das Camp verließ schienen wie Stunden. Unruhig starrte Sam während der Fahrt durch die Windschutzscheibe des Fahrzeugs hinaus auf die Straße, verzweifelt auf der Suche nach der Stelle an der Hawkeye und er ins Schleudern gekommen waren.
"Vorsicht. Es muß direkt da vorne irgendwo sein. Gleich hinter der Kurve."
Der Wagen stoppte und als Sam hinaussprang erkannte er im Scheinwerferlicht einige Meter weiter vorne deutlich die Rutschspuren, die der Jeep beim Abkommen von der Fahrbahn im Straßenstaub hinterlassen hatte.
"Hier lang!"
Sam führte die mit Medkit, Trage und leisstungstarken Taschenlampen bewaffneten Männer den Hang hinunter. Daß sie Hawkeye auf Anhieb fanden war trotz der Lampen hauptsächlich Al zu verdanken. Geistesgegenwärtig hatte das Hologramm sich irgendwo aus dem Fundus von Projekt Quantum Leap ein gleißend oranges Warnblinklicht organisiert, mit dem er ein ausschließlich für Sam sichtbares Leuchtsignal durch die Nacht schickte.
Unten bei Hawkeye angelangt begannen die beiden Mediziner sofort, ihn zu versorgen.
"Er wird doch durchkommen, oder ? Al, bitte sag, daß er`s schafft."
Sams Stimme bebte vor Besorgnis.
Stirnrunzelnd warf Al einen Blick auf das Handlink.
"Ist leider noch nicht ganz raus Sam. Im Moment steht es so ungefähr fifty-fifty. Bei der Schwere seiner Verletzungen ist es überhaupt ein Wunder, daß er im ürsprünglichen Verlauf der Ereignisse überhaupt bis Morgen durchgehalten hat."
Sam schluckte.
"Also heißt es jetzt wohl abwarten."

****

 

Warten.
Wenn es etwas gab, das Sam während seines Medizinstudiums wirklich aus tiefster Seele gehaßt hatte, so waren es jene Situationen in denen nichts weiter mehr übrig blieb, als Däumchen zu drehen und hilflos dabei zuzusehen, wie ein Mensch um sein Leben rang.
Sam hatte die Rückfahrt ins 5084ste über Hawkeyes Hand gehalten, mit ihm geredet, und als Emmerson und Weaver ihn auf einer Bahre in den OP schoben, hatte er sich die Nase am Türfenster des Operationssaales plattgedrückt.
Nun saß er in der Intensivstation auf einem Stuhl neben dem Bett, in das man Hawk gelegt hatte, und hoffte darauf, daß sein Zustand sich allmählich stabilisieren würde.
"Kommen Sie, Charles. Sie sollten sich ausruhen."
Unwillkürlich zuckte Sam zusammen. Er hatte nicht bemerkt, daß Emmerson von hinten an ihn herangetreten war.
"Er wird`s schon schaffen."
Ein aufmunterndes Lächeln huschte über Emmersons Gesicht.
"Wissen Sie, auch wenn Scottie Weaver eher nach kanadischem Holzfäller aussieht, als nach Chirurg, der Junge hat `ne Menge auf dem Kasten. Der läßt keinen so einfach wegsterben ....."
"Danke, daß Sie mich aufmuntern wollen. Ich möchte trotzdem lieber hier bleiben.
Emmerson nickte.
"In Ordnung. Wenn ich Ihnen irgendetwas bringen kann, Dr Winchester......"
Einen Augenblick lang überlegte Sam.
"Einen Kaffee vielleicht."
"O.K. Kommt sofort."
Zu dem Zeitpunkt als Emmerson vom Messezelt mit einer großen Tasse dampfendheißer, schwarzer Flüssigkeit zurückkehrte, war Sam bereits vor Erschöpfung eingeschlafen.

****

 

"Hi Sam."
Als Sam in der Frühe aus seinem Schlaf erwachte blickte er direkt in das grinsende Gesicht Albert Calaviccis.
"Wie geht es ihm?"
"Hawkeye? Ziggy ist ganz davon überzeugt, daß er durchkommen wird. Die zwei Kerle die ihn wieder zusammen geflickt haben, haben ganze Arbeit geleistet."
"Gott sei Dank."
Sam wandte seinen Blick auf den noch immer bewußtlosen Benjamin Franklin Pierce, der blaß und an eine Vielzahl von Schläuchen gekoppelt in den Kissen lag. Aufmerksam beobachtete er jeden einzelnen seiner Atemzüge, das kaum wahrnehmbare, aber regelmäßige Heben und Senken seines Brustkorbes.
"Wie schwach er noch immer aussieht......"
Sam erwiederte die Worte seines Freundes mit einem Nicken.
"Es wird dauern, bis er wieder auf den Beinen ist.
Schau, Al......er kommt zu sich....."
Ein leichtes Zucken von Hawks Mund, gefolgt von einen heiseren, kurzen Husten.
"Charl..."
Seine Stimme war brüchig, nicht viel mehr als ein Flüstern, und der zaghafte Versuch eines Lächelns, der über seine Lippen kam als er langam die Augenlieder hob, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie schlecht es ihm ging, benommen und halbverrückt vor Schmerzen.
"Charles....."
Das Sprechen bereitete ihm Mühe.
"Sssscht. Nicht anstrengen. Sie brauchen jetzt Ruhe, Hawk."
"Charles....,danke....daß......."
Trotz der Kanülen, die in seinem Arm steckten, hob Hawkeye seine Hand und streckte sie in Sams Richtung. Sam griff nach ihr. Ein kurzer Augenblick in dem Hawkeye Pierces Fingespitzen jene des Quantenphysikers berührten.
Dann sprang Sam.

 

ENDE